Das Interesse der Forschung an der Rolle des Mikrobioms bei der Pathogenese von zahlreichen Erkrankungen wächst. Probiotika gelten als eine Möglichkeit, die durch Antibiotika zerstörte Darmflora wieder aufzubauen oder ihr entgegenzuwirken. Gesunde Menschen konsumieren Probiotika häufig, weil sie hoffen, so ihre Gesundheit zu verbessern und Krankheiten vorzubeugen. Die Evidenz für die Wirksamkeit der Probiotika ist uneinheitlich. Zwei Veröffentlichungen aus dem Jahre 2018 untersuchen, wie wirksam Probiotika Krankheiten vorbeugen und ob sie zur Prävention von Dysbiose bei Antibiotikatherapie geeignet sind.
In der ersten Studie untersuchten die Autoren wie ein Probiotikum mit 11 Organismen das Mikrobiom bei gesunden Menschen verändert. 19 gesunden Probanden wurde dafür ein Probiotikum verabreicht, dass die vier weltweit am häufigsten probiotisch verwendeten Mikroorganismen enthielt. Ausgewertet wurden – wie üblich – Stuhlproben der Probanden, aber auch – eher unüblich – Schleimhautproben und Biopsien von festgelegten Stellen im Darm.
Drei Wochen nach Beginn der Intervention zeigte ein Teil der Probanden keine Besiedlung durch die verabreichten Mikroorganismen. Bei den Teilnehmern, bei denen sich das Mikrobiom veränderte, war das nur vorübergehend. Das besondere an dieser Studie ist, dass sie als eine der ersten nicht nur untersucht, wie sich das Spektrum der Mikroorganismen im Stuhl verändert, sondern auch Veränderungen auf der Darmschleimhaut erfasst. Die Autoren schließen aus den Ergebnissen, dass Probiotika-Supplementation auf einige Patienten einen zeitlich begrenzten Effekt haben kann.
Autologe Mikrobiomtransplantation besiedelt den Darm schneller
In der zweiten Studie wurde untersucht, ob ein Probiotikum dazu geeignet ist, Dysbiose und anderen Nebenwirkungen einer Antibiotikatherapie vorzubeugen. 21 gesunden Probanden wurde dafür eine Woche eine Antibiotikatherapie aus Ciprofloxacin und Metronidazol gegeben. Anschließend erhielten sie für vier Wochen zweimal täglich ein Probiotikum aus 11 Organismen, eine autologe Mikrobiomtransplantation oder keine Behandlung.
Bei allen Probanden, die Probiotika erhielten, siedelten sich die verabreichten Mikroorganismen an: Weil die Antibiotika die Darmflora zerstört hatten, konnten sich die exogenen Organismen ansiedeln. Es zeigte sich jedoch, dass Probiotika zu einer verzögerten Wiederherstellung des Mikrobioms führten, während die autologe Mikrobiomtransplantation innerhalb weniger Tage das Mikrobiom fast vollständig wiederherstellte.
Die Autoren schließen daraus, dass der Vorteil einer Probiotikabehandlung nach Antibiotika durch die verlangsamte Wiederbesiedlung des Darms aufgehoben werden könnte. Daher scheint es ihnen sinnvoll, Methoden einzusetzen, die die Wiederbesiedlung des Darms nicht stören, wie etwa die autologe Mikrobiomtransplantation
Kein Vorteil bei Durchfall und Clostridium-difficile-Infektion
Darüber hinaus ergab eine Cochrane-Analyse aus dem Jahre 2018, dass bei 10 von 14 klinischen Studien die Daten nicht ausreichend waren, um aus ihnen schließen zu können, dass Probiotika bei gastrointestinalen Beschwerden wie Durchfall, entzündlichen Darmerkrankungen oder Lebererkrankungen eine vorteilhafte Wirkung haben. Auch wenn viele Studienergebnisse vermuten lassen, dass Probiotika vorbeugend gegen Durchfall und Clostridium-difficile-Infektionen wirken könnten, konnten randomisierte und verblindete Studien an Kindern oder Erwachsenen keinen Vorteil nachweisen.
Eran Elinav und Eran Segal konnten zeigen, dass abhängig vom Mikrobiom die gleiche Mahlzeit den Blutglukosespiegel unterschiedlich beeinflussen kann. Mit Hilfe Ihrer Forschungsergebnisse entwickelten sie eine Methode, den Blutglukose-Anstieg nach einer Mahlzeit abhängig von klinischen Daten, Laborwerten und den Eigenschaften des Mikrobioms vorherzusagen.
Die oben genannte, spätere Studie zeigte, dass Probiotika bei gesunden Studienteilnehmern das Mikrobiom an mehreren Punkten der Darmschleimhaut verändern. Es zeigte sich auch, dass es zwei Gruppen von Patienten gibt: die Resistenten und die Permissiven. Bei den permissiven Studienteilnehmern nehmen die probiotischen Bakterienstämme auf der Darmschleimhaut stark zu, während die Schleimhaut der resistenten Teilnehmer kaum besiedelt wird.
Anders als bei den resistenten Teilnehmern änderte sich bei den permissiven auch das schon vorhandene Mikrobiom und das Genexpressionsprofil des Mikrobioms. Das vorhandene Mikrobiom determinierte, ob ein Teilnehmer resistent oder permissiv ist. Elinav schließt daraus, dass das “one-fits-all”-Prinzip in diesem Fall nicht stimmig ist. Das kann nicht verwundern, weil unterschiedliche Menschen auf die gleichen Nahrungsmittel, Medikamente oder Pathogene unterschiedlich reagieren.
Fachgesellschaft warnt vor unkritischer Anwendung
Die allgemeine Vermutung, “gute Bakterien” verdrängten “schlechte Bakterien” und Probiotika könnten grundsätzlich die Darmgesundheit von gesunden Menschen erhalten, scheint nicht zu stimmen. So veränderten die Probiotika in den meisten klinischen Studien mit gesunden Teilnehmern die Darmflora nicht bedeutend.
Ein weiteres Problem ist, dass randomisierte Studien fehlen, die die Sicherheit von Probiotika untersuchen; in den meisten Veröffentlichungen werden Nebenwirkungen nicht ausreichend untersucht. Auch wenn Probiotika die Rekonstitution des Mikrobioms verzögern, ist bisher nicht bekannt, ob das zu negativen Wirkungen führt. Störungen des Mikrobioms nach Antibiotikatherapie sind mit Effekten wie Infektionen, Adipositas, Allergien und chronischen Entzündlichen Erkrankungen verbunden.
Nach Meinung von Elinav könnte die regelmäßige Einnahme von Probiotika eine dauernde Störung der Darmflora hervorrufen und zu negativen Langzeiteffekten führen, allerdings war die Studie nicht darauf ausgelegt, diese Fragen zu beantworten. Daher scheint es wünschenswert, Studien an klinischen Populationen durchzuführen.
Die American Gastroenterological Association hat indes davor gewarnt, Probiotika unkritisch einzusetzen.
Quelle: Jennifer Abbasi. Are Probiotics Money Down the Toilet? OrWorse? JAMA Published online January 30, 2019