Hausarzt MedizinColitis ulcerosa und Morbus Crohn in der Praxis

Patienten mit Colitis ulcerosa und M. Crohn suchen häufig zu- nächst den Hausarzt auf. Nachfolgend werden einige Fallbeispiele gezeigt, die wichtige Aspekte der Diagnose und Therapie dieser chronisch entzündlichen Darmerkrankungen deutlich machen.

Fall 1

Wann ist eine fachärztliche Abklärung einer CED indiziert?

Ein 26-jähriger Patient berichtet über seit vier Wochen bestehende rektale Blutabgänge, vor allem morgens vermehrte Stuhlentleerungen (insgesamt 4–5/Tag) sowie über Schmerzen im Analbereich beim Stuhlgang. Vor sechs Monaten hatte er eine Campylobacterenteritis.

Die primäre Manifestation chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen ist sehr variabel. Typische Symptome können sich in Form einer fulminanten Colitis innerhalb weniger Tage bzw. Wochen mit ausgeprägten Symptomen entwickeln und so eine umgehende stationäre Diagnostik notwendig machen. Ebenso existieren Patienten, die seit Jahren über Reizdarmsymptome klagen und wiederholt den Facharzt aufgrund variabler, ungeklärter Symptome konsultiert haben. Daher ist die hausärztliche Einschätzung von besonderer Relevanz.

Bei der klinischen Diagnostik sollte auf die Anzahl der Diarrhöen (insbesondere auch der blutigen bzw. nächtlichen Diarrhöen), auf umschriebene abdominelle Schmerzen (u. a. bei Stenosen, Ileitis terminalis), extraintestinale Veränderungen insbesondere der Gelenke und der Haut sowie vor allem auf die Gewichtsentwicklung geachtet werden. In der laborchemischen Diagnostik sind im Blutbild die Eisenmangelanämie, die Leukozytose und insbesondere auch die Thrombozytose Hinweise auf ein chronisch-entzündliches Geschehen. Das CRP ist häufig nur gering erhöht und besitzt sowohl für die Colitis ulcerosa als auch für den Morbus Crohn eine vergleichsweise geringe Sensitivität.

Mit dem Stuhlmarker Calprotectin steht eine etablierte, vor allem in der Abgrenzung zum Reizdarmsyndrom wertvolle Diagnostik zur Verfügung, die eine vergleichsweise hohe Sensitivität und Spezifität besitzt und bei der Entscheidung zu einer weiteren Diagnostik hilfreich sein kann. Es sei darauf hingewiesen, dass auch infektiöse Darmerkrankungen sowie auch Neoplasien zu einer Erhöhung des Calprotectin führen können. Eine weitere Stuhldiagnostik ist vor allem bei akuten Symptomen und einer entsprechenden Reiseanamnese in Hinblick auf eine infektiöse Diarrhö sinnvoll und sollte insbesondere auch eine Clostridiendiagnostik beinhalten.

Falls eine sonografische Diagnostik zur Verfügung steht, kann diese bereits umgehend einen typischen Befall des terminalen Ileums (M. Crohn) bzw. des Sigmas (Colitis ulcerosa) nachweisen; ggf. sind auch weitere Lokalisationen mit höherem zeitlichen Aufwand darstellbar. Eine unauffällige Diagnostik schließt das Vorliegen einer CED nicht endgültig aus; signifikante oder auch wiederholt auftretende Veränderungen sollten Anlass zu einer gastroenterologischen Abklärung inklusive endoskopischer Diagnostik geben.

In dem geschilderten Fall zeigte das Labor (Blutbild, CRP, gGT, GPT, Kreatinin) keine relevanten Veränderungen. Das Calprotectin war mit 317 mg/kg deutlich erhöht, pathogene Keime nicht nachweisbar. Endoskopisch und histologisch ergab sich das Bild einer floriden Linksseitencolitis ulcerosa.

Fall 2

Welche Kriterien sind für die Wahl der medikamentösen Therapie relevant?

Ein 27-jähriger Patient stellt sich mit einem vor zwei Monaten diagnostizierten Morbus Crohn vor. Die zuvor durchgeführte Primärdiagnostik zeigte eine Ileitis terminalis, einen segmentalen Kolonbefall sowie perianale Fisteln mit Abszessbildung. Er hat in den sechs Monaten zuvor 20 kg an Gewicht verloren. Die initiale Steroidtherapie mit 1 mg Prednison/kg Körpergewicht brachte eine klinische partielle Remission, ein Rezidiv war bei Reduktion unter 40 mg/Tag nach acht Wochen aufgetreten. Die aktuelle Stuhlfrequenz beträgt 20/Tag; das CRP ist mit 8,6 mg/dl deutlich erhöht.

Zur Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen stehen grundsätzlich Aminosalicylate, Steroide, Azathioprin und Biologika (u.a. TNF-Blocker) zur Verfügung. Aufgrund der heterogenen Ausprägung der Erkrankung sowie des individuellen Verlaufs müssen individuelle Regimes erstellt werden. Ebenso spielt die Verträglichkeit sowie das Ansprechen auf eine eingeleitete Therapie eine wichtige Rolle.

Grundsätzlich sollte zum Start der Therapie das Ausmaß der aktuellen Erkrankung berücksichtigt werden: Für den Morbus Crohn können vor allem ein intensiver Befall mit tiefen Ulzerationen der Schleimhaut, ein perianaler Befall mit Fistelbildung, ein junges Erkrankungsalter sowie ein deutlicher Gewichtverlust als negative prädiktive Faktoren gewertet werden, die primär eine intensivere Therapie zur Folge haben sollten. Eine Induktionstherapie mit Steroiden sollte in diesen Fällen ggf. primär mit Azathioprin kombiniert werden und bei Nichterreichen einer klinischen Remission innerhalb von vier Wochen im Sinn eines „accelerated Step-up“ auf eine TNF-alpha-Blocker-Therapie umgestellt werden. Einige Leitlinien legen in diesen Fällen bereits eine primäre Kombination eines TNF-alpha-Blockers mit Azathioprin im Sinn einer „Top-down“-Strategie unter Verzicht auf Steroide nahe.

Wichtig ist jedoch, nicht nur die Normalisierung der klinischen Symptomatik allein zur Beurteilung des Erfolgs heranzuziehen, sondern auch die Entwicklung des endoskopischen bzw. bildgebenden Befunds zu berücksichtigen. Ebenso sollten Steroide nicht als Erhaltungstherapie angewendet werden.

In der Langzeittherapie mit Biologika bzw. Azathioprin bestehen zahlreiche Möglichkeiten zur Optimierung von Dosierung und Präparaten, die aufgrund möglicher Nebenwirkungen sowie zum Teil intensiver Therapiekosten durch einen erfahrenen CED-Therapeuten erfolgen sollte. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, Möglichkeiten zur Durchführung von Impfmaßnahmen entsprechend den Empfehlungen der STIKO frühzeitig (vor der Gabe von Immunsuppressiva) wahrzunehmen und unter einer entsprechenden Therapie eine Grippe-, Pneumokokken-bzw. Hepatitis-B-Prophylaxe sicherzustellen.

Im geschilderten Fall erfolgte aufgrund des unzureichenden Ansprechens der Steroid-/Azathioprintherapie sowie auch aufgrund des Vorliegens multipler negativer Prädiktoren die Einleitung einer Therapie mit Adalimumab unter Beibehaltung von Azathioprin. Unter dieser Therapie wurde eine klinische und endoskopische Remission nach sechs Monaten erreicht. Die Kortisontherapie konnte innerhalb von acht Wochen schrittweise beendet werden.

Fall 3

Welche psychosozialen Konsequenzen ergeben sich?

Eine 28-jährige OP-Schwester ist seit zwei Jahren an einem Morbus Crohn erkrankt. Sie berichtet über rezidivierende Schübe mit bis zu 15 flüssigen Stühlen/Tag trotz einer medikamentösen Therapie. Auf Nachfrage gibt sie wiederholte Krankschreibungen an, die vor allem aufgrund von Inkontinenzproblemen beansprucht wurden.

Die Inkontinenz bei CED ist ein häufig auftretendes, von den Patienten aber selten spontan thematisiertes Problem mit erheblicher Relevanz für den Alltag der Patienten. Beruf, Sexualität, Theaterbesuche, Urlaubsreisen, Fitnessstudio – Normalität wird zum Problem, der Aktivitätsradius wird durch vorhandene Toiletten bestimmt. Nicht selten resultiert eine zunehmende soziale Isolation mit der Gefahr der Entwicklung einer Depression.

Grundsätzlich ist die „krankheitsbedingte Inkontinenz“ (Diarrhö, entzündliche Schließmuskelschädigung) von der „operationsbedingten Inkontinenz“ (Fistelchirurgie, anale Anastomosen) zu unterscheiden. In beiden Fällen ist die Erfassung im Arzt-Patienten-Gespräch Voraussetzung für die Einleitung einer gezielten Diagnostik (z. B. Endoskopie, MRT, Endosonografie) und Therapie (Medikamentöse Eskalation, Analtampons, Beckenbodentraining, Schließmuskelnaht, sakrale Nervenstimulation etc.).

Begleitend sollten die Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit Selbsthilfegruppen (u. a. Deutsche Morbus Crohn / Colitis Ulcerosa Vereinigung DCCV, Deutsche Kontinenz Gesellschaft, Selbsthilfeverband Inkontinenz e. V.) sowie eine mögliche psychotherapeutische Unterstützung mit dem Patienten besprochen werden.

Fall 4

Grundsätzliche Fragen im Kontext der Familienplanung

Eine 32-jährige Patientin, Raucherin, mit Colitis ulcerosa befindet sich in Remission unter Azathioprintherapie, aktuell besteht Kinderwunsch.

Aufgrund der großen Anzahl junger Patienten im CED-Kollektiv ergeben sich regelhaft Fragen im Kontext der Familienplanung. Grundsätzlich gilt der Rat zur Konzeption in Remission und Beibehaltung der remissionserhaltenden Medikation (Ausnahme Methotrexat). Die adäquate Kontrolle der Erkrankung während der Schwangerschaft ist essenziell für die Gesundheit von Mutter und Fetus. Ein besonderes Augenmerk sollte auf einem guten Ernährungszustand der werdenden Mutter und einer ausreichenden Folatsupplementation liegen.

Bei Fragen rund um die Medikamentensicherheit in der Schwangerschaft steht die Datenbank des Pharmakovigilanz-und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Charite (www.embryotox.de) zur Verfügung. Eine individuelle telefonische Beratung ist hierüber ebenfalls möglich.

Bei der Planung der Geburt ist, unter Beachtung der individuellen Krankheitssituation, unter Umständen eine Sectio anzuraten (z. B. bei perianalem Crohn, ileoanalem Pouch), um Sphinkterverletzungen zu vermeiden.

Die Azathioprintherapie wird im geschilderten Fall stabil fortgeführt, da das Risiko eines Rezidivs nach Absetzen der Medikation signifikant erhöht ist. Insbesondere, wenn Frauen mit einer Colitis ulcerosa im Fall einer Schwangerschaft einen Nikotinkonsum (wie zu empfehlen ist!) beenden, besteht eine erhöhte Rezidivgefahr.

Fazit für die Praxis

  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sind ausgesprochen heterogene Krankheitsbilder. Für die orientierende Primärdiagnostik hat vor allem das Calprotectin im Stuhl eine vergleichsweise gute Sensitivität und Spezifität.

  • Die Intensität der Therapie richtet sich nach der Ausprägung des aktuellen Bildes, dem Ansprechen der Therapie sowie den prädiktiven Faktoren. Bei ausgeprägten Krankheitsbildern sollten Azathioprin und/oder Biologika schnell zum Einsatz kommen und intensive bzw. wiederholte Steroidgaben vermieden werden.

  • Die Patienten leiden häufig unter psychosozialen Folgen der Erkrankung, die mitunter zu wenig zur Sprache gebracht werden. Ein ggf. aktives Ansprechen bzw. Angehen dieser Aspekte kann eine wesentliche Steigerung der Lebensqualität erzielen.

Literatur bei den Verfassern.

Mögliche Interessenskonflikte: A. Lügering: Berater- und/oder Vortragshonorare von Abbvie, Falk, Ferring, Janssen, Takeda, MSD; K. Baumgarten: Keine Interessenskonflikte

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