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KongressberichtDiabetes neu denken: Vielfalt und Individualität

Bei der diesjährigen Tagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) lag der Fokus auf dem Paradigmenwechsel, den die Diabetologie in den letzten Jahren erfahren hat: Während früher das Diabetes-Management vorwiegend glukozentriert erfolgte, ist heute die Organprotektion von Herz und Niere ein gleichwertiges Therapieziel.

Die Technologie der Glukose-Selbstkontrolle mittels CGM hat sich zu einer neuen Säule des Diabetes-Managements entwickelt.

Typ-2-Diabetes: Remission möglich

Eine Remission oder gar Heilung des Typ-1-Diabetes erscheint noch weit in der Zukunft. Bei Menschen mit einem Typ-2-Diabetes dagegen dürfte eine Remission in Reichweite sein. Denn der Zusammenhang zwischen Adipositas und dem aus dieser Erkrankung resultierenden erhöhten Risiko für einen Typ-2-Diabetes ist wissenschaftlich belegt.

Dies hat zur Entwicklung neuer medikamentöser Therapieansätze geführt, die nicht nur zu einer Verbesserung der Hyperglykämie führen, sondern auch eine nachhaltige Gewichtsreduktion ermöglichen. Die Rede ist vom GLP-1-Rezeptor-Agonisten Semaglutid und dem dualen Inkretinagonisten Tirzepatid.

Diese Substanzen konnten in Studien zeigen, dass auch mit nicht-chirurgischen Maßnahmen eine Remission des Typ-2-Diabetes gelingen kann. Mit Tirzepatid wurde eine Gewichtsreduktion von mehr als 15 Prozent des Ausgangsgewichtes erreicht.

Nach der aktuellen Nationalen Versorgungsleitlinie zählen gewichtsreduzierende Maßnahmen zur Basistherapie des Typ-2-Diabetes.

In der Look-AHAED-Studie war ein Gewichtsverlust von ca. sieben Prozent des Ausgangsgewichtes durch eine Intervention (hypokalorische Mischkost mit einer täglichen Energieaufnahme von 1.200 bis 1.800 kcal in Kombination mit 175 Minuten pro Woche moderater körperlicher Aktivität) assoziiert mit einer signifikanten Reduktion des HbA1c-Wertes von 0,6 Prozent.

Neben den positiven Effekten auf Parameter des Kohlenhydratstoffwechsels sind die gesundheitsfördernden Auswirkungen einer Gewichtsreduktion auch auf Risikofaktoren und kardiovaskuläre Erkrankungen (arterielle Hypertonie, KHK, Schlaganfall, Fettleber Störungen der Homöostase, pulmonale Erkrankungen insbesondere das obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom) gut belegt (Matthias Blüher, Leipzig).

Der Fortschritt in der Technologie geht weiter

Die Technologie der Glukose-Selbstkontrolle mittels CGM, der Insulininjektionshilfen und des Datenmanagements hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht und sich zu einer neuen Säule des Diabetes-Managements entwickelt.

Bei der klassischen Blutzuckerbestimmung mit Geräten zur Selbstmessung ist das Bild der verfügbaren Systeme gemischt. So gibt es sehr genaue Messsysteme aber auch andere, die die Anforderungen nicht erfüllen. In einer Studie wiesen drei von sieben Messgeräten, deren Teststreifen von gesetzlichen Krankenkassen zur Verschreibung empfohlen werden, die erforderliche Systemgenauigkeit nicht auf.

Die modernen CGM-Systeme bieten wesentliche Vorteile. Dazu gehören die bessere Genauigkeit und Zuverlässigkeit ebenso wie eine längere Tragedauer und weniger Kalibrationen. Darüber hinaus bieten solche Systeme die Möglichkeit der CGM-Datenübertragung und somit die Option, sich kontaktlos von einem Arzt beraten zu lassen.

Es wurden zwischenzeitlich CGM-basierte Parameter als Therapieziele definiert: Über 70 Prozent der Werte sollten im Zielbereich von 70-180 mg/dl liegen. Darüberhinaus gibt es Zielwerte für die Zeit oberhalb und unterhalb des Zielbereichs und auch für die Glukosevariabilität.

Diese Parameter sind eine wertvolle Ergänzung der bisherigen HbA1c-basierten Therapiekontrolle. Doch sie können angesichts der bisherigen Studienlage und der mangelnden Standards den HbA1c-Wert nicht ersetzen.

Die meisten Menschen mit einem insulinpflichtigen Typ-2-Diabetes benutzen einen Insulinpen. Die Entwicklung zu “smarten” Pens mit Speicher-, Erinnerungs- und Datenübertragungsfunktion ist in vollem Gange. Smarte Pens können Daten in Apps übermitteln.

Ihre Anwendung ermöglicht es, die Glukosedaten aus CGM-Systemen mit den Insulindaten abzugleichen und in einem Bolusrechner nutzbar zu machen, um möglicherweise in naher Zukunft Therapieempfehlungen geben zu können.

Zusammenfassend kann man sagen: Der technische Fortschritt und die Digitalisierung bieten Menschen mit einem Typ-2-Diabetes die Möglichkeit einer individualisierten Therapie je nach Lebenssituation (Sandra Schlüter, Northeim).

Neue S3-Leitlinie für Kinder und Jugendliche mit einem Typ-1-Diabetes

Seit der letzten Aktualisierung der S3-Leitlinie im Jahr 2015 hat es in der Kinder-Diabetologie einen enormen technischen Fortschritt und auch inhaltliche Weiterentwicklungen gegeben. Neue ultrakurz und ultralang wirksame Insulinanaloga erlauben eine individuellere, den jeweiligen Bedürfnissen des Kindes und Jugendlichen angepasste intensivierte Insulintherapie.

Eine Insulinpumpe sollte allen Kindern und Jugendlichen schon bei der Diabetesmanifestation oder als Wechsel von der Spritze angeboten werden, wenn Betroffene oder betreuende Personen in der Lage sind, diese Therapieform sicher anwenden zu können.

Metaanalysen und systemische Reviews zeigen, dass mit einer Insulinpumpe vor allem dann, wenn diese früh eingesetzt wird, in allen Altersgruppen im Vergleich zur ICT-Therapie eine Verbesserung der Stoffwechseleinstellung erzielt wird (Martin Holder, Stuttgart).

Steroiddiabetes: Nüchtern-Blutzucker oft normal

Die Therapie mit Glukokortikoiden ist bei vielen Erkrankungen passager oder dauerhaft unverzichtbar. Doch die Steroide greifen in den Glukosestoffwechsel ein. Bei Patienten mit einem bereits bekannten Diabetes steigen die Blutzuckerwerte an. Bei Langzeitanwendung kann es auch zu einer Neumanifestation eines Diabetes kommen.

Glukokortikoide greifen auf vielfältige Weise in den Glukosestoffwechsel ein. So verstärken sie einmal die Insulinresistenz in Leber, Muskulatur und Fettgewebe. Andererseits verringern sie auch die Insulinsekretion und steigern die hepatische Glukoneogenese.

Der Nüchtern-Blutzucker ist oft normal. Typischerweise kommt es zwei bis vier Stunden nach Einnahme des Glukokortikoids zu einem Anstieg des Blutzuckers. Für die Diagnostik des Steroiddiabetes ist die Bestimmung des Nüchtern-Blutzuckers deshalb ungeeignet. Erst bei hohen Dosen oder zweimal täglicher Einnahme steigen auch die Nüchtern-Blutzucker-Werte an. Stattdessen sollte der Blutzucker postprandial bestimmt werden.

Bei postprandialen Werten bis 220 g/dl empfiehlt sich als orales Antidiabetikum Metformin wegen seines Wirkmechanismus; denn diese Substanz hemmt die hepatische Glukoneogenese. DPP4-Hemmer und SGLT2-Inhibitoren können nach ersten Erfahrungen sinnvoll sein. Ab Blutzucker-Werten von 260 mg/dl ist eine Insulintherapie indiziert.

Bei Patienten, bei denen der Diabetes bereits medikamentös behandelt wird, muss bei Anstieg des Blutzuckers unter dem Steroid die antidiabetische Therapie angepasst werden. In der Regel ist dann, wenn bisher nur orale Antidiabetika eingesetzt wurden, die zusätzliche Insulingabe erforderlich. Bei insulin-pflichtigen Diabetikern steigt der Insulinbedarf, wobei der Mehrbedarf bis zu 100 Prozent betragen kann (Andre Burchard, Hamburg).

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