Forscher der Berliner Charité setzen ein Fragezeichen an die bestehenden Blutdruck-Leitlinien: In einer Beobachtungsstudie konnten sie zeigen, dass die medikamentöse Senkung des Blutdrucks auf unter 140/90 mmHg (europäische Empfehlung) – und insbesondere auf unter 130/90 mmHg (amerikanische Leitlinie) – nicht grundsätzlich eine schützende Wirkung hat. Grundlage der im März veröffentlichten Analyse sind epidemiologische Daten von mehr als 1.600 Frauen und Männern, die zu Beginn der Studie im Jahr 2009 mindestens 70 Jahre alt waren und unter blutdrucksenkender Behandlung standen.
Wie die Wissenschaftler feststellten, hatten bei den über 80-Jährigen diejenigen, deren Blutdruck bei unter 140/90 mmHg lag, ein um 40 Prozent höheres Sterberisiko als diejenigen, deren Blutdruck mehr als 140/90 mmHg betrug. Eine ähnliche Beobachtung machte die Forschungsgruppe bei den Studienteilnehmern, die in der Vergangenheit einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erlitten hatten: Bei denjenigen, deren Blutdruck bei unter 140/90 mmHg lag, stieg das Sterberisiko sogar um 61 Prozent im Vergleich zu denjenigen, deren Blutdruck trotz der medikamentösen Behandlung oberhalb dieses Grenzwertes blieb.
“Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass die Behandlung eines erhöhten Blutdrucks bei diesen Patientengruppen individuell angepasst werden sollte”, erklärt Erstautor Dr. Antonios Douros vom Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité. “Wir sollten davon abkommen, die Empfehlungen der Fachgesellschaften pauschal bei allen Patientengruppen anzuwenden.”
Quelle: Douros A et al., Control of blood pressure and risk of mortality in a cohort of older adults: the Berlin Initiative Study. Eur Heart J. 2019 Feb 25. doi: 10.1093/eurheartj/ehz071.