Hausarzt MedizinBlutzuckermessgeräte: Welches für wen?

Insulinpflichtige Diabetiker haben ein Anrecht auf die Verordnung von Blutzuckermessgeräten mit den dazugehörigen Teststreifen. Bei Diabetikern, die kein Insulin benötigen, ist die Verordnung von Teststreifen seit dem 1. Oktober 2011 nach Vorgaben aus der Arzneimittelrichtlinie nur noch bei einer instabilen Stoffwechsellage in einer Größenordnung von bis zu maximal 50 Teststreifen pro Quartal möglich. Das Problem in beiden Fällen: Auf dem Markt gibt es eine völlig unübersichtliche Anzahl an solchen Messgeräten und die Frage, welches Gerät für meinen Patienten das Beste ist, stellt eine regelrechte Herausforderung dar.

Bis zum Inkrafttreten des „Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“ am 30. Mai 2016 war die Auswahl noch einfach. Der Pharma-Außendienst hat die Praxen großzügig mit kostenlosen Blutzuckermessgeräten zur Weitergabe an die betreffenden Patienten ausgestattet. Welcher Diabetiker welches Gerät bekommen hat, war deshalb mitunter dem Zufall überlassen. Blutzuckermessgeräte müssen jetzt im Regelfall unter Angabe der Produktart „Blutzuckermessgerät“ oder der siebenstelligen Hilfsmittelnummer (21-34-02-1) verordnet werden. Apotheke, Sanitätshaus oder der Lieferant geben dann ein Messgerät nach den Vorgaben des Liefervertrages mit der jeweiligen Krankenkasse ab. Ein bestimmtes Messgerät kann mit entsprechender Begründung verordnet werden, zum Beispiel wenn ein Gerät mit einer Sprachausgabe für einen blinden oder stark sehbehinderten ­Patienten nötig ist. Weitere Sonder- oder Zusatzausstattungen zum elektronischen Protokollieren oder zur Analyse der Messwerte fallen hingegen nicht unter die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung.

Muss bei der Auswahl der Preis der Teststreifen beachtet werden?

Warum die Hersteller solcher Blutzuckermessgeräte bisher bei der Abgabe von Mustern so großzügig waren, lässt sich leicht erklären. Den Umsatz bringt die Verordnung der zu einem Gerät gehörenden ­Teststreifen. Der Wettbewerb um diese Umsatzquelle hat folgerichtig zu dieser Großzügigkeit geführt.

Das o.g. Antikorruptionsgesetz hat dem nun einen Riegel vorgeschoben und die Folgen sind erkennbar – es gibt solche Bemusterungen kaum noch. Das ist zunächst kein Problem, denn es handelt sich hier um die Verordnung von Hilfsmitteln und die ist nicht mit einer ansonsten üblichen Regressgefahr verbunden.

Anders ist es bei den Teststreifen. Obgleich die kein Patient schluckt, wird deren Verordnung dem arztindividuellen Arzneimittelbudget zugeordnet. Je nach regionaler Prüfvereinbarung kann das bei einer Überschreitung der Richtgröße oder des Fachgruppendurchschnitts deshalb eine Rolle spielen, insbesondere dann, wenn man mehr insulinpflichtige Diabetiker betreut als die Fachgruppe.

Wenn Diabetiker ihr Messgerät deshalb nach eigenen Vorlieben und Bedürfnissen und nach ihren ganz persönlichen Anforderungen auswählen, kann dies für den verordnenden Hausarzt problematisch werden. Die jeweiligen Teststreifen zu den einzelnen Geräten sind nämlich unterschiedlich teuer. Das zeigt allein schon der auch hier eröffnete „Preiswettbewerb“.

Die Ersatzkassen (außer der BEK) haben die Apotheker verpflichtet, 55 Prozent der verordneten Packungen zu 50 Stück aus der von ihnen erstellten Preisgruppe B zu beliefern. Die BEK hat sogar drei ­Preisgruppen gebildet. Hier müssen die Apotheken 15 Prozent der verordneten Packungen aus der preisgünstigeren Gruppe 1 abgeben, 40 Prozent aus der Gruppe 2. Die meisten ­Ersatzkassen und regional auch Ortskrankenkassen haben darüber hinaus Rabattverträge mit Herstellern von Blutzuckerteststreifen geschlossen. Die Apotheker sind allerdings gesetzlich nicht verpflichtet, solche rabattierten Teststreifen bevorzugt abzugeben. Der „Schwarze Peter“ liegt deshalb auch hier beim verordnenden Hausarzt, denn die Auswahl des Messgerätes für den betreffenden Patienten entscheidet ggf. lebenslang über die Höhe der finanziellen Belastung des Arzneimittelbudgets des verordnenden Arztes.

Die Auswahl des richtigen Testgerätes allein vom Preis für die Teststreifen abhängig zu machen, wäre aber auch ein Fehler. Jüngere technik-affine Diabetiker können mit einem Gerät, das z.B. durch den Anschluss an ein EDV-System auch wichtige Erkenntnisse über den Blutzuckerverlauf und sogar die Insulindosierung liefert, sicherlich profitieren. Der berufstätige Diabetiker wird auch eher ein möglichst kleines Gerät bevorzugen, das ­eine wenig aufwändige Messung zu jedem Zeitpunkt an jedem Ort ermöglicht. Bei älteren Personen, die vielleicht auch nicht mehr berufstätig sind, wird es eher darauf ankommen, dass eine einfache und ­übersichtliche Handhabung gewährleistet ist. Hier sind eher größere Geräte mit einem möglichst großen Display zu bevorzugen. Ein Diabetiker, der z.B. mit drei Teststreifen am Tag auskommt, weil das Messgerät dies ermöglicht, verursacht weniger Kosten als derjenige, der wegen häufiger Fehlfunktionen fünf oder mehr Teststreifen benötigt.

Welchen Stellenwert haben die ­neuen Real-Time-Messgeräte?

Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus haben nach einem Beschluss des Bewertungsausschusses (BA) vom 21. Februar 2017 unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf ein Real-Time-Messgerät zur kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung ­(rtCGM). Für die Anleitung des Patienten beziehungsweise der Bezugsperson zur Selbstanwendung eines rtCGM können seit dem 1. April 2017 sogar die Nrn. 03355, 04590 und 13360 berechnet werden. Die drei Abrechnungspositionen sind inhaltsgleich und werden je vollendete zehn Minuten, die zur Anleitung eines Patienten und/oder einer Bezugsperson benötigt werden, extrabudgetär mit 7,58 Euro bis zu zehnmal im Krankheitsfall (und damit innerhalb von vier zusammenhängenden Quartalen) vergütet. Eine solche Schulung des Patienten ist ­notwendig, da diese Geräte nicht den Blutzucker, ­sondern den Gewebezuckergehalt messen und hier Besonderheiten bei der resultierenden Insulindosierung beachtet werden müssen. Das kann eigentlich jeder Hausarzt.

Bemerkenswert ist aber, dass zur Durchführung und Abrechnung der rtCGM im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur Fachärzte für Innere Medizin und Endokrinologie und Dia-betologie oder Fachärzte für Innere Medizin, Fachärzte für Allgemeinmedizin oder Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin jeweils mit der Anerkennung „Diabetologie“ oder „Diabetologe Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)“ bzw. mit vergleichbarer Qualifikation oder Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit der Anerkennung „Kinder-Endokrinologie und -Diabetologie“ berechtigt sind. Im Grunde genommen wurden damit Exklusivleistungen für diabetologische Schwerpunktpraxen geschaffen.

Warum muss der Hausarzt die gleiche Leistung gratis erbringen?

Bei der Intervention der kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten (rtCGM) wird mittels eines Sensors kontinuierlich der Glukosegehalt in der interstitiellen Flüssigkeit des Unterhautfettgewebes gemessen. Anschließend überträgt ein mit dem Sensor verbundener Transmitter die Messwerte automatisch an das Empfangsgerät. Es werden kontinuierlich Messwerte und der Trend zum Glukosegehalt ausgegeben.

Bereits am 16. Juni 2016 hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Aufnahme einer neuen Nummer 20 „Kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten (rtCGM) zur Therapiesteuerung bei Patientinnen und Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus“ in die Anlage I „Anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden“ der MVV-RL aufgenommen. In dieser sind neben der Methode auch die Indikationen und Vorgaben zur Qualitätssicherung geregelt. Die Methode soll nur bei Patientinnen und Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus, die einer intensivierten Insulinbehandlung bedürfen, nach Schulung im Hinblick auf die sichere Anwendung des Gerätes eingesetzt werden. In der Realität werden insulinpflichtige Diabetiker an eine Schwerpunktpraxis zur Schulung überwiesen. Die weitere Versorgung übernimmt aber der nicht spezialisierte Hausarzt, dem die mit dem neuen Gerät kontinuierlich gemessenen Werte vorgelegt werden. Warum der die Abstimmung der Handhabung des Gerätes mit dem Patienten nicht berechnen kann, entzieht sich jeder Logik. Das gilt auch für die Frage, warum die sog. Flash-Messgeräte, wie z.B. das FreeStyle Libre von Abbott, die bei gleicher Leistungsfähigkeit wesentlich einfacher zu bedienen sind, nicht zu Lasten der GKV, sondern nur nach Genehmigung der Kasse, verordnet werden können?

Literatur beim Verfasser.

Mögliche Interessenkonflikte: Der Autor hat keine ­deklariert.

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