Viszerale Schmerzen richtig einordnen
Schmerzen im Bauchraum sind meist diffus, schlecht lokalisierbar und werden häufig von vegetativen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen oder Verstopfung begleitet. “Generell gilt: Alle paarig angelegten Organe schmerzen typischerweise auf der Seite der betroffenen Stelle, bei unpaarigen Organen beginnt der Schmerz dagegen in der Mitte”, erklärte PD Dr. Viola Andresen, Hamburg. Das trifft auch für die Blinddarmentzündung zu, die sich anfangs mittig und erst später auf der rechten Seite bemerkbar macht.
Bei chronischen viszeralen Schmerzen gibt es einige Differenzialdiagnosen, die man nicht übersehen sollte: Insbesondere in den Anfangsstadien können sich z.B. M. Crohn, Zöliakie, Kolon- und Ovarialkarzinom wie typische Reizdarmbeschwerden äußern, teils ohne ‚Alarmzeichen‘ wie etwa Fieber oder Blutbildveränderungen.
Erste Hinweise gibt die Schmerzqualität. So spricht ein dumpfer Schmerz für eine Entzündung oder eine Kapselspannung (der Leber). Stechender, brennender oder reißender Schmerz verweist auf Perforation, Ischämie oder maligne Prozesse, während Krämpfe oder Koliken häufig bei einer Obstruktion von Hohlorganen vorkommen. Bei der Standard-Labordiagnostik hob die Internistin die Calprotektin-Bestimmung im Stuhl hervor, mit der sich entzündliche und infektiöse Prozesse im Dickdarm nachweisen lassen.
Wie leicht ein zielführender Test vergessen wird, schilderte Andresen am Beispiel einer 56-jährigen adipösen Frau, die seit drei Jahren zunehmend unter Bauchschmerzen und Obstipation litt. Sie brachte bereits eine umfangreiche Diagnostik inklusive Laborwerten und Bildgebung mit. Was jedoch bis dato fehlte, war der Test auf den Tissue-Transglutaminase-IgA-Antikörper (TGA- Ak). Dessen Wert war mit 286 U/ml gegenüber dem Normalwert von ≤ 7 U/ml deutlich erhöht und hätte früher auf eine Zöliakie hingewiesen. Bei der Spiegelung fiel auf, dass keine Zotten vorhanden waren, die histologische Aufarbeitung ergab eine Marsh 3b Zöliakie.
Achtsamkeitsbasierter Therapieansatz
Das Leid, das aus chronischem Schmerz resultiert, ist individuell und abhängig vom Widerstand, mit dem der einzelne Patient darauf rea-giert. Wer ständig hadert und sich immer wieder fragt: ‚warum gerade ich?‘ leidet deutlich stärker. Genau dieser Aspekt – der innere Widerstand – ist jedoch beeinflussbar. Beispielsweise durch ein achtsamkeitsbasiertes Verfahren wie die Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR).
“Im Übungsteil Schmerzmediation befassen sich die Patienten damit, den Schmerz als etwas real Wahrnehmbares zu akzeptieren und nicht dagegen anzukämpfen”, erklärte Dr. Harald Lucius, Helios Klinikum Schleswig. Der Methode werden zahlreiche Effekte zugeschrieben, etwa eine größere Stresstoleranz, weniger schmerzbedingter Leidensdruck, mehr Empathie und Mitgefühl sowie ganz allgemein mehr Gelassenheit und Lebensfreude. Die Wirksamkeit bei chronischen Schmerzen wurde in zahlreichen Studien untersucht. Aktuellen Metaanalysen zufolge lindert MBSR nicht unbedingt die Schmerzintensität (uneinheitliche Datenlage), sehr wohl jedoch die Schmerzakzeptanz, Depressionen und Behandlungsängste. Interessierte Patienten kann man auf die Internetseite www.mbsr-verband.org verweisen.
Migräne-Prophylaxe in der Praxis
Mit den Antikörpern, die an das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) bzw. dessen Rezeptor binden, stehen erstmals Substanzen zur Verfügung, die gezielt zur Prophylaxe von Migräne entwickelt wurden. In Studien zeigten die CGRP-Antikörper Galcanezumab und Fremanezumab sowie der CGRP-Rezeptor-Antikörper Erenumab vergleichbare Wirksamkeit. In der Praxis sprechen manche Patienten sehr gut auf diese Therapeutika an, andere gar nicht. An Nebenwirkungen kommen neben Obstipation insbesondere Reaktionen an der Injektionsstelle vor. Vor dem Einsatz der Antikörper sollte ein dokumentiertes Therapieversagen oder Nicht-Ansprechen der gängigen Prophylaktika vorliegen. Bei guter Wirksamkeit ist nach sechs bis neun Monaten ein Auslassversuch angeraten.