Studien zeigen, dass bei Patienten im primärärztlichen Bereich die Wahrscheinlichkeit für eine Besiedelung mit resistenten Bakterien erhöht wird, je häufiger und länger sie zuvor antibiotisch behandelt wurden. Dieser Effekt ist bis zu zwölf Monate nach Einnahme von Antibiotika nachweisbar. Grundsätzlich kann sich jede Antibiotikagabe auf die Resistenzentwicklung auswirken. Auch vor diesem Hintergrund sagt Oltrogge: “Es wird zu oft entschieden Antibiotika zu verabreichen, obwohl das eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre.” Als Hausarzt steht man hier nicht zuletzt vor der Abwägung des patientenbezogenen Nutzens versus den gesamtgesellschaftlichen Nutzen im Sinne der Vermeidung von Resistenzen.
Auch die Dauer der Antibiotikagabe gilt es zu überdenken. Es sei in der Regel nicht notwendig die gesamte Packung aufzubrauchen; die Einnahme könne bei den gängigen, in der Allgemeinmedizin behandelten Infektionen zeitnah nach Besserung der Symptome beendet werden, so Oltrogge. “Hier kündigt sich ein Paradigmenwechsel in der Medizin an.” Er empfiehlt, Antibiotika bei Infektionen wie Tonsillitis oder Sinusitis sowie einer leichten Pneumonie ohne Vorliegen von Komorbiditäten “so kurz wie möglich” zu geben. Bei einer Mandelentzündung könne man zum Beispiel direkt mit der Antibiotika-Behandlung aufhören, wenn die Schmerzen nachließen – wenn man es denn überhaupt verschreibt. “Eine Mandelentzündung bei einem Patienten in Deutschland ist selbstlimitierend und würde bei Patienten ohne RED FLAGS auch ohne ein Antibiotikum komplikationslos ausheilen.” Natürlich könne das Medikament in bestimmten Fällen sinnvoll sein. Bei multimorbiden oder immunsupprimierten Patienten
“Delayed prescription” anbieten
Dass eine gewisse Zurückhaltung im Einsatz von Antibiotika geraten ist, ist keine neue Erkenntnis. Trotzdem ändere sich die Verschreibungspraxis mancher ambulant behandelnden Ärzte kaum, weil sie immer noch Sorge vor Komplikationen hätten, so Oltrogge. Aktuellen Daten zufolge ist das Risiko für die Entwicklung, zum Beispiel einer Mittelohrentzündung, in Folge einer Mandelentzündung aber äußerst gering. “Es gab in den vergangenen Jahren viele belastbare Studien dazu, dass bei einer unbehandelten Tonsillitis und Sinusitis die Rate an Komplikationen sehr gering ist. Man macht also in diesen Fällen ohne Antibiotika nichts falsch und schadet dem Patienten nicht.” In Deutschland ist die Wahrscheinlichkeit für rheumatologische Komplikationen einer Angina tonsillaris ebenfalls extrem gering und allenfalls bei Risikogruppen zu berücksichtigen.