Mehr Antibiotikaverordnungen, mehr Klinikeinweisungen
Ob Patienten mit akutem Atemwegsinfekt ein Antibiotikum erhalten, spielt im Einzelfall für das Risiko einer Klinikeinweisung keine Rolle. Hingegen steigt das Hospitalisierungsrisiko um 23 Prozent, wenn der Arzt insgesamt häufig Antibiotika verordnet, also eine hohe Verordnungsrate aufweist, kommentierte Dr. Anja Wollny vom Institut für Allgemeinmedizin der Uni Rostock die CHANGE-2-Studie.
Diese hatte untersucht, welche Prädiktoren eine Hospitalisierung von Erwachsenen mit Atemwegsinfekten vorhersagen können. Ausgewertet wurden 3.916 Konsultationen bei 105 Hausärzten. Die Patienten wurden 42 Tage nach der Erstkonsultation nachbeobachtet. Insgesamt traten 81 Hospitalisierungen auf, wobei dazu sowohl die Einweisung durch Ärzte als auch durch den Patienten selbst zählte. Neben der Antibiotikaverordnungsrate des Arztes fanden die Forscher drei Faktoren, die eine Hospitalisierung wahrscheinlicher machen:
- Wenn Ärzte die Verdachtsdiagnose “Bronchitis” stellten, besitzen Patienten ein 94 Prozent erhöhtes Risiko, hospitalisiert zu werden.
- Schätzten Ärzte den Verlauf als mäßig schwer bis schwer ein, stieg das Risiko um 72 Prozent.
- Ebenso nahm das Risiko mit steigendem Alter zu (47 Prozent).
Patienten in Gemeinschaftspraxen mussten deutlich seltener ins Krankenhaus verglichen mit Einzelpraxen. Warum dies so ist, gibt den Forschern noch Fragen auf.
Quelle: Wollny A et al. Prediktoren für die Hospitalisierung von erwachsenen Patienten mit akutem Atemwegsinfekt – Ergebnisse der CHANGE-2 Baselinedaten
Landärzte vielseitiger als Stadtärzte
Landärzte arbeiten vielseitiger als Hausärzte in Städten. Sie behandelten häufiger Patienten mit Beratungsanlässen, die auch verschiedene Spezialisten betreuten, sagte Dr. Ingmar Schäfer vom Institut für Allgemeinmedizin am UKE. Er befragte 211 Hausärzte in und um Hamburg. 66 arbeiteten auf dem Land, 74 im “Umland” und 71 in Städten.
Bei Landärzten dominieren klassisch-somatische Beschwerden des Bewegungsapparats, der Augen und Ohren, chronische Wunden, unruhige Kinder sowie Fragen zur Familienplanung. Öfter als Stadtärzte bieten sie Blut- und Urinuntersuchungen, Injektionen und Hausbesuche an. Hingegen suchen Patienten in der Stadt Hausärzte häufiger für Beratungen und präventive Angebote auf. Dazu zählen Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Infekte der Atemwege und soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit.
Öfter als auf dem Land leisten sie Lebensberatung, psychosomatische Grundversorgung und den Check-up 35. Die Unterschiede erklären sich wohl durch eine andere Bevölkerungsstruktur, das Patientenverhalten und das Versorgungsangebot. “Dies scheinen Hausärzte mit Weiterbildungen und Zusatzqualifikationen auszugleichen”, vermutet Schäfer.
Quelle: Schäfer I, Lühmann D, Scherer M. Regionale Unterschiede im hausärztlichen Tätigkeitsspektrum. Ergebnisse der querschnittlichen Beobachtungsstudie “Ambulante Versorgungsforschung Nord (AVFN)”
“Hyperurikämie ist nicht gleich Hyperurikämie”
“Ärzte sollten mit Harnsäure-Grenzwerten der Labore kritisch umgehen”, rät Dr. Bettina Engel von der Abteilung für Allgemeinmedizin der Uni Oldenburg. Denn es gebe keinen Normwert, der einheitlich als Referenz für eine Erhöhung der Harnsäure herangezogen wird.
Sie stellte eine Literaturrecherche vor, aus der sie sechs Grenzwerte ermittelte – von unter 5 bis über 8 mg/dl. Zudem verwendet die Hälfte der Studien für Männer und Frauen die gleichen Grenzwerte. Die “häufigste Kombination ist für Frauen ein Harnsäurewert von 6 und für Männer von 7 mg/dl”, so Engel. Unklar bleibe oft, warum welcher Grenzwert gewählt wurde.
“Hyperurikämie ist also nicht gleich Hyperurikämie.” In der Praxis könnten die diversen Grenzwerte Über- oder Unterdiagnostik begünstigen, meint sie. Weitere Studien seien daher nötig, um die Grenzwerte für Männer und Frauen einheitlich zu definieren.
Quelle: Engel B et al. Grenzwerte der Serumharnsäure: Eine Frage des Standpunktes?