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UkraineAlles Wichtige zur medizinischen Versorgung von Geflüchteten

Viele Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, sind gesundheitlich angeschlagen – nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. „Der Hausarzt“ gibt Tipps, worauf bei der medizinischen Versorgung zu achten ist.

Viele Kinder, die mit ihren Eltern aus der Ukraine geflohen sind, leiden an posttraumatischen Belastungsstörungen.

München. Alle Geflüchteten aus der Ukraine haben nach ihrer Ankunft in Deutschland gemäß Asylbewerberleistungsgesetz Anspruch auf eine kostenlose medizinische Versorgung.

Für die Behandlung wird ein Behandlungsschein benötigt. Ausgenommen sind akute Notfälle, diese werden über den “Abrechnungsschein für den ärztlichen Notdienst” abgerechnet. Notwendig ist dann lediglich ein gemeldeter Aufenthaltsort oder die Unterbringung in einer örtlichen Einrichtung.

Behandlungsschein oder elektronische Gesundheitskarte

Der Behandlungsschein wird in der Regel vom örtlichen Sozialamt ausgestellt. In einigen Bundesländern gibt es aber auch Vereinbarungen mit Krankenkassen zur Übernahme der Behandlung („Der Hausarzt“ berichtete). Damit können geflüchtete Menschen nach Anmeldung durch die Kommune oder das örtliche Sozialamt von der beauftragten Krankenkasse eine elektronische Gesundheitskarte erhalten, mit der sie – wie gesetzlich Krankenversicherte – medizinische Leistungen in Anspruch nehmen können.

Menschen aus der Ukraine sollen laut Bundesgesundheitsministerium zudem in naher Zukunft einen regulären Leistungsanspruch analog der GKV-Leistungen erhalten.

Kann ein Dolmetscher hinzugezogen werden?

Das Hinzuziehen eines Dolmetschers zur Behandlung zählt zunächst nicht als Gesundheitsleistung und wird daher auch nicht generell erstattet. Es kann aber bei der Behörde beantragt werden. Das Vorgehen ist hier regional unterschiedlich und ein möglicher gesetzlicher Anspruch richtet sich auch nach dem Aufenthaltsstatus. So wird ein Dolmetscher in der Regel gezahlt, wenn eine Psychotherapie nach Asylbewerberleistungsgesetz in den ersten 15 Monaten des Aufenthalts gewährt wird.

Eine schnellere Alternative für den Praxisalltag ist, die Geflüchteten an ukrainisch oder russisch sprechende Ärztinnen und Ärzte zu überweisen. Bei manchen Kassenärztlichen Vereinigungen wie der KVB sind solche Daten hinterlegt. Alternativ gibt es in manchen Gemeinden Dolmetscherinitiativen oder es können sprachkundige Freunde oder Bekannte des Patienten zur Behandlung als Übersetzer dazu gebeten werden. Mitunter können auch Bildwörterbücher (beispielsweise von der Apotheken Umschau) als erstes Hilfsmittel dienen.

Impfungen: Prioritär sind Covid-, MMR- und Tdap-IPV-Vakzine

Nach Verlassen der Notunterkünfte, wo in der Regel eine medizinische Erstversorgung durchgeführt wird, sollten ausstehende Impfungen dringend von niedergelassenen Ärzten durchgeführt werden.

Grundsätzlich empfiehlt das Robert Koch-Institut (RKI): Bei fehlender Dokumentation oder Unklarheit über den Impfstatus gelten die Personen als ungeimpft und eine neue Impfserie sollte begonnen werden. Prioritär sollten Geflüchtete dann zunächst die Covid-, MMR-Impfung sowie (je nach Alter) die DTaP-IPV-Hib-HBV-Vakzine (ab 2 Monaten bis unter fünf Jahre) beziehungsweise die Tdap-IPV-Vakzine (ab fünf Jahren) erhalten (in dieser Reihenfolge).

Bezüglich der Covid-Impfung (Zur Erinnerung: Die STIKO empfiehlt die Covid-Impfung ab zwölf Jahren, bei Vorerkrankungen ab fünf Jahren) rät das RKI:

  • Menschen, die zuvor mit einer nicht in der EU zugelassenen Covid-Vakzine vollständig geimpft wurden, sollten eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs im Abstand von wenigstens drei Monaten zur vorangegangenen Impfung erhalten. Das gilt auch bei bereits geboosterten Personen oder bei durchgemachter Infektion nach Grundimmunisierung.
  • Bei Personen, die keine vollständige Grundimmunisierung erhalten haben, sollte eine neue Impfserie mit einer in der EU zugelassenen Vakzine begonnen werden, und zwar in einem Mindestabstand von 28 Tagen zur vorangegangenen Covid-Impfung.

Diese Empfehlung bezieht sich unter anderem auf den russischen Impfstoff Sputnik V, der in der Ukraine häufig verimpft wurde, sowie die ebenfalls häufig verabreichte chinesische Vakzine Covilo von Sinopharm. Das RKI weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass die Vakzine Covishield dem in der EU zugelassenen Impfstoff von AstraZeneca entspricht, die Vakzine Covovax dem ebenfalls in der EU zugelassenen Impfstoff des Herstellers Novavax.

Da das Ansteckungsrisiko mit Covid höher ist als das Risiko, sich mit dem Masern-Virus zu infizieren, sollten Geflüchtete erst nach der Covid-Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) geimpft werden. Dabei muss beachtet werden: Da es sich bei der MMR-Vakzine um einen Lebendimpfstoff handelt, sollten Covid- und MMR-Impfung nicht gleichzeitig verabreicht werden, sondern ein Abstand von 14 Tagen eingehalten werden. Dabei kann 14 Tage nach der 1. Covid-Impfung die 1. Masernimpfung erfolgen. Die 2. Covid-Impfung kann dann im Abstand von wiederum 14 Tagen und die 2. Masernimpfung 14 Tage nach der 2. Covid-Impfung gegeben werden.

  • Die Masernimpfung wird für Kinder ab neun Monaten bis zum 18. Lebensjahr mit einem MMR-V Kombinationsimpfstoff durchgeführt. Die STIKO rät, bei Kindern unter fünf Jahren statt des MMR-V-Kombinationsimpfstoffs zum 1. Impftermin bevorzugt MMR- und Varizellenimpfstoff getrennt zu verabreichen.
  • Die MMR-V-Vakzine wird auch für Erwachsene (nach 1970 geboren) empfohlen sowie für seronegative Frauen mit Kinderwunsch, seronegative Menschen vor geplanter immunsuppressiver Therapie, empfängliche Personen mit schwerer Neurodermitis beziehungsweise mit engem Kontakt zu den beiden zuvor Genannten.
  • Die Empfehlung zur Varizellenimpfung gilt nicht in der Schwangerschaft!

Weitere Impfungen

Kinder:

  • Alle Kinder sollten gegen Meningokokken C geimpft werden.
  • Kinder und Jugendliche ab neun Jahren sollen gegen HPV geimpft werden.
  • Säuglinge sollten zusätzlich gegen Rotaviren immunisiert werden: Abschluss der Impfserie bis zum Alter von 24 Wochen (Rotarix) bzw. 32 Wochen (RotaTeq).
  • Säuglinge und Kleinkinder sollten gegen Pneumokokken (bis zum Alter von 24 Monaten) und Haemophilus influenzae Typ b (bis fünf Jahre) geimpft werden.

Erwachsene:

  • Ab dem Alter von 60 Jahren ist zusätzlich eine Pneumokokken-Impfung empfohlen.

Screening auf Tuberkulose

Nach WHO-Schätzungen verzeichnete die Ukraine mit 32.000 Tuberkulose (TB)-Fällen im Jahr 2020 eine der höchsten Inzidenzen in der europäischen WHO-Region. Das Land zählt darüber hinaus zu den Ländern mit den höchsten Anteilen an multiresistenter TB. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin erwartet daher auch unter den in Deutschland ankommenden Menschen Patienten, deren Versorgung sichergestellt werden muss.

Eine Tuberkulose-Therapie könne von mindestens sechs bis teilweise mehr als 20 Monate dauern, erinnert die DGP in einer Mitteilung und warnt: „Bei einer Unterbrechung von nur acht Wochen muss die Behandlung wieder von vorne beginnen.“

Ein Screening auf TB findet nach Infektionsschutzgesetz in Gemeinschaftsunterkünften statt, bei Geflüchteten, die privat untergebracht werden, entfällt das Screening aber oft. Geflüchtete in Gastfamilien sollten daher zeitnah beim Hausarzt medizinisch versorgt und bei Beschwerden oder anamnestischen Hinweisen auf eine TB eine entsprechende Diagnostik eingeleitet werden:

  • Meist wird dann eine Röntgenaufnahme der Lungen durchgeführt (ab 15 Jahren, ausgenommen Schwangere).
  • bei Kindern wird initial ein immunologisches Testverfahren empfohlen (Interferon-Gamma-Release-Assay/IGRA). Zu beachten ist: Das Ergebnis eines Tuberkulinhauttests/THT kann insbesondere bei Kindern durch eine BCG-Impfung beeinflusst werden. In der Ukraine ist für Neugeborene im Alter von 3-5 Tagen eine BCG-Impfung empfohlen.

Achtung: Patienten, die bereits behandelt wurden, müssen die Therapie unbedingt fortführen (Überweisung an TB-Behandlungszentren)! Weitere Informationen beim RKI: https://hausarzt.link/8BjVV.

Hepatitis B und C, HIV und Aids

Im Blick haben sollten Hausärztinnen und Hausärzte auch die hohe Prävalenz von HIV-Infektionen sowie Hepatitis B und C in der Ukraine. Vom RKI wird empfohlen:

  • Bei Personen, bei denen eine HIV-, HBV- oder HCV-Infektion bereits diagnostiziert wurde, sollte die Behandlung möglichst ohne Unterbrechung fortgesetzt oder gegebenenfalls begonnen werden.
  • Weiterhin sollten Untersuchungsmöglichkeiten auf HIV und, wenn relevant, auf HBV und HCV angeboten werden.
  • Um die Mutter-Kind Übertragung von HIV, HBV und Syphilis zu vermeiden, sollten Schwangeren im Einklang mit Mutterschafts-Richtlinien entsprechende Screeningtests angeboten werden.

Unterstützung bei posttraumatischen Belastungsstörungen

Hausärztinnen und Hausärzte sollten

  • kurzfristig vorliegende Diagnosen psychischer Störungen abfragen, aber auch nach akuten Symptomen der häufigsten psychischen Störungen (depressive Störungen, Angststörungen, post-traumatische Belastungsstörungen), traumatischen Erfahrungen und psychischen Stress fragen sowie
  • längerfristig ein verhaltensbasiertes Screening mittels Fragebögen (z.B. Alkoholkonsum) durchführen sowie psychosomatische Symptome und Belastungen im Allgemeinen abfragen. Hier ist auf angemessene altersspezifische und kurze Screening-Instrumente zu achten.

In medizinisch notwendigen Einzelfällen kann eine Psychotherapie erbracht werden. Diese ist vorab zu genehmigen, im Allgemeinen beim örtlichen Sozialamt, das dann einen Behandlungsschein ausstellt. Hausärzte können Geflüchtete dann an einen Facharzt verweisen, Hilfe finden Betroffene auch bei Beratungsstellen.

Viele Anlaufstellen hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gelistet: https://hausarzt.link/sPvDs. Bei der psychosozialen Versorgung von Geflüchteten hilft zudem die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF): https://hausarzt.link/b3Co7.

Versorgung von Menschen mit Suchterkrankungen

Bei den aus der Ukraine Geflüchteten gibt es auch Menschen mit Suchterkrankungen, da Methadon in der Ukraine frei zugänglich ist, berichtete Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) kürzlich in Berlin. Im Blick haben sollten Hausärzte daher auch hier mögliche Anzeichen und Symptome.

Informationen für Schwangere

Speziell für Schwangere bietet die Plattform „HEDI– digitale Unterstützung rund um die Schwangerschaft“ wichtige Informationen in ukrainischer Sprache.

 

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