Präoperatives Gerinnungsmanagement
Bei Patienten mit einer NOAK-Therapie ist in der Regel eine perioperative Pausierung mit einem NMH-Bridging nicht mehr erforderlich. Auch für VKA wird nur noch in Fällen mit einem sehr hohen thrombotischen Risiko eine Empfehlung zum Bridging ausgesprochen.
“Dies ist aber noch immer nicht gelebter Alltag in vielen chirurgischen Klinken”, so Prof. Dr. Stephan Schirmer, Kaiserslautern. Im Falle einer Indikation zum Bridging (z.B. bei einer mechanischen Klappe mit einem hohem thrombotischen Risiko bei gleichzeitig bestehendem Vorhofflimmern) sollte Phenprocoumon ca. sieben Tage vor dem Eingriff abgesetzt werden, wobei ab Tag drei das Bridging mit unfraktioniertem oder niedermolekularem Heparin beginnt.
Dabei hat das NMH das UFH wegen des geringeren Risikos einer Thrombozytopenie, der einfacheren Handhabung und der Möglichkeit der ambulanten Anwendung weitgehend verdrängt. Postoperativ sollte früh, d.h. 12 -24 Stunden nach der OP die VKA-Gabe wieder begonnen werden. Bei einem INR > 2 kann das Bridging mit Heparin wieder beendet werden.
Hämophilie A: Heilung durch Gentherapie
Die Hämophilie A ist die häufigste vererbte Gerinnungsstörung. Sie wird X-chromosomal rezessiv vererbt und betrifft somit nur Männer mit einer Inzidenz von 1 auf 5.000 Geburten. In Deutschland sind ca. 4.000 Patienten betroffen.
Die Symptome variieren in Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung, d.h. das Blutungsrisiko korreliert mit der FVIII-Aktivität. Gefürchtet sind vor allem Gelenkblutungen, die zu einer Hämarthrose führen können.
Die Therapie der Hämophilie ist eine große Erfolgsgeschichte. Doch die FVIII-Substitution ist mit einer Reihe von Problemen assoziiert. So kommt es auch bei Patienten mit regelmäßiger Prophylaxe nicht selten zu einem Fortschreiten der Arthropathie. Ein weiteres Problem sind Inhibitoren, die die klinische Wirksamkeit von exogenem FVIII inaktivieren
“Die Hämophilie ist ein ideales Ziel für die Gentherapie, da es sich um eine monogene Erkrankung handelt”, so Prof. Dr. Wolfgang Miesbach, Frankfurt a.M. Mit Valoctogogen roxaparvovec (Roctavian®) wurde jetzt die erste Gentherapie für die Behandlung der Hämophilie A zugelassen.
Dabei wird das Gen des humanen FVIII mit Hilfe eines rekombinanten AAV5-Vektors in Hepatozyten eingeschleust, was eine endogene FVIII-Produktion ermöglicht. Zugelassen ist die Substanz für Patienten über 18 Jahre mit einer schweren Hämophilie A ohne nachweisbare Antikörper gegen den AAV5-Vektor und ohne Inhibitoren in der Vorgeschichte.
Die Zulassung basiert auf den Studien BMN 270-201 und BMN 270.301 (GENEr8-1). Bei der BMN 270-201, in die fünf Patienten eingeschlossen wurden, handelt es sich um eine Phase 1/2 Dosisfindungsstudie. In der 6 x 1013 vg/kg-Kohorte konnte über sechs Jahre ein Mittelwert für die FVIII-Aktivität von 17,0 IU/dl erreicht werden.
Es zeigte sich ein anhaltender Rückgang der behandelten Blutungen nach fünf bis sechs Jahren Nachbeobachtungszeit. Im Vergleich zur Vorbehandlung fand sich ein anhaltender Rückgang der mittleren ABR um 95 Prozent auf 0,8 Blutungen pro Jahr. Alle Teilnehmer kamen ohne FVIII-Prophylaxe aus. Die mittlere annualisierte FVIII-Infusionsrate lag bei 5,0 Infusionen pro Jahr, das entspricht einem Rückgang um 96 Prozent.
In die BMN 270-301 (GENEr8-1)-Studie wurden 134 Patienten mit einer schweren Hämophilie aufgenommen. Nach einem Jahr lag der Mittelwert für die FVIII-Aktivität bei 42,9 Prozent, nach zwei Jahren bei 23 Prozent und am Ende des dritten Jahres bei 16,8 Prozent.
Was die Sicherheit betrifft, so wurden keine FVIII-Inhibitoren, Malignome oder thromboembolische Ereignisse dokumentiert. In wenigen Fällen wurden Infusionsreaktionen beobachtet.
Krebs-assoziierte venöse Thromboembolie: NMH oder NOAK?
Thromboembolische Ereignisse (VTE) sind eine häufige und zugleich gefürchtete Komplikation bei Tumorpatienten. Betroffen sind ca. 20 Prozent aller Patienten mit einem Malignom und 20 Prozent aller Tumorpatienten entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung ein VTE.
“Charakteristisch für die Krebs-assoziierte VTE sind das hohe Rezidiv- und Blutungsrisiko”, erläuterte Prof. Dr. Cihan Ay, Wien. So beträgt die Rezidivrate nach einem Jahr bei Nicht-Tumor-Patienten 6,8 Prozent im Vergleich zu 20,7 Prozent bei Tumorpatienten.
Die Häufigkeit von schweren Blutungen steigt von 4,9 Prozent bei Nicht-Tumor-Patienten auf 12,4 Prozent bei Malignom-Patienten. Die Inzidenz der krebsassoziierten VTE hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, was der Einführung neuer antitumoraler Wirkstoffe geschuldet sein dürfte. In einer klinischen Studie betrug die VTE-Inzidenz bei Patienten unter einer Immuntherapie 12,9 Prozent.
Die Standardtherapie war lange Zeit ein niedermolekulares Heparin (NMH) über 12 Monate. Doch diese Behandlung ist wegen der Notwendigkeit der Injektion bei Patienten sehr unbeliebt, was sich auf die Adhärenz negativ auswirkt. Nach 12 Monaten wird das NMH nur noch von 21 Prozent der Patienten gespritzt. Da bieten NOAKs wie Apixaban wesentliche Vorteile. Die Leitlinien empfehlen daher vorrangig die Gabe eines NOAK.
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Apixaban wurde im Rahmen der prospektiven und randomisierten CARAVAGGIO-Studie bei 1.170 Patienten mit einer Krebs-assoziierten VTE untersucht und zwar im Vergleich mit dem NMH Dalteparin.
Nach 12 Monaten konnte die Rezidivrate mit Apixaban um 37 Prozent gesenkt werden bei einer vergleichbaren Zahl an schweren Blutungen.
Vorausgegangene Studien mit Rivaroxaban (SELECT-D-Studie) und Edoxaban (Hokusai VTE Cancer-Studie) hatten zwar im Hinblick auf die bessere Effektivität vergleichbare Ergebnisse gezeigt, allerdings bei einem erhöhten Blutungsrisiko.
Auch fand sich in dieser Studie kein erhöhtes gastrointestinales Blutungsrisiko auch nicht bei endoluminalen Tumoren und der Vorteil von Apixaban war unabhängig davon, ob die Tumore reseziert bzw. wo sie lokalisiert waren.
Der Benefit von Apixaban zeigte sich auch bei urogenitalen Tumoren und war unabhängig davon, ob eine systemische Tumortherapie durchgeführt wurde. Gleiches gilt für die Nierenfunktion.