Vielen Demenzerkrankten werden ruhigstellende Arzneimittel wie Neuroleptika und Benzodiazepine verschrieben. Das ergab der Demenzreport 2020, den die Universität Bremen unter Leitung von Prof. Gerd Glaeske erstellt hat.
Für den Report werteten die Forscher Leistungsdaten der hkk Krankenkasse aus 2017 bis 2019 aus. Demnach wurden Demenzerkrankten unterschiedliche Psychopharmaka und Schlafmittel – vor allem Neuroleptika und Benzodiazepine, aber auch Z-Drugs – zusammengenommen deutlich häufiger verordnet als Antidementiva.
Letztere sollten laut Glaeske trotz mancher Zweifel an ihrer Wirksamkeit bevorzugt eingesetzt werden, um die Chance zu erhöhen, das Fortschreiten der Demenz zu verlangsamen.
Glaeske zufolge gibt es keinen Grund, Demenzerkrankte mit konventionellen Neuroleptika zu behandeln – es sei nicht belegt, dass sie Verhaltensstörungen bei den Betroffenen positiv beeinflussen.
Jedoch gebe es immer mehr Hinweise darauf, dass Neuroleptika bei Demenzerkrankten schwerwiegende unerwünschte Folgen haben können. Zulassungsbehörden und pharmazeutische Unternehmen hätten schon vor über zehn Jahren auf ein erhöhtes Sterberisiko hingewiesen.
Eine kurzfristige Anwendung sei nur dann vertretbar, wenn die Betroffenen ohne entsprechende Medikation eine unbeherrschbare Gefährdung für sich oder andere sind.
Eine Ursache für die häufige Anwendung von Neuroleptika über lange Zeiten sei unter anderem emotionales Stressempfinden bei den Betreuungspersonen.
Glaeske fordert deshalb, Verhaltensstörungen bei Demenz vorrangig durch Optimierung der Pflegesituation, gezieltes Training von Alltagsfertigkeiten oder milieu- therapeutische Maßnahmen wie Ergotherapie zu behandeln.
Quellen: 1. Glaeske G. Demenzreport 2020. www.hausarzt.link/69PKn; 2. Pressemitteilung der hkk vom 19.11.2020