Bessere Lebensqualität mit PROMs
“Ihre Ergebnisse der Blutuntersuchung sind hervorragend: Die Viruslast ist gering und die Adhärenz zur antiretroviralen Therapie gut. Also sehen wir uns in etwa einem Jahr wieder?” So etwa kann man sich ein Arzt-Patient-Gespräch vorstellen. Doch es bildet nur die halbe Wahrheit ab.
Denn wie der Patient sich wirklich fühlt oder welche gesundheitlichen Bedürfnisse darüber hinaus bestehen, wird nicht erfasst. Dazu zählen etwa die bei HIV-Patienten häufigen Depressionen und Angstzustände sowie Probleme mit einer Gewichtszunahme unter der Medikation oder die Angst vor Stigmatisierung. Letztere trägt dazu bei, dass rund 36 Prozent der Betroffenen medizinische Einrichtungen meiden, weil sie erwarten “anders” behandelt zu werden.
Beispielsweise mit doppelt übergestreiften Handschuhen oder als letzte Besucher der Praxis, damit anschließend alles sorgfältig gereinigt werden kann. Die häufig übersehenen Begleiterscheinungen der HIV-Infektion lassen sich mit Hilfe der Patient-reported outcome measures (PROMs) erfassen.
Dafür stehen verschiedene Fragebögen zur Verfügung, z.B. der von der EuroQol Group entwickelte EQ-5D oder der PozQoL-Fragebogen. Beide sind in verschiedenen Sprachen verfügbar. Anhand der mit PROMs gewonnen Ergebnisse können weitere Symptome erkannt und behandelt werden, was sowohl die Arzt-Patienten-Kommunikation als auch die Lebensqualität der Patienten verbessert. (Prof. Jane Anderson, Christopher Buckley)
Zwei Spritzen jährlich – 100-prozentiger Schutz
“2022 infizierten sich jede Woche über 3.000 junge Frauen in Subsahara-Afrika mit HIV”, berichtete Prof. Linda-Gail Bekker. Gleichzeitig stellt die orale Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) für diese Frauen eine große Herausforderung dar, ihre Adhärenz ist suboptimal und die HIV-Inzidenz sinkt deutlich weniger als bei Männern. Für großes Aufsehen sorgt daher die Phase-III-Studie PURPOSE 1, die mit 5.345 jungen, HIV-negativen Frauen in Uganda und Südafrika durchgeführt wurde.
Randomisiert in drei Arme (2:2:1) erhielten die Probandinnen als PrEP entweder eine halbjährliche Injektion Lenacapavir (LEN, n=2138) oder eine tägliche orale Gabe Emtricitabin/Tenofoviralafenamid (F/TAF, n=2137) oder Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil (F/TDF, n=1070).
Nach einem Jahr unter LEN hatte sich keine Frau mit HIV infiziert, verglichen mit 39 unter F/TAF und 16 unter F/TDF. Das spricht für eine 100-prozentige Wirksamkeit von LEN, während sich F/TAF nicht von der HIV-Hintergrundinzidenz unterschied.
Die Adhärenz zu den Injektionen in Woche 26 und 52 lag bei 91,5 Prozent und 92,8 Prozent und war der im Verlauf des Jahres stark abnehmenden Adhärenz zu F/TAF und F/TDF deutlich überlegen. Unter F/TAF und F/TDF war eine mittlere oder hohe Adhärenz ebenfalls mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für eine HIV-1-Infektion assoziiert.
Ein weiterer Pluspunkt für die PrEP-Injektion ist die gute Verträglichkeit. Es traten kaum schwere Nebenwirkungen auf, nur fünf Teilnehmerinnen brachen die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen ab. (Prof. Linda-Gail Bekker, Kapstadt Südafrika)
Weiterer Patient geheilt
Es gibt nur wenige HIV-Patienten, die als geheilt gelten – der “Düsseldorf Patient” Marc Franke ist einer von ihnen. Der Weg dahin war kompliziert und begleitet von deprimierenden Diagnosen. Denn drei Jahre nach der HIV-Diagnose wurde eine akute myeloische Leukämie (AML) diagnostiziert, die nicht mittels Chemotherapie geheilt werden konnte.
Eine hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSCT) wurde erforderlich und dafür fand sich eine Spenderin mit einer Besonderheit: Sie war heterozygot für den CCR5-Rezeptor, den HIV benötigt, um in die Immunzellen zu gelangen. Das bedeutet, die transplantierten T-Zellen trugen teilweise einen intakten CCR5-Rezeptor, weshalb man nicht unbedingt von einer HIV-Heilung ausgehen konnte.
Nach der HSCT kam es zu Komplikationen, darunter ein Rückfall der AML, der mittels Spenderlymphozyteninfusion behandelt wurde. Trotz dieser Besonderheit der Spenderin und detaillierter Untersuchungen ist bei diesem Patienten kein HIV mehr nachweisbar – über elf Jahre nach der HSCT und über fünf Jahre seit der letzten antiretroviralen Therapie (ART).
HIV in Zahlen
Ende 2021 lebten etwa 38,4 Mio Menschen mit HIV, davon 2,73 Mio Kinder. Jedes Jahr kommt es zu mehr als 1,3 Mio Neuinfektionen – hierzulande sind es etwa 2.000. Im Jahr 2022 infizierten sich ca. 140.000 Jugendliche zwischen zehn und 19 Jahren mit HIV. Setzt sich dieser Trend fort, könnten sich im Jahr 2030 183.000 Jugendliche mit HIV anstecken.
Die Neuinfizierten sind nicht mehrheitlich männlich – vier von fünf sind weiblich, wobei zwei von drei Betroffenen in Afrika leben. Meist sind es Jugendliche und junge Frauen zwischen 15 und 24 Jahren. In Ostasien und der Pazifikregion infizieren sich hingegen mehr Jungs als Mädchen. (Assistenzprof. Namal Liyanage, Columbus Ohio USA, Dr. Lynda Stranix-Chibanda, Harare, Zimbabwe)
Das Problem “HIV-Reservoir”
Auch nach 30 Jahren ART besteht ein stabiles HIV-Reservoir in langlebigen Immunzellen. Die Suche nach diesen Zellen ist schwierig, da nur rund eine von einer Million ruhender CD4+ T-Lymphozyten ein intaktes, vermehrungsfähiges Provirus in sich trägt.
Außerdem finden sich lediglich 0,2 Prozent des HIV-Reservoirs im leicht zugänglichen Blut, ein Drittel ist in den Lymphknoten, zwei Drittel im darmassoziierten lymphatischen Gewebe. Selbst ein positives Signal bedeutet nicht, dass es sich um ein funktionsfähiges Virus handelt. Die Detektion des Reservoirs ist daher eine Herausforderung, die Beseitigung und nachfolgende Heilung von HIV eine Ausnahme.