Über zwei Milliarden Euro geben wir hierzulande jährlich für Vitamine, Mineralstoffe und Co. aus – und die Tendenz ist steigend. Die Versprechungen reichen von “keine Erkältung mehr” über “mehr Schönheit” bis hin zu “Krebs vorbeugen”. Wann macht eine Supplementierung Sinn – und wann nicht?
Keine “Nahrungsersatzmittel”
Deutschland ist kein Vitaminmangelland. Einige gute Untersuchungen zeigen, dass hierzulande bei der Mehrzahl der Vitamine die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr im Mittel erreicht werden. Dennoch sind Nahrungsergänzungsmittel sehr beliebt. Der Markt für Vitamine und Eisenpräparate ist groß und ein florierendes Geschäft.
Immerhin setzt sich mittlerweile die Erkenntnis durch, dass gesunde Menschen mit einer vollwertigen und ausgewogen Ernährung eigentlich alles haben, was sie benötigen. Denn eine gesunde und ausgewogene Ernährung liefert dem gesunden Erwachsenen in der Regel genug Vitamine und weitere wichtige Nährstoffe.
Außerdem konnten Studien bisher nicht zeigen, dass Nahrungsergänzungsmittel die Folgen eines nicht so günstigen Essverhaltens ausgleichen können. Fakt ist also: Nahrungsergänzungsmittel sind keine Nahrungsersatzmittel. Die Ernährungsfehler der letzten Jahre lassen sich nicht einfach durch die Einnahme von verschiedenen Pillen kompensieren.
Zuerst Blutwerte bestimmen!
Jeder kennt Patienten mit Symptomen wie Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Schwindel. Diese sind nicht immer auf einen Eisen- oder Vitamin-B12-Mangel zurückzuführen. Möglich ist es natürlich, aber vor einer Therapie sollte erst eine Blutuntersuchung erfolgen.
Denn die Einnahme von Supplementen kann auch gesundheitsschädliche Nebenwirkungen haben. Gerade die fettlöslichen Vitamine A, D, E, K (merke: “EDEKA”) sollten nicht überdosiert werden. Es gilt wie so oft: Gib das hinzu, was fehlt – und nicht das, was fehlen könnte.
Unseriöse Nahrungsergänzungsmittel erkennt man an übertriebenen Versprechen, was ihre Wirkung angeht. Außerdem an spezifischen Indikationen wie Krebs, Arthrose oder Übergewicht. Fehlen weiterhin die genauen Zusammensetzungen, sollten wir unseren Patienten davon abraten.
Supplementation bei Risikogruppen
Die Indikation zur Verordnung bzw. Einnahme von Supplementen gibt es für einzelne Risikogruppen innerhalb der Bevölkerung. Schwerstkranke Patienten in den Kliniken oder in Intensivpflegeeinrichtungen benötigen oft die zusätzliche Gabe von Mineralstoffen, Vitaminen und Spurenelementen.
Auch Patienten nach einem chirurgischen Eingriff zum Beispiel am Magen (ob wegen eines Tumors oder zur Gewichtsreduktion) sind hier besonders gefährdet. Patienten mit ausgedehnten Darmoperationen können ein Kurzdarmsyndrom entwickeln und benötigen so zusätzliche Substanzen.
Auch Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen brauchen häufig eine Substitution zum Beispiel mit Vitamin B12, Vitamin D und Kalzium.
Schwangere und Stillende gehören ebenfalls zu den Personengruppen mit erhöhtem Nährstoffbedarf, die gegebenenfalls Eisen und Jod supplementieren sollten. Frauen, welche schwanger werden wollen oder könnten, sollten täglich Folsäure ergänzen. Für Säuglinge wird die Vitamin-K-Gabe nach der Geburt und im ersten Lebensjahr Vitamin D und Fluorid empfohlen.
Ein Vitamin-D-Präparat wird Menschen angeraten, die sich bei Sonnenschein nicht oder kaum im Freien aufhalten. Die Vitaminzufuhr ist in den Wintermonaten wichtiger als im Sommer, da wir das Vitamin-D-Hormon auch selbst produzieren können. Hier können wir unsere Patienten mit einer Ernährungsberatung unterstützen, denn Vitamin D finden wir unter anderem in Champignons, Scholle oder Lachs.
Ein Extrem stellen Hochleistungssportler dar: Diese können ihren Nährstoffbedarf über eine sportgerechte, individuell angepasste Ernährung zwar decken. Es gibt in Abhängigkeit von Geschlecht, Trainingsphase, Jahreszeit, Sportart und Wettkampfbelastung allerdings Situationen, in denen eine spezifische Einnahme von Supplementen sinnvoll sein kann. Die Auswahl eines Präparats sollte aus einer risikoarmen Quelle erfolgen (zum Beispiel Rote Liste, Kölner Liste).
Fazit
Eine generelle Bewertung des Nutzens von Nahrungssupplementen ist aktuell nicht möglich. Es gibt Indikationen für eine Supplementation – aber bitte nicht den Teller Obst durch ein Sammelsurium von Pillen ersetzen lassen!
Interessenkonflikte zum Artikel: keine
Literatur beim Verfasser