Long CovidPraxis update: Aktuell, umfassend und praxisrelevant

Von Long Covid bis Riechstörungen: Neues für die Hausarztpraxis vom virtuellen Praxis update am 23./24. April 2021.

Long Covid

“Long Covid” ist eine Sammlung von Beschwerden im Sinne einer verzögerten Rekonvaleszenz nach einer Intensivbehandlung, ungewöhnlichen Erschöpfungssyndromen ohne sicheren organischen Befund, reaktiver Depression und ungewöhnlichen neurologischen oder neuropsychiatrischen Beschwerden jenseits von drei Monaten nach der Akutbehandlung.

Es gibt eine Überlappung mit dem “Chronic Fatigue”-Syndrom bzw. der so genannten “Myalgischen Enzephalopathie”, d. h. dem post-viralen oder post-infektiösem Müdigkeitssyndrom, das nach anderen Infektionen (EBV-Infektion, Borreliose, Q-Fieber) immer mal wieder auftritt.

Typisch dafür sind eine substanzielle funktionelle Einschränkung im Alltag bzw. Berufsleben, nicht erholsamer Schlaf, kognitive Einschränkungen, orthostatische Intoleranz, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, umgrenzte Muskelschmerzen und Mehrfachallergien.

Die Abgrenzung zum “Long Covid” ist deshalb schwierig. Auch beim “Long Covid” sind die Beschwerdekomplexe vielfältig. Es stellt sich somit die Frage, ob es sich hierbei um eine Besonderheit nach einer Covid-19-Infektion handelt oder ob solche einer generell verzögerten Rekonvaleszenz nach einer initial schweren Erkrankung entsprechen und unspezifisch sind, d. h. auch nach anderen schweren Erkrankungen mit Intensivbehandlungspflichtigkeit in ähnlicher Weise auftreten.

Inzwischen mehren sich die Beobachtungen, die zeigen, dass bei einer gewissen Anzahl von Patienten auch nach sechs Monaten und später persistierende Beschwerden vorliegen, die nicht streng mit der initialen Krankheitsschwere und auch nicht mit dem initialen Beschwerdemuster korrelieren.

Es fand sich eine erhöhte Rate von organisch schlecht erklärbaren Erschöpfungssyndromen und neurokognitiven Einschränkungen bei ansonsten gesunden Erwachsenen mittleren Alters, die vor ihrer Covid-19-Infektion voll im Beruf standen, jetzt aber längerfristig eingeschränkt oder sogar arbeitsunfähig sind.

In einer chinesischen Studie bei 1.733 Patienten klagten nach sechs Monaten 63 Prozent über Müdigkeit, 26 Prozent über Schlafstörungen, 23 Prozent über eine ängstliche-depressive Verstimmung.

Bei der Lungenfunktionsuntersuchung zeigten 22 Prozent eine Diffusionsstörung und fast 30 Prozent eine Verminderung der Sechs-Minuten-Gehstrecke. In einer britischen Studie fanden sich bei 14 Prozent persistierende oder episodisch rezidivierende Beschwerden, wobei drei phänotypische Cluster beschrieben werden:

  • Sensorische Störungen wie Geschmacks- und Riechstörungen, Appetitmangel, Sehstörungen
  • Neurologische Störungen wie Vergesslichkeit, Kurzzeitgedächtnisstörungen, Verwirrtheit
  • Kardio-respiratorische Symptome wie Brustenge bzw. -schmerz, Belastungsdyspnoe, Erschöpfung, Ruhe-oder Belastungsdyspnoe, Herzstolpern, Herzklopfen (Winfried Kern, Freiburg i. Br.)

Riechstörungen

Häufige Ursachen für Riechstörungen sind:

  • Schädel- oder Schädelhirntraumata mit okzipitalem oder frontalem Aufprall (traumatische Anosmie)
  • Verlegung der Riechspalte durch Polypen oder Tumoren, Mundatmung, Tracheotomie, Laryngektomie (respiratorische Anosmie)
  • Neurodegenerative Anosmie bei Demenz oder Parkinson-Syndrom
  • Virale bzw. postvirale Anosmie vor allem bei Covid-19 und Parainfluenza-Viren (essenzielle Anosmie)
  • Medikamentös induzierte Riech- störung
  • Schadstoff-bedingte Riechstörung
  • Zentral bedingte Riechstörung z.B. bei Frontalhirntumoren
  • Kongenitale Riechstörung.

Neurodegenerative Riechstörungen sind weder einer kausalen noch einer symptomatischen Therapie zugänglich. Bei der postviralen Anosmie empfiehlt sich ein Riechtraining. (Heinrich Ito, Erlangen)

Antibiotika-Verbrauch

Deutschland liegt im europäischen Vergleich mit seinem ambulanten Antibiotika-Verbrauch in der unteren Hälfte. Die Verschreibungsraten sind in den letzten 10 Jahren auch in Deutschland noch weiter zurückgegangen und zwar um zwei Prozent jährlich.

Ein Teil dieses Rückgangs ist der kritischen Verordnung von Fluorchinolonen aufgrund von Warnhinweisen geschuldet. Fluorchinolone wurden vor allem bei Zystitis durch andere Antibiotika vor allem Betalaktame wie Amoxicillin ersetzt.

Die Fluorchinolon-Toxizität ist und bleibt ein wichtiges Thema, nachdem 2008 erstmals über schwerwiegende Nebenwirkungen berichtet wurde. Damals wurde in einem Rote-Hand-Brief auf ein erhöhtes Risiko bei Moxifloxacin für eine fulminante Hepatitis und für bullöse Hautreaktionen wie das Stevens-Johnson-Syndrom oder toxische epidermale Nekrolyse hingewiesen und bei der Verordnung solcher Substanzen ein sehr restriktives Vorgehen empfohlen.

Später wurde empfohlen, Moxifloxacin bei einer ambulant erworbenen Pneumonie nur noch dann einzusetzen, wenn andere Antibiotika als ungeeignet erscheinen. Auf folgende schwere Nebenwirkungen wurde hingewiesen: Rhabdomyolyse, Verschlimmerung der Symptomatik bei einer Myasthenia gravis, Herzrhythmusstörungen, hypoglykämisches Koma, Leberversagen und vorübergehender Sehverlust.

In den letzten Jahren sind neue Nebenwirkungen bekannt geworden: Lang anhaltende, möglicherweise nicht reversible periphere Neuropathien, Muskelschmerzen, Bewegungs- und Gang- störungen und ein erhöhtes Risiko für ein Aorten- aneurysma bzw. eine Aortendissektion.

Neue Daten zeigen, dass Ciprofloxacin das Verhältnis Matrix-Metalloproteinasen und deren Inhibitoren verändert zugunsten einer vermehrten Metallopro-teinase-Aktivität, was die Desintegration von Kollagen und verwandten Matrixproteinen fördert. Dies kann auch zu einem vermehrten Auftreten von Herzklappeninsuffizienzen führen.

Was die Dauer einer antibiotischen Therapie betrifft, so sind die Empfehlungen in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Bei einer ambulant erworbenen Pneumonie reichen 3–5 Tage, bei der Pyelonephritis 5–7 Tage, bei einer exazerbierten COPD 3–5 Tage, beim Erysipel 5–7 Tage.

Die Begrenzung der Therapiedauer ist ein sehr wichtiges Element bei der Optimierung der Verordnung von Antibiotika, nachdem in Studien gezeigt werden konnte, dass verkürzte Therapien bei klinisch stabilen Patienten keine Gefahr für die Therapiesicherheit darstellen. (Winfried Kerner, Freiburg i.Br.)

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