Zu guter LetztWenn der Bunker zur Klinik wird

Fast 40 Grad heiße Luft, keine Duschen, ein viel zu kleines Krankenzimmer – und nur mit viel Glück ist ein Arzt vor Ort: Im Berliner Luftschutzbunker könnten bei einer Nuklearkatastrophe 3.600 Menschen Schutz finden, doch die medizinische Versorgung wäre katastrophal. Ein Besuch.

Die Arbeitsbedingungen sind extrem: Drei Liegen in einem kleinen Raum, keinerlei technische Geräte, allein einfaches Verbandsmaterial und grundlegende Arzneien sind vorhanden. Der "Praxisalltag" bei tropischem Klima wäre kompliziert genug – wäre der einzige Hausarzt vor Ort nicht auch noch für alle 3.600 Patienten gleichzeitig zuständig, und würden vor der Tür des Rettungsraums in dem von der Decke tropfenden Wasser nicht bereits unter Hochgeschwindigkeit Bakterien wachsen. Erste Pfützen bilden sich schon auf dem Boden.

Eine Toilette für 900 Menschen

Es ist ein Szenario, das Besuchern des Museums "The Story of Berlin" Gänsehaut macht. Eine Gruppe Touristen steht in dem Halbdunkel des Luftschutzbunkers, hier und da knackt es. "Wäre hier unten eine Epidemie ausgebrochen, so hätten keine Quarantänemöglichkeiten bestanden", erklärt der Fremdenführer. Im Bunker reiht sich Pritsche an Pritsche – sogar unmittelbar neben den insgesamt vier Toilettenanlagen für jeweils 900 Menschen. "Dabei wäre der Gesundheitszustand ohnehin schon nach kurzer Zeit schlecht: Das Essen wäre spärlich, und aufgrund des Sauerstoffmangels hätte ein großer Teil der Evakuierten in einer Art Dämmerzustand auf den Liegen gelegen. Ganz zu schweigen von psychischen Problemen aufgrund der Enge und Dunkelheit."

In den engen Gängen stoppen heute im Stundentakt zweisprachige Gruppen in einer halbstündigen Führung. Denn der Bunker, der bis vor fünf Jahren offiziell abrufbereit war und noch heute voll funktionsfähig wäre, ist heute Highlight des Museums am Berliner Kurfürstendamm. In 23 Themenräumen führt "The Story of Berlin" durch 800 Jahre Hauptstadt-Geschichte.

"Was wäre, wenn…?"

Der Bau wurde 1974 fertiggestellt, in einer damals durchaus üblichen Kombination von Luftschutzbunker, Parkhaus und Einkaufszentrum. Die Schutzräume sollten bei einer nuklearen Eskalation zwischen Ost und West zum Einsatz kommen – doch das Szenario, dass 3.600 Menschen evakuiert werden mussten, ist glücklicherweise nie eingetreten. Was bleibt, sind in der Führung Gedanken an das "Was wäre, wenn…?".

Dass tatsächlich ein Arzt in eine solche Extremsituation gekommen wäre, wäre übrigens Zufall gewesen. "Die Regierung hat allein technische Berufe als Personal eingeplant", erklärt Fremdenführer Michael den staunenden Besuchern. "Medizinisches Personal oder gar Fachärzte waren von offizieller Seite nie als Personal vorgesehen."

Arzt nur durch Zufall vor Ort

Vielmehr rechnete man damit, dass bei einer Evakuierung von 3.600 Berlinern – über einen Zähler an der schweren Stahltür wird die korrekte Anzahl sichergestellt – ohnehin auch ein Arzt dabei sein würde. Die Krankenstation, die eventuell ärztlich ausgebildete "Insassen" hätten nutzen können, wurde nur mit Tabletten und Verbänden ausgestattet. Bei den Besuchern löst das Verwunderung aus.

Noch größer wird dieses Erstaunen allerdings, als der Fremdenführer über den unzureichenden Schutz vor der Strahlung spricht – immerhin sollte der Atomschutzbunker, der zu Zeiten des Kalten Krieges entstand, vor einer nuklearen Katastrophe schützen. Doch die Räume wären nach den damaligen Plänen nicht mehr als eine Lebenserhaltungsmaßnahme gewesen: "Die Luftfilter etwa sorgen für ausreichend Sauerstoff in den Räumen. Doch die Filterstäbe sind schnell kontaminiert, da sie in Kontakt mit der Außenluft stehen. Von Tag zu Tag nimmt damit die Strahlung in der Atemluft zu."

Gleichzeitig wäre die Rettung in den Bunker ein Spiel mit der Zeit gewesen: Die Essensvorräte reichen für genau zwei Wochen, ebenso der Diesel für die Luftreinigungsanlagen. Nach 14 Tagen hätten die Evakuierten wieder an die Luft gemusst.

"Wie hoch dann noch die Strahlungswerte gewesen wären, ist schwer zu sagen", erklärt Michael. Im schlimmsten Fall hätte auch der anwesende Arzt nicht helfen können; im besten Fall wäre die Strahlung schwach genug gewesen, um zu überleben. "Doch dann hätten die Menschen schnell die Stadt verlassen und in nicht kontaminierte Gebiete gelangen müssen. Ob das in einem völlig zerstörten Berlin wirklich möglich gewesen wäre, ist fraglich." Jana Kötter

Das Museum

Mit einer Viertelmillion Besuchern im Jahr gehört "The Story of Berlin" zu den meist besuchten Museen der Hauptstadt. Der Eintritt in das Museum, Kurfürstendamm 207-208 im Kudamm Karree, kostet inklusive Tour durch den Bunker zwölf, für Kinder fünf Euro.

Weitere Informationen: www.story-of-berlin.de

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