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Corona-ImpfungAstrazeneca nur noch für “60plus”

Der Corona-Impfstoff von Astrazeneca soll ab diesem Mittwoch in der Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahren eingesetzt werden. Die STIKO hat ihre Empfehlung entsprechend geändert. An einer Stelle sind Hausarztpraxen in besonderem Maße gefragt.

Impfung "U60"? Astrazeneca soll hier nur noch ein Ausnahmen zum Einsatz kommen.

Berlin. Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfiehlt eine Corona-Impfung mit Astrazeneca nur noch für über 60-Jährige. Unter 60-Jährige sollen sich „nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung“ weiterhin damit impfen lassen können, wie Bund und Länder basierend auf der am Dienstag (31. März) bekanntgewordenen STIKO-Einschätzung noch am Abend beschlossen.

Wichtig: Wenn Menschen unter 60 sich gemeinsam mit einem impfenden Mediziner für Astrazeneca entscheiden, sollen diese Impfungen grundsätzlich in den Praxen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte erfolgen, heißt es in dem Beschluss, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Der Beratungsbedarf in den Hausarztpraxen dürfte damit einmal mehr steigen.

Zur Zweitimpfung von Menschen, die bereits die erste Dosis Astrazeneca erhalten haben, will die STIKO bis Ende April eine Empfehlung abgeben. Nach dem Impfstart mit dem Vakzin Anfang Februar und bei einem empfohlenen Abstand von zwölf Wochen zur ersten Impfung sind die ersten Zweitimpfungen Anfang Mai vorgesehen.

Die Länder sollen nun zudem schon 60- bis 69-Jährige, also jene, die – zumindest dem Alter zufolge – erst in Priorisierungsgruppe 3 zu finden sind,  für das Mittel von Astrazeneca mit in ihre Impfkampagnen einbeziehen können, wie die Gesundheitsminister beschlossen. Dies dürfte den föderalen Flickenteppich rund um die Corona-Impfungen jedoch noch verstärken.

Zahl gemeldeter Sinusthrombosen gestiegen

Hintergrund für die Neubewertung der Vakzine von Astrazeneca, die ursprünglich gerade explizit für Jüngere eingesetzt wurde, waren laut STIKO Daten zum Auftreten “seltener, aber sehr schwerer thromboembolischer Nebenwirkungen”. Diese seien 4 bis 16 Tage nach der Impfung ganz überwiegend bei Personen im Alter unter 60 Jahren aufgetreten.

Nach Berichten über Hirnvenenthrombosen, die zuletzt – vorwiegend bei Frauen unter 55 – im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen aufgetreten waren, war es bereits zum vorübergehenden Stopp der Impfungen mit Astrazeneca gekommen. 

Seither hat die Zahl der dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gemeldeten Sinusthrombosen in Verbindung mit AZD1222 deutlich zugenommen: Bis 29. März liegen dem PEI bezogen auf 2,7 Mio. verimpfte Dosierungen 31 Berichte über diese Komplikation vor. 29 Betroffene sind Frauen zwischen 20 und 63 Jahren, 2 sind Männer von 36 bzw. 57 Jahren. Bei 19 Betroffenen liegt gleichzeitig eine Thrombozytopenie vor, 9 Patienten sind verstorben. “Diese Häufigkeiten stehen unseres Erachtens der pauschalen Einstufung der Vakzine als sicher entgegen”, kommentieren die Autoren des aktuellen Arznei-Telegramms.

Bereits in den vergangenen Tagen haben neben Frankreich mehrere Länder altersbezogene Anwendungsbeschränkungen für den Vektorimpfstoff empfohlen oder die Verwendung der Vakzine für jüngere Menschen ausgesetzt. Auch einige Bundesländer, Kommunen und Kliniken hatten Impfungen mit Astrazeneca bereits für unter 60-Jährige ausgesetzt und STIKO und Politik damit ein Stück weit unter Zugzwang gesetzt.

Wie groß ist der Vertrauensverlust?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Menschen über 60 Jahre nach den neuen Beschlüssen zum Einsatz des Impfstoffs von Astrazeneca zur Impfung aufgerufen. Sie könnten jetzt schneller geimpft werden. “Insofern kann ich alle über 60-Jährigen tatsächlich ausdrücklich nur bitten, dieses Impfangebot auch wahrzunehmen.” Sie könnten auch Vorbild sein, fügte er hinzu.

Ob dies in der Bevölkerung jedoch tatsächlich so wahrgenommen wird, bleibt fraglich. Zahlreiche Hausärztinnen und Hausärzte berichten gegenüber “Der Hausarzt” seit dem holprigen Start von Astrazeneca von verunsicherten Patientinnen und Patienten, die die Impfung teils gar ablehnten. Man habe es als “zunehmend schwierig” empfunden, gerade jüngeren Menschen Astrazeneca zu empfehlen, heißt es aus einigen Praxen.

“Es kann sein, dass dadurch Vertrauen schwindet”, meint auch STIKO-Chef Prof. Thomas Mertens (Funke Mediengruppe 31. März). Es könne aber auch das Gegenteil bewirken, gibt er zu bedenken. In jedem Fall habe die Kontrollfunktion des PEI gut funktioniert. “Sie haben mehr als 30 besorgniserregende Fälle registriert, es wurde intensiv geprüft und Alarm geschlagen, und jetzt reagiert man darauf. Das sollte eigentlich vertrauensbildend sein.”

Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, sagte am Mittwoch, den 31. März in der Tagesschau24: „Hausärztinnen und Hausärzte müssen jetzt mit einer extremen Verunsicherung der Menschen umgehen.  Erst durfte der Astrazeneca-Impfstoff nur an Menschen unter 65 Jahren verimpft werden, dann wurde er ausgesetzt, jetzt wird er nur noch Menschen, die älter als 60 Jahre sind, verabreicht. Das sind nicht unbedingt vertrauensbildende Maßnahmen und der Beratungsbedarf in den Praxen wird steigen. Einfach zu sagen „wer sich traut, soll das machen“ wäre zu flapsig und auch bzgl. der Haftung problematisch.

Eine „Wahlfreiheit“ der Impfstoffe, also man sucht sich seinen Impfstoff wie im Supermarktregal aus, sehen wir sehr kritisch. Es wird zwar bald mehr Impfstoffe zur Verfügung geben, dennoch sind wir in der Situation, in der wir zusehen müssen, möglichst viele Menschen möglichst schnell zu impfen. Dabei sollten wir die zur Verfügung stehenden Impfstoffe sauber und offen beschreiben. Wenn aber Patienten Ängste äußern, müssen Ärzte mit ihnen gemeinsam einen alternativen Weg finden. Wie bei allen anderen medizinischen Behandlungen auch.“

 

Mit Material von dpa

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