Hausärztinnen und Hausärzte sollten bei Rheuma-Kranken immer mal wieder die Lunge nach einem Knisterrasseln abhören, auch mal einen Lungenfunktions-Test machen und nach Symptomen wie Husten oder Luftnot fragen. Das verdeutlichte Professor Andreas Krause, Präsident des 50. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), im Vorfeld des Kongresses anhand einiger Zahlen.
“Würden wir alle Patienten mit rheumatoider Arthritis ganz konsequent, sprich bis hin zum Schichtröntgen im Bereich der Lunge untersuchen, würden wir bei ungefähr der Hälfte bis zu zwei Drittel von ihnen Lungenveränderungen entdecken”, berichtete Krause.
Zwar seien diese längst nicht alle klinisch relevant – bei beispielsweise rund fünf bis zehn Prozent der Patientinnen und Patienten mit rheumatoider Arthritis beeinflussten die Veränderungen allerdings den Krankheitsverlauf, die Prognose und könnten teils sogar die Mortalität erhöhen. “Es handelt sich also wirklich um ein relevantes Problem”, betonte Krause.
Natürlich sollten zuallererst Rheumatologen bei ihren Patienten eine mögliche Lungenbeteiligung im Blick haben, aber Hausärzte sähen die Patienten meist häufiger als der Facharzt. “Umgekehrt gilt das übrigens auch für Pneumologen: Da eine interstitielle Lungenerkrankung (ILD) auch die Erstmanifestation sein kann, sollte bei unklarer ILD auch eine Rheuma-Erkrankung in Betracht gezogen werden.”
Das Risiko, dass das Krankheitsgeschehen in Form einer ILD auf die Lunge übergreife, sei nicht bei allen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen gleich hoch. Genaue Angaben zur Häufigkeit der ILD bei den jeweiligen Krankheitsbildern seien aber schwierig.
Zum einen, weil nicht alle Rheumapatientinnen und -patienten konsequent auf einen möglichen Lungenbefall hin untersucht würden und daher eindeutige Daten fehlten. Zum anderen sei der Übergang zwischen gering ausgeprägten, eher harmlosen Lungenbefunden und einer klinisch bedeutsamen ILD fließend.
Auch die Gene spielen eine Rolle
Im Wesentlichen gebe es drei Gruppen von Patienten, bei denen besonders auf die Lunge geachtet werden müsse: “Die erste Gruppe sind Menschen mit rheumatoider Arthritis, also mit klassischem Gelenkrheuma, das ist für viele sicherlich überraschend”, berichtete der Rheumatologe.
“Die zweite große Gruppe sind Menschen mit systemischer Sklerose, und die dritte Gruppe sind Menschen mit inflammatorischen Myopathien.” Bei Psoriasis-Arthritis dagegen sei eine Lungenbeteiligung extrem selten.
Näher ging Krause auf die größte Patientengruppe ein: die der Patienten mit rheumatischer Arthritis. Hier eine Lungenbeteiligung zu erkennen, sei nicht einfach, weil eine ILD zunächst auch symptomlos verlaufen könne. Aber es gebe Risikofaktoren, die man bei der Betreuung der Patienten im Blick behalten kann.
Krause: “Wir wissen, dass eine Lungenbeteiligung bei Männern mit rheumatoider Arthritis häufiger auftritt als bei Frauen – wobei ja grundsätzlich die rheumatoide Arthritis eine Erkrankung ist, von der vermehrt Frauen betroffen sind.”
Ein weiterer Risikofaktor: Rauchen. Zudem sind fast ausschließlich Patientinnen und Patienten betroffen, bei denen sich klassische Rheumafaktoren und ACPA-Antikörper nachweisen lassen. “Und es gibt, wie wir heute wissen, genetische Faktoren, die das Risiko für eine ILD erhöhen”, so der Rheumatologe.
Ein Beispiel: In einer Publikation aus 2021 berichtete Krause gemeinsam mit Dr. Hans Bastian von einer “gain-of-function”-Mutation im MUC5B-Gen als genetischen Risikofaktor für eine ILD [1]. Das MUC5B-Gen kodiert für das Polysaccharid Muzin 5B, ein wichtiger Bestandteil der Lungen-Mukosa.
Bei Menschen mit systemischer Sklerose oder inflammatorischen Myopathien – der zweiten und dritten Patientengruppe, bei denen Ärzte die Lunge im Blick behalten sollten – liege der Anteil der Betroffenen mit ILD teils noch deutlich höher, auch wenn die Erkrankungen insgesamt sehr viel seltener seien als die rheumatoide Arthritis.
Je nach Verlaufsform der Grunderkrankung und Art der verursachenden Autoantikörper entwickeln laut Krause zwischen 30 und 70 Prozent dieser Patientinnen und Patienten eine Lungenbeteiligung.
Antifibrotika rücken in den Fokus
Schon die Diagnose einer ILD ist bei Rheumapatienten also nicht ganz einfach – was zu einem gewissen Grad auch für die Therapie gilt: “Wir haben heute viele Möglichkeiten, durch eine entzündungshemmende Therapie nicht nur die rheumatische Grunderkrankung, sondern auch die Lungenbeteiligung effektiv zu behandeln. Da fehlt uns aber tatsächlich noch die genaue Erkenntnis, welches Medikament in dem ganzen Armamentarium an Möglichkeiten am besten bei einer Lungenbeteiligung wirkt”, gab Krause zu.
Neben der Immunsuppression gewinne aber ein bestimmtes Wirkprinzip bei der Behandlung der ILD immer weiter an Bedeutung: Antifibrotika.
Antifibrotika sollen den entzündungsbedingten Übergang von funktionellem Lungengewebe in Narbengewebe gezielt unterbinden und so das Voranschreiten der Lungenfibrose zumindest verlangsamen.
Erste Studien hätten ergeben, dass ILD-Patientinnen und -Patienten mit unterschiedlichen rheumatischen Grunderkrankungen davon profitieren, besonders wenn die immunsuppressive Therapie von einer Behandlung mit Antifibrotika flankiert wird, berichtete der Rheumatologe. “Hier gab es in den vergangenen Jahren wirklich sehr große Fortschritte bei der Therapie”, resümierte Krause.
Fazit
- Hausärztinnen und Hausärzte sollten bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen die Lunge im Blick haben, besonders bei Menschen mit rheumatoider Arthritis, systemischer Sklerose und inflammatorischen Myopathien.
- Für eine erste Untersuchung gut geeignet ist die Auskultation der Lunge sowie das Abfragen von Symptomen wie Husten und Atemnot.
- Ein Lungenfunktionstest ist eine weitere Option. „Goldstandard“ für die Diagnose einer ILD ist eine Dünnschicht-Computertomografie.
Quellen:
1. H. Bastian, A. Kraus; Interstitielle Lungenerkrankungen in der Rheumatologie; Akt Rheumatol 2021; 46:544–551