Was halten Ärztinnen und Ärzte von der Digitalisierung in der Diabetestherapie? Dieser Frage geht der D.U.T-Report anhand regelmäßiger Umfragen nach [1]. Wie die aktuelle Auflage zeigt, hat sich die Einstellung der Ärztinnen und Ärzte zur Digitalisierung in der Diabetologie in den letzten Jahren deutlich verändert.
Gaben 2019 noch 63,7 Prozent eine sehr positive bis positive Einstellung an, vergrößerte sich dieser Anteil im Jahr 2020 bereits auf 75,8 Prozent und im Jahr 2021 auf 81,9 Prozent. Gleichzeitig verringerte sich die negative Einstellung von 8 Prozent auf 4,3 Prozent bzw. 3,6 Prozent im Jahr 2021.
Inzwischen gehört der Umgang mit den neuen Technologien und digitalen Anwendungen für die meisten Diabetologen (77,2 Prozent) ganz selbstverständlich zur täglichen Arbeit und über die Hälfte der Befragten gibt an, dass sich dadurch der Spaß an der eigenen Arbeit erhöht habe.
Zu den wichtigsten “Themenfeldern der Digitalisierung” gehören insbesondere die “Software zur Analyse von Glukosedaten” gefolgt von der “Kompatibilität mit anderen Systemen” und den Closed-Loop-Systemen. Für ein wichtiges Zukunftsthema halten viele Teilnehmer die “künstliche Intelligenz zur Diagnostik- und Therapie-Entscheidung”.
Bei über der Hälfte der Befragten (54,9 Prozent) ist aufgrund der Corona-Pandemie die Bereitschaft gestiegen, selbst digitale Video-Schulungen anzubieten. Auch nach der Pandemie möchte knapp die Hälfte (45,4 Prozent) dieses Angebot aufrecht erhalten.
Worauf es bei Diabetes-Schulungen ankommt
Während des Corona-bedingten Lockdowns stellt die digitale Schulung oft die einzige Möglichkeit dar, Patienten zu schulen. Entsprechend bietet die Pandemie einen Anlass, sich näher damit zu befassen. Vorab, betone Dr. Ralph Ziegler aus Münster, sollte man sich über die zu behandelnden Themen Gedanken machen.
“Denn wir können nicht einfach die etablierten Schulungsprogramme umstellen, sondern müssen uns für die Video-Schulung etwas Neues überlegen und ausarbeiten”, erläutert Ziegler. Zu klären sei weiterhin, ob praktische Anleitungen, wie etwa ein Ampullenwechsel der Insulinpumpe, im Video darstellbar sind, ob Einzel- oder Gruppenschulungen angestrebt werden und welchen Zuhörerkreis man ansprechen möchte.
Ziegler und sein Team aus Diabetesberaterinnen und -beratern startete mit “Info-Schulungen”, in welchen sie den rund 25 Teilnehmern live neue Insulinpumpenmodelle erklärten. Dazu zeigte Ziegler auf dem Bildschirm vorbereitete Seiten und ergänzte diese mit praktischen Vorführungen zur Handhabung der Insulinpumpen.
Durch den Erfolg dieser Schulung ermutigt, führte er mit seinem Team weitere Schulungen durch, beispielsweise zur “Insulinanpassung in Zeiten von Corona”. Seiner Erfahrung nach ist für eine erfolgreiche Durchführung eine sehr gute Vorbereitung erforderlich. Auch mit dem Equipment wie Kamera, Lautsprecher und Lampen sollte man sich gut auskennen und den Einsatz vorab proben.
“Der Aufwand übersteigt den einer Präsenzschulung, dennoch hat die Video-Schulung großes Potenzial und ich möchte alle dazu ermutigten, es auszuprobieren”, resümierte Ziegler.
Erste Daten zu Telemedizinstudie
In Nachbarländern wie beispielsweise den Niederlanden sind Video-Sprechstunden längst Gewohnheit, hierzulande kommen sie gerade erst in Gang. Nach Ansicht von Dr. Simone von Sengbusch aus Lübeck, werden ihre Möglichkeiten noch nicht umfassend genutzt.
Mit ihrer bereits im Jahr 2015 gefassten Idee, eine Telemedizinstudie anzustoßen, war sie ihrer Zeit voraus. Nun liegen erste Daten zu Erfahrungen und Zufriedenheit der Beteiligten sowie zu den Herausforderungen der Telemedizin vor [2].
An der real-life-Telemedizinstudie ViDiKi (virtuelle Diabetesambulanz für Kinder und Jugendliche) nahmen 240 Kinder aus Schleswig-Holstein und Hamburg im Alter von 1 bis 16 Jahren mit Typ-1-Diabetes und kontinuierlicher Glukosemessung teil.
Alle Teilnehmer erhielten über 12 Monate telemedizinische Angebote, in Form einer monatlichen Video-Sprechstunde, ergänzend zur Regelversorgung (1–2 Arztkontakte pro Quartal). Nach dieser Phase konnten die Teilnehmer ihre Beratungsfrequenz frei wählen. Dieses “Telemedizin on demand” leistete ein Team aus Ärzten und Ärztinnen sowie Diabetesberaterinnen und -berater.
Positive Bewertungen überwiegen
Vor Beginn der Studie wurden die Erwartungen von 30 Familien anhand von Interviews ermittelt. An der Befragung nach 12 Monaten Telemedizin nahmen 24 Familien teil und berichteten rückblickend über die Vorteile bzw. Hindernisse, die sich bei den Video-Konsultationen ergaben.
Als wichtigste Vorteile der Video-Sprechstunden wurden die höhere Beratungsfrequenz, eine verbesserte Stoffwechsellage und ein gesteigertes Gefühl der Sicherheit seitens der Teilnehmer genannt. Positiv wurde zudem die Zeitersparnis insgesamt, sowie in Bezug auf die Anfahrt bewertet.
Auch die Flexibilität bei der Wahl der Termine und dem Ort, an dem die Video-Konsultation stattfindet, wurde als vorteilhaft angesehen. Viele Eltern erwähnten, dass sie aufgrund der Telemedizin ein höheres Selbstvertrauen erlangten, die Insulindosierungen eigenständig anzupassen.
Als Hindernisse wurden vor allem die Internetverbindung und ihre Stabilität wahrgenommen. Teilweise bereiteten das Hochladen von Daten oder die E-Mail-Verschlüsselung Probleme. Insgesamt reichte die Verbindung jedoch in der Regel aus, um die wichtigsten Punkte zu klären.
Die meist-genannten Wünsche betrafen digitale Rezepte und dass der Arzt oder die Ärztin, welche die Video-Sprechstunde durchführt auch die ambulanten Termine übernehmen sollte. Als bevorzugte Behandlungsfrequenz gaben die meisten TeilnehmerInnen einen zweimal jährlichen Präsenzkontakt an und für die Video-Sprechstunden ein Intervall von vier bis sechs Wochen.
Literatur
- Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes D.U.T 2021; https://www.dut-report.de
- von Sengbusch S et al. Diabet Med 2020: e14410. doi: 10.1111/dme.14410. Online ahead of print
Quelle: Virtuelle Diabetes Herbsttagung 6.-8.11.2020.