Grundlage der Rehabilitation ist die ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) der WHO mit ihrer ganzheitlichen bio-psycho-sozialen Sichtweise. Die Schädigung einer Körperstruktur und/oder -funktion bedingt eine Beeinträchtigung der Aktivität, woraus eine Beeinträchtigung der für das Individuum typischen Teilhabe resultiert. Umwelt- und personbezogene Kontextfaktoren stellen Ressourcen oder Barrieren für den Rehabilitationsprozess dar.
Man unterscheidet drei Arten von Rehabilitationsleistungen:
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Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit dem Ziel, möglicher Behinderung oder Pflegebedürftigkeit vorzubeugen, sie zu beseitigen, zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten.
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Leistungen zur beruflichen Rehabilitation, die eine (Wieder-)Eingliederung des Rehabilitanden/derRehabilitandin in das Arbeitsleben fördern.
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Leistungen zur sozialen Rehabilitation, welche die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft fördern. Sie zielen ab auf die Bewältigung der alltäglichen Anforderungen und der Wiedereingliederung in das soziale Umfeld der Betroffenen.
Träger der Rehabilitation sind verschiedene Zweige der Sozialversicherung mit unterschiedlicher Zielsetzung: Gesetzliche Rentenversicherung (DRV), gesetzliche Unfallversicherung (GUV) und Krankenversicherung (GKV) und andere. Die DRV und die GUV mit ihrem Grundsatz "Reha vor Rente" haben als Zielsetzung die Wiederherstellung bzw. Aufrechterhaltung der Erwerbsfähigkeit (DRV) bzw. der beruflichen Leistungsfähigkeit (GUV). Für die GKV gilt der Grundsatz "Reha vor Pflege", woraus als Ziel eine Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Alltagsfähigkeit resultiert.
Medizinische Rehabilitation zu Lasten der GKV
Für die GKV regelt das Sozialgesetzbuch V die gesetzliche Grundlage für Rehabilita-tionsmaßnahmen.
In der "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" sind Grundsätze zur Umsetzung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Leistungserbringung der medizinischen Rehabilitation beschrieben. Die Richtlinie regelt die Anforderungen an eine Rehabilitationsberatung, das Verfahren zur Einleitung und Verordnung notwendiger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Muster 61) und beschreibt die Zusammenarbeit zwischen Rehabilitationseinrichtung, Vertragsärzten/ -ärztinnen und Krankenkassen.
Medizinische Rehabilitation ist eine komplexe Maßnahme, die als interdisziplinäre und multimodale Behandlung durch ein Rehabilitationsteam erbracht wird und darauf abzielt, manifeste alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivität und Teilhabe abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, deren Verschlimmerung zu verhüten oder deren Folgen zu mildern.
Mit anderen Worten: Rehabilitationsmaßnahmen werden nicht wegen einer bestimmten Krankheit mit Dia-gnoseschlüssel nach ICD durchgeführt, sondern wegen der nicht nur vorübergehenden Auswirkungen der Erkrankung auf die üblichen und alltagsrelevanten Aktivitäten des Patienten/der Patientin gemäß ICF.
Die ICF ist auch Grundlage des Rehabilitationsantrags der GKV (Formular 61). Dies spiegelt sich wider in Antragsfragen wie z.B.:
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Teil B IIB: Rehabilitationsrelevante Schädigungen und Befunde
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Teil C B: Nicht nur vorübergehende Beeinträchtigung der Aktivitäten/Teilhabe
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Teil C H: Kontextfaktoren. Eine Indikation zur Rehabilitation liegt vor, wenn bei bestehendem Rehabilitationsbedarf die Rehabilitationsfähigkeit gegeben ist und für das Rehabilitationsziel eine positive Rehabilitationsprognose besteht. Auch hierzu soll in Formular 61 Stellung genommen werden, v.a. im Teil D.
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Rehabilitationsbedarf besteht, wenn eine nicht nur vorübergehende Beeinträchtigung von Aktivität und/oder Teilhabe vorliegt und über die Möglichkeiten der Krankenbehandlung hinaus die interdisziplinäre und mehrdimensionale Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung erforderlich ist. Das heißt: Eine Krankenbehandlung muss zuvor stattgefunden und sich als nicht ausreichend erwiesen haben, und darüber hinaus muss für das Erreichen des Rehabilitationsziels das Zusammenwirken der unterschiedlichen therapeutischen Professionen im Rahmen eines Behandlungsplanes notwendig sein.
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Rehabilitationsfähigkeit liegt vor, wenn der Patient/die Patientin bei ausreichender Motivation eine psychische und physische Belastbarkeit aufweist, die zu einer mehrmals täglichen aktiven Teilnahme an Thera-piemaßnahmen befähigt.
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Rehabilitationsziele müssen realistisch, individuell und alltagsrelevant sein. Je konkreter ein Rehabilitationsziel im Antrag formuliert wird, desto nachvollziehbarer ist für den/die Sachbearbeiter/-in der Krankenkasse und für den/die Gutachter/-in des MDK das Anliegen des Hausarztes.
Rehabilitationsmaßnahmen können ambulant oder stationär durchgeführt werden. Wenn beide Rehabilitationsformen zur Verfügung stehen, gilt der Grundsatz "Ambulant vor Stationär".
Für eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme ist die ausreichende Mobilität des potenziellen Rehabilitanden/der Rehabilitandin, eine ausreichende physische und psychische Belastbarkeit für die ambulante Durchführung, eine ausreichende häusliche Versorgung und eine Erreichbarkeit der ambulanten Rehabilitations-einrichtung in zumutbarer Fahrzeit Voraussetzung. Wenn diese Voraussetzungen nicht bestehen oder die Herausnahme aus dem häuslichen Umfeld erforderlich ist, ist eine stationäre Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme begründet. Hierzu sollen im Formular 61 im Teil D VI. Zuweisungsempfehlungen seitens des beantragenden Arztes/der Ärztin abgegeben werden.
Fazit
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Wenn Ihr Patient/Ihre Patientin trotz Durchführung der möglichen ambulanten Therapiemaßnahmen weiterhin in seinen/ihren Aktivitäten beeinträchtigt ist, kann eine Rehabilitationsmaßnahme angezeigt sein. Die Notwendigkeit einer Rehabilitationsmaßnahme begründet sich in den vorliegenden Krankheitsauswirkungen, nicht allein in der Diagnose.
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Wenn aus hausärztlicher Sicht die GKV als Träger infrage kommt, sollte das Formular 61, Teil B bis D sorgfältig ausgefüllt werden. Die Fragen basieren auf der ICF und helfen dem beantragenden Arzt/der Ärztin, die Beeinträchtigungen von Aktivität und Teilhabe und die Kontextfaktoren, die beim Patienten/der Patientin vorliegen, detailliert darzustellen.
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Die konkrete Beschreibung alltagsrelevanter, individueller und realistischer Rehabilitationsziele hilft dem Kostenträger, die Notwendigkeit einer Rehabilitationsmaßnahme zu erkennen.
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Besteht aus hausärztlicher Sicht Gewissheit, dass bei einem erwerbstätigen Patienten der Renten- oder der Unfallversicherungsträger zuständig ist, oder besteht Unsicherheit darüber, welcher Rehabilitationsträger in Frage kommt bzw. wird eine Beratung des Versicherten zur Rehabilitation für notwendig erachtet, so reicht es aus, den Teil A des Formulars 61 auszufüllen.
Literatur bei der Verfasserin.
Die Autorin hat keine Interessenskonflikte deklariert.