Eine Hyperkaliämie kann lebensgefährlich werden. Was dafür und was dagegen spricht, dieses Risiko mit Kaliumbindern zu vermindern, diskutierten Prof. Joachim Hoyer, Leiter der nephrologischen Klinik des Uniklinikums Marburg, und Prof. Ralph Kettritz, Oberarzt der Klinik für Nephrologie an der Charité Berlin, auf dem DGIM-Kongress. [1]
Etwa 0,5 Prozent der Patienten, die als Notfall ins Krankenhaus kommen, weisen mit einem Kaliumspiegel > 6 mmol/l eine schwere Hyperkaliämie auf. In der Normalbevölkerung liegt die Inzidenz bei zwei bis drei Prozent [2]. Als wichtigste Ursachen für die Hyperkaliämie nannte Hoyer die Herz- und die fortgeschrittene Niereninsuffizienz. Bei letzterer beträgt die Inzidenz 40 bis 50 Prozent [2]. Für beide Gruppen gilt, dass mit dem Serum-Kaliumspiegel die Mortalität steigt: in besonderem Maße für Patienten, die sowohl herz- als auch niereninsuffizient sind. Auch die prognoseverbessernde Therapie der Herzinsuffizienz trägt zum Hyperkaliämierisiko bei, insbesondere Aldosteronantagonisten oder RAS-Hemmer. Als Spironolacton eingeführt wurde, stieg mit Zunahme von dessen Verschreibungen auch die Zahl Hyperkaliämie-bedingter Krankenhausaufnahmen, sagte Hoyer. [1]
Die meisten Herzinsuffizienz-Leitlinien empfehlen, bei einem Kaliumspiegel > 5 mmol/l davon abzusehen, eine Therapie mit Substanzen zu beginnen, die in das Renin-Angiotensin-Aldosteronsystem eingreifen. In der Dosis reduziert oder beendet werden sollten RAS-Inhibitoren und Aldosteron-Antagonisten, wenn der Kaliumspiegel auf mehr als 5,5 mmol/l steigt. [3] “Das heißt, die Nebenwirkung einer Hyperkaliämie ist eine suboptimale Therapie der Herzinsuffizienz”, folgerte Hoyer.
Kaliumarme Kost und Medikations-Check
Es gibt zwar eine Akuttherapie der schweren Hyperkaliämie. Aber angesichts der hohen Mortalität und des steigenden Anteils von polymedizierten Patienten gewinnen Maßnahmen an Bedeutung, die helfen, das Risiko für das Auftreten einer Hyperkaliämie zu mindern. Zur ambulanten Behandlung von Patienten wird dabei in erster Linie eine Kost mit wenig Kalium sowie die Prüfung der Medikation empfohlen. Die Umstellung auf eine kaliumarme Ernährung sei allerdings oft mühsam in der Praxis umzusetzen, so Hoyer. Auch auf kaliumsteigernde Medikamente könne nicht immer verzichtet werden. Deshalb sprach sich Hoyer dafür aus, den Kaliumspiegel bei Risikopatienten durch orale Kaliumbinder zu senken.
Eine Option dafür seien etwa die neuen oralen Kaliumbinder Zirkonium-Zyklosilikat und Patiromer. Beide senkten auch das Risiko für erneute Hyperkaliämien. Allerdings fehlten noch Langzeitdaten, die zeigen, ob eine Dauertherapie mit Kaliumbindern die Weiterbehandlung mit kardio- und renoprotektiven Substanzen erlauben. [1, 2]
Jahrestherapiekosten bei neuen Kaliumbindern: 4.000 bis 13.400 Euro
Sinkt auch die Mortalität?
Wie Prof. Ralph Kettritz ausführte, gebe es noch tiefer reichende Unsicherheiten: Wo liegen die Grenzwerte für eine Hyperkaliämie, die dem schlechten Outcome der Patienten zugrunde liegen? Die niedrigste Gesamtmortalität liegt nach epidemiologischen Daten zwar zwischen 4 bis 5 mmol/l Serum-Kalium. Aber der Anstieg der Mortalität könne nicht sicher kausal dem Kaliumanstieg zugeschrieben werden.
“Erhöhte Kaliumwerte definieren die kränkeren Patienten, die natürlich ein höheres Sterberisiko aufweisen”, so Kettritz. Man würde auch erwarten, dass eine Hyperkaliämie mit einem erhöhten Herztodrisiko assoziiert sei, was sich jedoch nicht bestätigt habe. Kettritz äußerte den Verdacht, dass der Kausalzusammenhang zwischen Hyperkaliämie und Mortalität nur suggeriert werde, um ein Argument zu haben, neue Kaliumbinder auf den Markt zu bringen. So hofft man, die medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz intensivieren zu können, wenn Kaliumbinder das Risiko einer Hyperkaliämie in Schach halten: Bisher könne man aber noch nicht nachweisen, dass bei diesen Patienten die kardiovaskuläre Mortalität oder Hospitalisierungen zurückgehen [2]. “Es gibt bisher keine Studie, die zeigt, dass Kaliumbinder nicht nur Kalium, sondern auch die Mortalität senken”, unterstrich Kettritz.
Nebenwirkungen beachten
Als weiteres Argument führte der Nephrologe die hohen Therapiekosten an, die für neue Kaliumbinder veranschlagt werden: Etwa liegen die Jahrestherapiekosten zwischen 4.400 und 13.400 Euro für Patiromer [4]. Dazu komme, dass es relativ lange dauert, bis der Kaliumspiegel unter dieser Therapie um 1 mmol/l sinkt, “zwischen einer und drei Wochen”. Mit der konservativen Therapie, die sich auf eine Reduktion kaliumreicher Nahrungsmittel fokussiert, könne man das auch schaffen, erinnerte Kettritz, auch wenn es etwas mühsamer sei, als ein Medikament einzunehmen. [1]
Schließlich gebe es relevante unerwünschte Effekte durch neuere Kaliumbinder, warnte er: Zwischen drei und elf Prozent der Patienten entwickelten Hypokaliämien. “Wir setzen die Patienten damit eventuell einem anderen Risiko aus”, so Kettritz. Unter Zirkonium-Zyklosilikat könnten sich auch Ödeme bilden, unter Patiromer eine Hypomagnesiämie. Wobei unter Zirkonium-Zyklosilikat in Studien bislang geringere Nebenwirkungen als bei anderen Kaliumbindern aufgetreten seien [2]. Allerdings könnten die Substanzen eventuell auch mehr binden als Kalium, nämlich Medikamente wie Ciprofloxazin, Clopidogrel, Metformin und Metoprolol – bei gleichzeitiger Einnahme. Es werde deshalb empfohlen einen Mindestabstand von drei Stunden zur Einnahme anderer Medikamente einzuhalten, riet Kettritz. [1]
Quellen:
1.Symposium “Die Debatte: ja, nein, vielleicht”, DGIM-Kongress Wiesbaden, 4.5.2019
2.Zieschang S. Hyperkaliämie im Praxisalltag. Arzneiverordnung in der Praxis 1-2/2019, S. 59-64
3.Nationale Versorgungsleitlinie chronische Herzinsuffizienz, 2. Aufl. 2017, Version 3, AWMF-Nr. nvl-006
4.Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage XII – Beschlüsse über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach Paragraf 35a SGB V – Patiromer vom 20.9.2018