Was so das beste Alter im Leben ist, darüber dürfte es in jeder Altersklasse unterschiedliche Vorstellungen geben. Auch Ärzte benutzen den Begriff „Best Ager“ nicht einheitlich. Während der eine die beste Zeit jenseits der 50 beginnen lässt, startet bei dem anderen die Hauptsaison des Lebens schon in der vierten Lebensdekade. Klar ist: Wenn im Zusammenhang mit der Herzinsuffizienz von Best-Agern die Rede ist, dann sind nicht die multimorbiden Hochbetagten mit häufigen Dekompensationsepisoden gemeint, sondern eher jene, die noch im Berufsleben stehen oder die als junge, rüstige Senioren noch nicht allzu weit davon entfernt sind.
51-jähriger Patient mit schwerer ischämischer Herzinsuffizienz
„Durch die Babyboomer-Generation wird insbesondere die Gruppe der 50- bis 60-jährigen in den nächsten Jahren um 30 Prozent zunehmen“, betonte Professor Peter Radkevon der Kardiologie an der Schön Klinik Neustadt. Entsprechend zunehmen werde auch die Zahl der herzinsuffizienten Patienten in diesem Alter.
Radke illustrierte das kasuistisch an einem 51-jährigen, sehr sportlichen Diplomingenieur, der im Jahr 2014 beim Kite-Surfen einen akuten Vorderwandinfarkt entwickelte und 30 Minuten lang reanimiert werden musste. Später ließ sich eruieren, dass zwei Wochen vor dem Ereignis eine Bronchitis aufgetreten war, sodass dem Infarkt wahrscheinlich um eine infektiös getriggerte Ruptur einer atherosklerotischen Plaque zugrunde lag. Ansonsten war dieser Patient bis dahin nie ernsthaft krank gewesen und nahm keine Dauermedikamente ein.
Dem schweren Ereignis entsprechend war der Verlauf langwierig. Zwar konnte das Infarktgefäß erfolgreich rekanalisiert werden. Doch der Patient war mehrere Tage im kardiogenen Schock und wurde erst nach 14 Tagen mit einer linksventrikulären Aus-wurfleistung (EF) von 40 bis 45 Prozent in die Rehabilitation entlassen. Die Therapie erfolgte nach damaligem Standard mit ASS, Ticagrelor, Atorvastatin, Bisoprolol, Candesartan, Eplerenon und als Diuretikum Torasemid.
Umstellung auf einen ARNI bringt den Patienten wieder in die Spur
Bereits nach einem halben Jahr kam der Patient wieder. Er berichtete über mäßige Luftnot, die EF war schlechter als zuvor, sodass die Frage im Raum stand, ob es zu einem erneuten Infarkt oder zu einem ungünstigen Remodelling mit progredienter Herzinsuffizienz gekommen sein könnte. Letzteres war der Fall. Der linke Ventrikel war erweitert, eine Mitral- und Trikuspidalklappeninsuffizienz war die Folge. Gemeinsam mit den Herzchirurgen entschieden sich die Behandler zu einem kardiochirurgischen Eingriff an Klappen und Herzwand sowie zur Implantation eines ICD.
Die Operation konnte die klinischen Beschwerden bessern, doch wurde der Patient 2016 erneut vorstellig. Neben zunehmenden Herzinsuffizienzsymptomen sowie einem eher hypotonen Blutdruck gab es auch Anzeichen für eine reaktive Depression. Eine psychiatrische Mitbehandlung wurde eingeleitet. Von kardiologischer Seite wurde Candesartan durch die Angiotensinrezeptor-/Neprilysin-Inhibitor (ARNI)-Kombination Sacubitril/Valsartan ersetzt. Das zeigte Wirkung: Die hypotensiven Phasen wurden weniger, und der Patient fühlt sich seit inzwischen einem Jahr unter der Medikation mit Phenprocoumon, Bisoprolol, Eplerenon, Atorva-statin und Sacubitril/Val-sartan klinisch deutlich besser. „Insbesondere ist auch der NTproBNP-Wert nach zwischenzeitlich über 25.000 pg/ml auf 270 pg/ml zurückgegangen. Der Patient arbeitet wieder Vollzeit, inklusive internationaler Reisetätigkeit“, so Radke.
Lebensqualität oft stark eingeschränkt
Für den Kardiologen ist dieser Patient ein gutes Beispiel für die Herausforderungen im Umgang mit Herzinsuffizienzpatienten im „besten“ Alter. „Die Leitlinien adressieren diese Patienten nicht spezifisch, und es gibt auch vergleichsweise wenige wissenschaftliche Daten“, so Radke. Unter anderem aus dem CHARM-Programm sei bekannt, dass drei von vier Herzinsuffizienzpatienten zwischen 50 und 70 Jahren männlich seien, und die Herzinsuffizienz bei zwei von drei Patienten auf eine koronare Herzerkrankung zurückgehe (Wong CM et al. J Am Coll Cardiol 2013; 62(20):1845-54).
Daten geliefert hat auch die globale Metaanalyse MAGGIC, die 31 randomisierte Studien und prospektive Kohorten ausgewertet und die jüngeren mit den älteren Altersgruppen verglichen hat (Wong CM et al. Eur Heart J 2014; 35(39):2714-21). Hier wurde die Dominanz der Männer und der ischämischen Genese bei den jüngeren Patienten erneut bestätigt. Außerdem zeigten sich Unterschiede bei der Auswurfleistung und der subjektiven Beschwerdesymptomatik.
So ist die EF bei den jüngeren Patienten eher schlechter als bei älteren Patienten. Auf der anderen Seite ist der Anteil der Patienten im NYHA-Stadium 3 und 4 deutlich geringer. Auch die radiologischen Zeichen der Herzinsuffizienz waren bei den jüngeren Patienten in der CHARM-Studie weniger stark ausgeprägt. Die dominante NYHA I/II-Symptomatik wird von den Aktivität gewohnten „Best-Agern“ aber oft als sehr belastend empfunden: Die Lebensqualität ist eindeutig schlechter als bei den älteren Patienten. Trotzdem war die Therapieadhärenz in der CHARM-Studie niedriger, und zwar sowohl bei den Medikamenten als auch bei Lebensstilmaßnahmen wie einer Begrenzung der Salzzufuhr.
Leitliniengerechte Therapie verbessert Prognose in jedem Alter
Nicht nur wegen der Lebensqualität, auch mit Blick auf die Prognose sei die suboptimale Adhärenz bei den etwas jüngeren Herzinsuffizienzpatienten problematisch, so Radke. Denn der prognostische Nutzen der medikamentösen Therapie sei auch für „Best-Ager“ klar belegt. Der Kardiologe verdeutlichte das anhand der PARADIGM-HF-Studie. Hier senkte die Therapie mit ARNI im Vergleich zu Enalapril die Gesamtsterblichkeit über 27 Monate von 19,8 Prozent auf 17,0 Prozent und die kardiovaskuläre Sterblichkeit von 16,5 Prozent auf 13,3 Prozent (McMurray J et al. New Engl J Med 2014; 371:993-1004). ARNI sind mittlerweile als krankheitsmodifizierende Therapie Bestandteil der europäischen Herzinsuffizienzleitlinie.
Der Vorteil der Angiotensin-Neprilysin-Hemmung ist unabhängig vom Alter der Patienten. In einer Nachanalyse der PARADIGM-HF-Daten profitierte insbesondere die Gruppe der 55- bis 64-Jährigen hinsichtlich der kardiovaskulären Mortalität (Jhund P et al. Eur Heart J 2015; 36:2576-2584). „Patienten über 55 gewinnen durch die Angiotensin-Neprilysin-Hemmung statistisch 1,4 Lebensjahre. Das ist eine sehr große Verlängerung der Lebenserwartung“, so Radke in Berlin.
Auch am NT-proBNP orientieren!
Professor Dr. Fabian Knebel von der Klinik für Kardiologie der Charité Berlin wies auf die Bedeutung des NT-proBNP-Abfalls bei der Therapie der Herzinsuffizienz hin. Er bezog sich auf eine aktuelle Auswertung der PARADIGM-HF-Studie zu 2.080 Patienten, bei denen NT-proBNP gemessen wurde. In dieser Auswertung zeigte sich, dass jene Patienten, bei denen die NT-proBNP-Level innerhalb eines Monats unter 1000 pg/ml gefallen waren, ein knapp 60 Prozent geringeres Risiko für kardiovaskulären Tod oder Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz aufwiesen als jene, bei denen es nicht gelang, das NT-proBNP unter 1000 pg/ml zu drücken (Zile MR et al. J Am Coll Cardiol 2016; 68:2425-36).
„Jede einzelne Dekompensation limitiert die Prognose unserer Patienten“, so Knebel. Es sei deswegen entscheidend, die Betroffenen möglichst stabil zu halten und NT-proBNP zu senken beziehungsweise tief zu halten. Die Angiotensin-Neprilysin-Hemmung könne dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen. In der PARADIGM-HF-Studie wurde eine Absenkung des NT-proBNP auf unter 1000 pg/ml bei 31 Prozent der Patienten im Studienarm erreicht, gegenüber nur 17 Prozent bei Therapie mit Enalapril.
Beispielhaft berichtete Knebel abschließend von einem 58-jährigen Journalisten mit einer schweren, nicht-ischämischen Kardiomypathie (EF 10Prozent, NYHA IV). Bei klassischer Herzinsuffizienztherapie war die Compliance suboptimal, und es kam wiederholt zum Anstieg des NT-proBNP und einer Verschlechterung des myokardialen Strains in der Echokardiographie. Hier gebe es eine klare Indikation für eine Therapie-optimierung, und ARNI stünden dabei ganz vorn. „Wir müssen auch unsere Best-Ager-Patienten leitliniengerecht behandeln“, sagte Knebel, der aber betonte, dass es das eine Standardschema nicht gebe. Laborwerte wie NT-proBNP und neue echokardiographische Parameter wie die Strain-Bildgebung könnten beim individuellen Patienten wichtige Zusatzinformationen liefern und therapeutischen Handlungsbedarf aufzeigen.
Veranstaltung: Kardiologentage 2017, Berlin