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Hausarzt MedizinHIV-Patienten durchdacht behandeln

Dank moderner antiretroviraler Therapien (ART) haben HIV-Infizierte Menschen inzwischen eine annähernd normale Lebenserwartung. Auch den Therapiezielen „Erhalt von Lebens-qualität und Leistungsfähigkeit“ ist man ein gutes Stück näher gekommen. Voraussetzung dafür ist die Wahl der passenden Therapie. Diese sollte vorbestehende Resistenzen berücksichtigen und die Entwicklung neuer Resistenzen möglichst verhindern.

Laut Dr. Hans Heiken aus Hannover besteht eine der wichtigsten Maßnahmen darin, die Plasmavirämie früh und dauerhaft zu supprimieren. Bei der Erstvorstellung des Patienten ist daher zunächst zu ermitteln, wie dringlich eine ART ist – basierend auf Klinik und CD4-Zellzahl. „Wenn Sie im Mund der Patienten bereits das Karposi Sarkom wachsen sehen oder radiologisch eine Pneumocystis jiroveci Pneumonie erkennen, dann war es zu spät. Statistisch gesehen profitieren diese Patienten nicht mehr in vollem Umfang von der eingeleiteten ART“, erklärte Heiken.

In den Deutsch-Österreichischen Leitlinien ist definiert, bei welchen Befunden eine ART einzuleiten ist. Etwa wenn HIV-assoziierte Symptome und Erkrankungen vorliegen (CDC: C, B, HIV-Nephropathie, HAND) oder bei asymptomatischen Patienten mit T-Helferzellen > 500/µl. Allerdings ­betonte Heiken, dass man besser mit einer ART beginnen sollte, bevor die T-Helferzellen unter 500 sinken. Die erst kürzlich erschienene ­europäische Leitlinie empfiehlt sogar, alle Patienten mit chronischer HIV-Infektion zu behandeln – unabhängig von der Anzahl der T-Helferzellen.

Dreifach-Kombinationen sind die Mittel der Wahl

Für eine Monotherapie als Initialtherapie besteht keine Evidenz und auch die Nukleosid-freie Zweifach-Therapie wird derzeit nicht empfohlen. Dagegen stehen für den Therapiebeginn mehrere etablierte Dreifach-Kombinationen zur Verfügung. In der Deutsch-Österreichischen Leitlinie von 2014 wird die Kombination aus zwei NRTIs (Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren) plus INSTI (Integraseinhibitor), NNTRI oder einem PI (Proteaseinhibitor/­Ritonavir) empfohlen. Bezüglich der angegebenen Alternativen verwies Heiken auf die ­höhere Suizidalität unter Efavirenz. In den neueren amerikanischen Leitlinien (DHHS, 2016) werden entweder ein INSTI-basiertes Regime oder ein PI-basiertes Regime empfohlen. Bei der Wahl der Therapie sind die Resistenzen gegen ART zu berücksichtigen – und zwar nicht nur vorbestehende, sondern auch solche, die ­unter der Therapie auftreten können. „Falls die Therapie nicht gut funktioniert, ist der Preis, den die Patienten dafür zahlen, relativ hoch. Denn im Gegensatz zu Hepatitis C-Infektionen bleiben die Resistenzen bei HIV-Infektionen lebenslänglich bestehen“, gab Heiken zu bedenken. Falls eine ART begonnen werden muss, bevor die genotypischen Testergebnisse vorliegen, ist nach Möglichkeit eine Kombination zu wählen, die eine hohe genetische Barriere gegen Resistenzen aufweist.

Wachsam bleiben gegenüber Resistenzen

PD Dr. Christian Hoffmann, Hamburg, schilderte verschiedene Fälle, die unter einer ART weitere Resistenzen entwickelten. Nach seiner Beobachtung war ihnen allen gemeinsam, dass hochvirämische Patienten mit Adhärenz-Problemen und/oder vorbestehenden Resistenzen nicht voll wirksame ART-Regime mit niedriger Resistenzbarriere erhielten – und daraufhin neue Resistenzen auftraten. „Wir sind alle gefordert, hier sehr wachsam zu bleiben“, resümierte Hoffmann.

Etwa 1-2 Prozent aller HIV-Patienten ­weisen eine Resistenz gegen drei Substanzklassen auf, dementsprechend etwa 800 bis 1.500 ­Patienten in Deutschland.

Erfreulich ist, dass auch bei diesen ­Patienten die Morbidität und der Anteil nicht mehr supprimierbarer Infektionen sinkt, da die Behandlungsmöglichkeiten ­mittlerweile besser sind als früher. „Dennoch ist ­unsere oberste Priorität, Resistenzen zu ­vermeiden, sowohl bei den vorbehandelten wie auch bei den therapienaiven Patienten“, betonte Hoffmann. Er verwies darauf, dass selbst unter den „eleganten neuen Therapien“ wie TDF+FTC+EVG/c und TAF+FTC+EVG/c 0,4 Prozent bzw. 0,5 Prozent der Patienten eine Zweiklassen-Resistenz in der Primärtherapie entwickelten. „Keine Resistenzen traten ­bisher bei geboosteten Proteaseinhibitoren wie ­Atazanavir, Darunavir oder dem Integrase-inhibitor Dolutegravir auf“, so Hoffmann.

Von fünf auf zwei Tabletten

Als sehr wichtige Studie bezeichnete Hoffmann eine offene Untersuchung mit 135 Patienten, die eine Resistenz gegen mindestens zwei Substanzklassen (nicht gegen Integrase-Hemmer oder DRV u.a.) und ein mindestens zweimaliges ART-­Versagen aufwiesen. Weitere ­Einschlusskriterien war eine Viruslast unter der Nachweisgrenze (< 50 HIV-1 RNA Kopien/ml) für vier Monate unter einem DRV/r-Regimen. Nach der ­Randomisierung erhielten die Teilnehmer entweder die Fixkombination Emtricitabin/Tenofoviralafenamid/Elvitegravir/Cobicistat plus Darunavir (E/C/F/FAF+DRV, n=89) oder weiterhin das DRV/r-Regime (n=46).

Nach 48 Wochen zeigten 94 Prozent der Patienten im E/C/F/FAF+DRV-Arm vs. 76 Prozent der Patienten unter DRV/r eine Viruslast von < 50 HIV-RNA-Kopien/ml. Zudem gab es keine einzige Resistenz im E/C/F/FAF+DRV-Arm und gute Proteinkinase-Daten. „Die Patienten waren sehr zufrieden mit nur zwei statt fünf Tabletten, die Verträglichkeit war gut“, resümiert Hoffmann. Limitationen waren die geringe Patientenzahl sowie der Ausschluss verschiedener Resistenzen.

Für verzweifelte Fälle

Bei Patienten mit Resistenzen gegen drei oder mehr Substanzklassen wird die Therapiewahl schwierig. Aufmerksamkeit erregen daher neue Ansätze wie der monoklonale Antikörper Ibalizumab (IBA), der auf dem diesjährigen HIV-Kongress (CROI 2017) in Seattle vorgestellt wurde. Einige hochvirämische Patienten mit Resistenzen gegen drei oder vier Substanzklassen und nur mehr ­einer aktiven Substanz (z.B. Fostemsavir) erhielten IBA i.v. über 24 Wochen. „Immerhin 43 Prozent der Patienten erreichten damit eine Viruslast unter der Nachweisgrenze, 50 Prozent eine Viruslast von < 200 HIV-1 RNA Kopien/ml“, berichtete Hoffmann. Seiner Meinung nach sind weitere, neue Behandlungsansätze dringend notwendig, da die Anzahl an Patienten mit beschränkten Optionen langsam zunehmen wird.

7. Münchner AIDS und Hepatitis Werkstatt: „HIV-Therapie mit Hand und Fuß“, in München

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