Frankfurt. RNA-Polymerase-Inhibitoren, Antikörper und Protease-Inhibitoren zur Behandlung von Covid-19 sind kein gleichwertiger Ersatz zur Impfung gegen SARS-CoV-2. Darauf wies Theo Dingermann, emeritierter Professor für Pharmazeutische Biologie, bei einer Vorlesung der Bürger-Universität der Goethe-Universität Frankfurt Mitte November hin.
Aus mehreren Gründen: Die neuen Medikamente werden nicht nur aller Voraussicht nach extrem teuer und nur in kleinem Umfang verfügbar sein. „RNA-Polymerase-Inhibitoren wirken zudem nur in der viralen Phase der Erkrankung“, gab Dingermann zu bedenken. „Das Medikament muss deshalb früh nach dem Infekt eingesetzt werden.“
Den richtigen Zeitpunkt abzupassen könne eine Herausforderung sein. Die teuren Medikamente seien zudem „nur für Patienten mit hohem Risikopotenzial“ geeignet und nicht als „Substitut zur Prävention“ zu verstehen.
Rasche Medikamentenentwicklung bemerkenswert
Gleichwohl sei die rasche Entwicklung der Medikamente bemerkenswert. In den USA hat der Pharmakonzern Pfizer kürzlich die Notfallzulassung für einen Protease-Inhibitor beantragt. Für erste monoklonale Antikörper hat die Europäische Union bereits die Zulassung erteilt.
Auch die Entwicklung von RNA-Polymerase-Inhibitoren zur Behandlung von Covid-19 steht möglicherweise kurz vor dem Durchbruch. „Es sieht gut aus in klinischen Studien“, sagte Theo Dingermann.
“Jeder wird Bekanntschaft mit dem Virus machen”
Eine Impfung bleibe trotzdem der Weg aus der Pandemie. Mit der extrem guten Wirksamkeit der RNA-Impfstoffe, die mit derjenigen von Lebendimpfstoffen vergleichbar sei, habe niemand gerechnet. Alle SARS-CoV-2-Tot-Impfstoffe seien insgesamt „gut verträglich“.
Im Hinblick auf die pandemische Entwicklung laute „die Frage nicht impfen oder nicht impfen“, sagte Theo Dingermann. „Die Frage lautet impfen oder infizieren.“
Darauf wies auch Prof. Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt sowie Professorin für Medizinische Virologie an der Goethe-Universität, hin. Irgendwann werde SARS-CoV-2 endemisch werden.
„Jeder wird Bekanntschaft mit dem Virus machen“, sagte die Virologin, ob geimpft oder ungeimpft. Ein saisonaler Verlauf analog zur Influenza sei wahrscheinlich, wobei ältere und immunsupprimierte Menschen besonders gefährdet seien.
Konsequenzen kaum abschätzbar
Wie zum Beispiel RKI-Präsident Lothar Wieler zeichnete auch sie eine düstere Prognose sowohl für das auslaufende Jahr als auch den Herbst/Winter 2022, sofern die Impfkampagne nicht beschleunigt werde.
Zudem seien „die langfristigen Folgeschäden und Konsequenzen durch das Virus und die Maßnahmen derzeit kaum abschätzbar“, sagte Ciesek. Sicher sei nur, dass sich eine Immunität nur durch Impfung, Infektion oder deren Kombination erreichen lasse.
Impfung und Immunität durch Infektion böten zwar auch keine längere sterile Immunität, schützten aber mindestens vor einem schweren Verlauf. Es stelle sich auch die Frage nach der Gefahr durch neue Immune-Escape-Varianten.
„Wir brauchen eine gesellschaftliche Diskussion, was akzeptabel ist und was Gesundheit wert ist“, forderte Ciesek. Auf künftige Pandemien müsse man sich langfristig vorbereiten und die Kommunikation verbessern.