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Aus Wissenschaft und ForschungHA 05/22: Die DEGAM informiert

Auf diesen Seiten stellt die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) neueste medizinische Erkenntnisse vor, die für den Praxisalltag der Hausärzte relevant sind.

RaPHaeL – Forschungspraxen Halle-Leipzig

Im Forschungspraxennetz RaPHaeL kooperieren die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die Universität Leipzig und die Medizinische Hochschule Hannover. RaPHaeL hat es sich zum Ziel gesetzt, dass Forschung ein normaler Bestandteil der hausärztlichen Patientenversorgung wird.

Dabei verstehen sich die universitären Standorte als Unterstützer und Dienstleister für die Hausarztpraxen, die die Forschung maßgeblich selbst prägen sollen. Die praxisrelevante Forschung soll die Patientenversorgung verbessern und die Reputation der Allgemeinmedizin gegenüber anderen Disziplinen sowie den Stellenwert der Allgemeinmedizin in der Gesellschaft stärken.

Fortbildungen werden digital angeboten, damit sich die Teilnehmenden individuell und flexibel qualifizieren können. Hausärztinnnen und Hausärzte können sich an themenbezogenen Arbeitsgruppen beteiligen und selbst Inhalte und Fragestellungen der Forschung bestimmen.

Im Januar 2023 startet eine cluster-randomisierte Pilotstudie, die eine Intervention bei älteren Patientinnen und Patienten mit mehr als fünf Medikamenten erprobt.

Interessierte Praxen können sich unter www.raphael-netzwerk.de informieren.

Forschungspraxennetze: Forschung mit und für Hausarztpraxen

Wir stellen Ihnen die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungspraxennetze in dieser Rubrik nacheinander vor. Gerne können interessierte Hausärztinnen und Hausärzte mit den Forschungspraxennetzen ihrer Region oder mit der gemeinsamen Koordinierungsstelle der Initiative Deutscher Forschungspraxennetze (DESAM-ForNet) in Kontakt treten: www.desam-fornet.de/Forschungspraxennetze

Aus der Forschung

Magen-Darm-Infekte bei Kindern: Hilft Ondansetron?

Gelingt bei Kleinkindern mit Magen-Darm-Infekten eine orale Rehydratation nicht, kommt es zu Krankenhauseinweisungen. Für die Versorgung in der Notaufnahme konnte gezeigt werden, dass eine orale Rehydrierung nach Einnahme von Ondansetron häufiger Erfolg hat und sich stationäre Aufnahmen vermeiden lassen.

In den Niederlanden hat eine Studie jetzt für die hausärztliche Versorgung untersucht, ob Ondansetron hilfreich ist. Insgesamt beteiligten sich fast 600 Hausärztinnen und Hausärzte. In der “out-of-hours”-Versorgung (entspricht am ehesten dem KV-ärztlichen Notdienst) schlossen sie 194 Kinder zwischen 6 Monaten und 6 Jahren mit Magen-Darm-Infekt in die Studie ein.

Die Kinder erhielten die herkömmliche Versorgung oder zusätzlich Ondansetron-Sirup (0,1 mg/kg). Eine Placebogabe in der Kontrollgruppe und eine Verblindung fanden nicht statt.

Ursprünglich war die Hospitalisierungsrate als primärer Endpunkt vorgesehen. Aufgrund erschwerter Rekrutierung – vor allem die nötige Zustimmung beider Eltern erwies sich als schwierig – änderten ihn die Forschenden in das Sistieren von Erbrechen innerhalb von 4 Stunden.

Unter Ondansetron hielt das Erbrechen bei 19,5 Prozent an, ohne die Gabe bei 42,9 Prozent (Number Needed to Treat: 4). Unter Ondansetron war außerdem die Zufriedenheit der Eltern höher. Allerdings nahmen die Kinder in beiden Gruppen durchschnittlich nur jeweils 10 ml der Rehydratationslösung zu sich und die stationären Aufnahmen unterschieden sich nicht (jeweils circa 15 Prozent der Kinder).

Sowohl die Autoren als auch ein begleitendes Editorial diskutieren daher, ob andere Maßnahmen zur Verbesserung der oralen Flüssigkeitszufuhr möglicherweise hilfreicher wären, so zum Beispiel verdünnter Apfelsaft, da er besser schmeckt als orale Rehydrierungslösungen. Kritisch diskutiert wurde auch, dass keine Verblindung erfolgte. Vor allem die Elternzufriedenheit könnte dadurch beeinflusst worden sein.

Fazit: In der hausärztlichen “out-of-hours”-Versorgung führte eine einmalige Dosis Ondansetron bei Kleinkindern mit Magen-Darm-Infekt zwar zu häufigerem Sistieren von Erbrechen innerhalb von 4 Stunden, aber nicht zu einer besseren Flüssigkeitsaufnahme und selteneren Einweisungen. Ondansetron ist in dieser Indikation nicht zugelassen und muss “Off-Label” verordnet werden.

Bonvanie IJ, Weghorst AA, Holtman GA et al. Oral ondansetron for paediatric gastroenteritis in primary care: a randomised controlled trial. Br J Gen Pract. 2021 Sep 30;71(711):e728-e735. doi: 10.3399/BJGP.2021.0211 PMID: 34426397; PMCID: PMC8407859

Antidepressiva weiternehmen oder absetzen?

Viele hausärztliche Patientinnen und Patienten nehmen Antidepressive über lange Zeit ein. Studien, die belegen, dass eine fortgesetzte Einnahme Rezidive verhindert, wurden meist in der spezialisierten psychiatrischen Versorgung durchgeführt.

Auch schlossen sie typischerweise Patienten ein, die Antidepressiva über drei bis acht Monate eingenommen hatten. Eine Studie in 150 Hausarztpraxen in Großbritannien hat nun untersucht, ob eine fortgesetzte Therapie auch bei hausärztlichen Patienten Vorteile bringt, die Antidepressiva oft bereits über deutlich längere Zeit einnehmen.

Eingeschlossen wurden 478 Patienten, die mindestens zwei depressive Episoden hatten, seit mehr als neun Monaten Antidepressiva (Citalopram, Sertralin oder Fluoxetin) einnahmen und sich gesund genug fühlten, um ein Absetzen der Medikation zu erwägen.

Sie wurden in zwei Gruppen – zum Absetzen oder Fortführen der Medikation – randomisiert. Für die Gruppe, die die Medikation absetzte, wurden Tabletten mit reduziertem und ohne Wirkstoff hergestellt, die äußerlich nicht von den Tabletten mit dem normalen Wirkstoffgehalt zu unterscheiden waren.

Innerhalb eines Jahres hatten in der Gruppe, die die Medikation unverändert einnahm, 39 Prozent eine erneute depressive Episode; in der Gruppe, die die Antidepressiva absetzte, waren es 56 Prozent. Auch weitere untersuchte Parameter (depressive Symptome, Lebensqualität) sprachen für einen Nutzen der fortgesetzten Therapie.

Zum Ende der Studie hatten 39 Prozent aus der Gruppe der Absetzenden die Medikation wieder begonnen.

Fazit: Diese Studie zeigt für hausärztliche Patienten, die längerfristig Citalopram, Sertralin oder Fluoxetin eingenommen hatten und sich gesund genug fühlten, die Antidepressiva abzusetzen, ein erhöhtes Rezidivrisiko nach Absetzen der Medikation gegenüber einer fortgesetzten Einnahme.

Lewis G, Marston L, Duffy L et al. Maintenance or Discontinuation of Antidepressants in Primary Care. N Engl J Med. 2021 Sep 30;385(14):1257-1267. doi: 10.1056/NEJMoa2106356

PMID: 34587384

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