Eine Impulskontrollstörung wiegt meist schwerer bei Vorliegen bestimmter Kriterien, die das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom mit (ADHS) oder ohne (ADS) Hyperaktivität kennzeichnen.
Mit klaren Kriterien werden aufwändige 1- bis 2-stündige Tests meist in kinder- und jugendpsychiatrischen Praxen als Kassenleistung durchgeführt [1]. Hierbei wird z. B. getestet, ob das Kind oder der Jugendliche in der Schule überfordert ist. Ebenso gibt es "Zappeligkeit" als Ausdruck schulischer Unterforderung. Es wird auch geprüft, ob chronische Probleme in der Familie Unruhe und Verwirrung des Kindes auslösen, und ob begleitende, folgende oder ursächlich zugrundeliegende Probleme auf der Gefühlsebene vorliegen.
Komorbiditäten sind bei ADS/ADHS nicht selten. Betroffene Kinder und Jugendliche leiden häufig zugleich an Angststörungen und Depression, 50 bzw. 20 Prozent zeigen oppositionelles Verhalten oder "conduct disorder", die mit Grenzverletzungen und aggressiven Übergriffen einhergeht. Hier sind die gestörte Impulskontrolle und ein verringertes Einfühlungsvermögen entscheidend.
Wo immer möglich, sollte eine angemessene Reizabschirmung in der Schule veranlasst werden. Je mehr Regelmäßigkeit und Phasen der Stille und Konzentration es zuhause gibt, desto besser gelingt es den Kindern, zur Ruhe zu kommen. Ausgiebiges Computerspielen hat hier einen zusätzlich krankheitsverstärkenden Effekt. Musizieren dagegen hat eine nachweislich günstige Wirkung auf das für Arbeitsspeicher, Aufmerksamkeit, kognitive Kontrolle und das Zusammenspiel von Kognition und Emotion zuständige neuronale Netzwerk [2].
Weil Filtern, Strukturieren, Organisieren und Modulieren von Reizen und Impulsen ein über Neuronen vermitteltes Geschehen ist, ergibt sich zusätzlich die Möglichkeit, die in die Signal- und Impulsübermittlung eingeschalteten Rezeptoren pharmakotherapeutisch zu beeinflussen. Darauf beruht die Wirkung selektiver Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (Methylphenydat, MPH) bzw. Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (Atomoxetin).
Bei ausgeprägter ADS/ADHS-Symptomatik und Versagen anderer Strategien (z. B. Psychoedukation von Kind und Eltern, Gruppentherapie) hat sich die Pharmakotherapie in zahlreichen Studien als segensreich erwiesen. Negative Langzeitfolgen der seit 60 Jahren verfügbaren MPH-Behandlung konnten nicht nachgewiesen werden. Grundsätzlich zielt die Behandlung darauf ab, Erfolgserlebnisse und das Erleben einer höheren Selbstwirksamkeit wahrscheinlicher zu machen.
Ausschuss Pädiatrische Versorgung, Vorsitzender: Dr. Rolf Thelen, Kontakt: dr. rolf.thelen@t-online.de
Literatur
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Leitlinie der AG ADHS der Kinder- und Jugendärzte e.V. (www.ag-adhs.de/uploads/Leitlinie2014mr.pdf)
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Pallesen KJ et al. PLoS One 2010;5(6): e11120
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Biederman J et al. Pediatrics 2009;124(1):71–78