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Kompetenzzentrum Weiterbildung AllgemeinmedizinKraftakt für eine starke Weiterbildung

Jüngst ist in Brandenburg das Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin neu gestartet – mit Hausärztin Dr. Karin Harre an der Spitze. Dass das ein Garant sein kann, um mehr Hausärztinnen und Hausärzte für die Versorgung zu gewinnen, zeigt ein Blick in andere Regionen. Die Geschichte eines Erfolgsmodells.

Um Junge für die Versorgung zu gewinnen, sind Menschen gefragt, die den Nachwuchs für die Hausarztmedizin begeistern.

Wie wichtig Vorbilder für die Allgemeinmedizin sind, weiß Dr. Karin Harre genau. “Um mehr junge Hausärztinnen und Hausärzte für die Versorgung zu gewinnen, brauchen wir auch Menschen, die den Nachwuchs für die Hausarztmedizin begeistern.”

Dr. Karin Harre ist selbst in einer Gemeinschaftspraxis im 800-Seelen-Ort Walsleben niedergelassen, sie ist Vorsitzende des Hausärzteverbandes Brandenburg, jüngst für ihren Einsatz in der Lehre ausgezeichnet worden – und Leiterin des neu gegründeten Kompetenzzentrums Weiterbildung Allgemeinmedizin Brandenburg.

Jetzt flächendeckend Angebote

Das an der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB) angesiedelte Kompetenzzentrum schließt eine letzte Lücke auf der Landkarte der allgemeinmedizinischen Weiterbildung in Deutschland: Nun haben Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (ÄiW) flächendeckend eine Anlaufstelle mit zusätzlichen didaktischen und fachlichen Fortbildungs- und Mentoring-Angeboten – sowohl für sich selbst als auch für ihre Weiterbilder.

Paragraf 75a SGB V sieht diese Form der Weiterbildungsförderung explizit vor. Seit 1. Januar 2017 werden Kompetenzzentren auf dieser gesetzlichen Grundlage gefördert, und bereits in den ersten zwölf Monaten haben 14 Kassenärztliche Vereinigungen (KV) davon Gebrauch gemacht.

Zuvor waren, basierend auf den Erfahrungen des ersten, schon 2007 gestarteten Vorreiters Baden-Württemberg [1], ohne den entsprechenden Paragrafen bereits Zentren in Bayern und Hessen entstanden.

Ziel der Kompetenzzentren Weiterbildung (KW) ist per Gesetz, die Qualität und Effizienz der Weiterbildung zu verbessern. Sie sind in der Regel an einer Uni angedockt, die Kosten tragen zu 45 Prozent die KVen und zu 55 Prozent die Kassen.

Rund 2.600 ÄiW haben 2021 regelmäßig an ihren Seminaren teilgenommen, 2018 waren es noch 1.800 [2]. Stand heute sind – inklusive Brandenburg – 15 Zentren aktiv. Nur in Sachsen-Anhalt und Bremen gibt es Begleitprogramme für ÄiW, die nicht nach Paragraf 75a gefördert sind.

Tipp: In Bremen kooperiert der Hausärzteverband mit dem KW Niedersachsen: Er übernimmt für interessierte ÄiW die Einschreibekosten in Höhe von 35 Euro.

“Alle KW bieten ein umfangreiches, wissenschaftlich fundiertes und zugleich praxisorientiertes Seminarprogramm und ein begleitendes Einzel- oder Gruppen-Mentoring”, erklärt Prof. Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Uni Frankfurt und “Vater” des bereits 2013 gegründeten Kompetenzzentrums in Hessen, die Idee.

“In Train-the-Trainer- Programmen werden auch die Weiterbildenden gezielt auf ihre Aufgabe vorbereitet.”

Praxisrelevante Inhalte

In Brandenburg hatte man vor zwei Jahren schon einmal einen Versuch gestartet, der allerdings erfolglos blieb. Nun leitet Dr. Karin Harre den Neustart. Sie sieht einen bedeutenden Vorteil darin, dass sie als “Praktikerin” einen Fuß in der Tür hat. “So können wir wirklich sicherstellen, dass die Inhalte praxisrelevant sind.” Dass sie auch in KV und Landesärztekammer aktiv ist, helfe in der Umsetzung.

Elf ÄiW waren nur einen Monat nach dem Start im jüngsten Kompetenzzentrum angemeldet – bei bislang nur 48 Absolventen im Jahr. Mit der steigenden Absolventenzahl an der erst 2014 gegründeten MHB – und zusätzlichen geplanten Studienplätzen in Cottbus – will Harre “ihr” Kompetenzzentrum in die Fläche tragen.

Außerdem sollen die ÄiW angesprochen werden, die in anderen Bundesländern studiert haben, aber jetzt die Weiterbildung in Brandenburg machen – immerhin insgesamt 170. Bei Präsenzveranstaltungen wie dem Hausärztetag in Neuruppin Anfang Juni soll gezielt die Werbetrommel gerührt werden.

Dass sie dabei nicht von null startet, empfindet sie als hilfreich: Die Erfahrungen aus anderen Regionen, auch zur Bekanntmachung des Angebots, könnten teils übernommen werden.

Vernetzung als Kerngedanke

In der Tat leben die Kompetenzzentren stark vom Vernetzungsgedanken – sowohl in ihrem Angebot als auch untereinander, unterstreicht Dr. Ralf Jendyk. Der Facharzt für Allgemeinmedizin ist Sprecher des Deutschen Netzwerks der Kompetenzzentren in der Weiterbildung (DNKW) .

“Wir verstehen uns als eine Art Austauschplattform”, sagt er. Sprich: Nicht jede Region muss jede Erfahrung selber machen. Mindestens zweimal im Jahr trommelt Jendyk dafür alle KW zusammen, um sich auszutauschen.

Ein Thema, das die Runde aktuell umtreibt: wie der Bekanntheitsgrad weiter gesteigert werden kann, vor allem im stationären Bereich. “Bei den Praxen haben wir mittlerweile einen hohen Durchdringungsgrad. In den Kliniken erreichen wir hingegen nach wie vor zu wenige”, beobachtet Prof. Jost Steinhäuser, Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin in Lübeck.

Und auch Koordinator Jendyk weiß aus Erhebungen: “Der häufigste Grund, dass die Angebote der Kompetenzzentren nicht genutzt werden, ist, nicht davon zu wissen.”

Dass das verschenktes Potenzial ist, zeigt ein Blick auf erste Zahlen.

Facharztanerkennungen steigen

Prof. Ferdinand Gerlach sieht zehn Jahre nach dem Start in Hessen messbare Erfolge: “Hatten in Hessen 2013 landesweit nur 74 Ärztinnen und Ärzte einen Abschluss im Fach Allgemeinmedizin erworben, konnte die Zahl innerhalb von nur sieben Jahren bis 2020 mit dann 151 verdoppelt werden”, unterstreicht er (siehe Abbildung unten).

Auch in Schleswig-Holstein haben sich die jährlichen Facharztanerkennungen in Allgemeinmedizin von 56 in 2017 auf 65 in 2021 erhöht [3]. Was “sein” Zentrum als Vorbild so interessant macht: In absoluten Zahlen ist es zwar “nur” das drittgrößte in Deutschland. “Prozentual erreichen wir im Vergleich allerdings die meisten ÄiW”, so Steinhäuser. Zum Start 2016 waren 59 beim KW angemeldet, 2021 waren es 279 [3].

Zwar sind sich alle Beteiligten einig, dass die Lorbeeren der steigenden Facharztanerkennungen in der Allgemeinmedizin nicht allein den KW gebühren. Vielmehr sei dies ein “multifaktorielles Geschehen”, meint Jendyk. So habe die Allgemeinmedizin etwa auch im Studium an Gewicht gewonnen.

Nichtsdestotrotz: “Alle Beteiligten gehen davon aus, dass diese positive Entwicklung ohne die KW nicht möglich gewesen wäre oder maßgeblich darauf zurückzuführen ist”, sagt Gerlach. Belegt werde dies auch durch die guten bis sehr guten Evaluationsergebnisse [4].

Positiver Einfluss auf Identität

Dass die seit 2017 geförderten Kompetenzzentren positiv wirken, unterstreicht darüber hinaus auch das IGES Institut. “Sie unterstützen angehende Fachärzte für Allgemeinmedizin, sich optimal auf die Facharztprüfung vorzubereiten, und sie verbessern die Qualität der praktischen Weiterbildung”, so das Ergebnis einer im März 2022 veröffentlichten Online-Befragung von 640 ÄiW [5].

Drei von vier ÄiW gaben demnach an, “dass die Kompetenzzentren einen positiven Einfluss auf ihre zukünftige Identität als Hausärzte haben”. Unter dem Strich fühlten sich 82 Prozent der ÄiW, die sowohl das Seminar- als auch das Mentoringangebot genutzt haben, in ihrer Entscheidung, hausärztlich tätig werden zu wollen, bestärkt [5].

Hausärzte finden ihre “Peer Group”

Für Steinhäuser ist die Vernetzung der ÄiW untereinander besonders wichtig. Das sei ein zusätzliches, nicht zu unterschätzendes “Pfund”, welches von den KW ausgehe: Die angehenden Hausärztinnen und Hausärzte fänden durch die Angebote Kontakt zu ihrer sogenannten “Peer Group”: Gleichaltrige, die sich gegenseitig in ihrem Weg bestärken.

Dass dieses Gefühl der Gruppenzugehörigkeit die Motivation für den Hausarztberuf stärkt, hat Steinhäuser in einer Befragung von 353 ÄiW zeigen können [6].

Dr. Jens Lassen hat diese Erfahrung am eigenen Leib gemacht. Er war einer der ersten Teilnehmer in Schleswig-Holstein. “Das Kompetenzzentrum hat seine Aufgabe in meiner Weiterbildung voll erfüllt. Es gab neben den fachlichen Inhalten immer guten Austausch unter den jungen Kolleginnen und Kollegen”, erinnert er sich.

Dies führe nicht zuletzt dazu, dass sich kollegiale Strukturen in der Allgemeinmedizin stärkten. Heute ist Dr. Jens Lassen als Hausarzt in einer großen Teampraxis in Leck tätig, ist Vorsitzender des Hausärzteverbandes Schleswig-Holstein –und als Weiterbilder selbst Vorbild für angehende Hausärzte.

Fazit

  • Mit Brandenburg existieren nun 15 nach Paragraf 75a SGB V geförderte Kompetenzzentren Weiterbildung Allgemeinmedizin.
  • Sie bieten ÄiW ein praxisnahes Seminarprogramm und ein begleitendes Einzel- oder Gruppen-Mentoring sowie Train-the-Trainer-Programme für Weiterbilderinnen und Weiterbilder.
  • Kontaktadressen aller Zentren unter www.hausarzt.link/fLc1t
  • Die positive Wirkung der seit 2017 geförderten Zentren zeigt sich unter anderem in der Zahl allgemeinmedizinischer Facharztanerkennungen: Sie stieg um 34 Prozent von 1.337 im Jahr 2015 auf 1.797 im Jahr 2021.

Literatur:

1. Steinhäuser, Jost et al.: “Bericht aus der Praxis: Das Programm Verbundweiterbildung plus des Kompetenzzentrums Allgemeinmedizin Baden-Württemberg – Entwicklung, Umsetzung und Perspektiven”, Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ), doi: 10.1016/j.zefq.2011.02.002

2. Evaluation der Weiterbildungsförderung gemäß § 75a SGB V – Bericht 2021, S. 21, https://www.kbv.de/media/sp/Weiterbildungsfoerderung_Evaluationsbericht_2021.pdf

3. Steinhäuser, Jost: „Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin – eine Zwischenbilanz“, in: NORDLICHT NR. 11 | 2022, https://www.kvsh.de/fileadmin/user_upload/dokumente/Presse/Nordlicht/Nordlicht_22/Nordlicht_11_2022_web_neu.pdf

4. Evaluation der Weiterbildungsförderung gemäß § 75a SGB V – Bericht 2021, S. 134, https://www.kbv.de/media/sp/Weiterbildungsfoerderung_Evaluationsbericht_2021.pdf

5. IGES: „Standortübergreifende, wissenschaftliche Evaluation der gemäß § 75a SGB V geförderten Kompetenzzentren Weiterbildung“, https://www.kbv.de/media/sp/2022-02-14_Abschlussbericht_Gesamtevaluation_Kompetenzzentren_Weiterbildung.pdf

6. Steinhäuser, Jost et al.: „Determinanten der Teilnahme an Seminartagen eines Weiterbildungsprogramms: eine qualitative Studie mit Ärztinnen/Ärzten in Weiterbildung Allgemeinmedizin“, Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) 163 (2021) 57–65, https://doi.org/10.1016/j.zefq.2021.04.002

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