Bier hatte für die Reiche in Mesopotamien wie Sumer, Babylon und schließlich Assyrien eine besondere Bedeutung. Immerhin stammen die ersten schriftlichen Zeugnisse über die Bierherstellung von den Sumerern (viertes Jahrtausend v.Chr.). Bier galt als Gabe der Götter und wurde ihnen auch geopfert. Um 1800 v. Chr. wurde sogar eine Hymne auf das Bier verfasst. Und natürlich wendeten auch Ärzte häufig Bier an: Sie badeten beispielsweise Wunden gerne in Bier.
Über die Medizin des antiken Mesopotamiens wissen wir viel dank der Bibliothek des letzten großen assyrischen Königs Assurbanipal, der von 669 bis 627 v. Chr. regierte. In seiner Hauptstadt Ninive hatte er diese Bibliothek mit bis zu 30.000 Tontafeln angelegt. Ende des 19. Jahrhunderts wurden sie von britischen Archäologen ausgegraben. Doch erst 1904 gelang es, die Keilschrift zu entziffern. 600 der gefundenen Tontafeln enthielten medizinische Texte: Im 7. Jahrhundert v. Chr. war hier das damals alte medizinische Wissen der Babylonier (Blütezeit ab 1800 v. Chr.) aufgezeichnet worden einschließlich vieler Rezepturen.
Magie und Medizin ergänzten sich
Dabei zeigt sich, wie eng Magie und Medizin verwoben waren. Totengötter, Dämonen, Geister bedrohten Gesundheit und Leben der Babylonier und mussten entsprechend beschwichtig werden. Dafür zuständig waren Beschwörer, die Priestern gleichgestellt waren. Ihre Beschwörungsformeln und magischen Rituale, ihre Räucherungen und Amulette sollten Dämonen vertreiben und wütende Götter bannen.
Doch die Babylonier – und schon vor ihnen die Sumerer – kannten auch somatisch orientierte Ärzte. Diese setzten ganz unterschiedliche Therapieformen ein: So wurden Verbände und Wickel angelegt, etwa mit Pflaumen, Eidechsenkot oder dem Bodensatz von Wein. Oft wurden darunter Salben auf der Grundlage von Talg, Butter oder Öl, aber auch Galle, aufgelegt. Es gab Leckmittel und Pillen. Sehr beliebt waren Klistiere, Zäpfchen oder Tampons (zum Beispiel in Wacholderöl getränkt für die Ohren). Auch Inhalationen, Dampfbäder, Gurgel- und Niesmittel gehörten zum therapeutischen Arsenal der babylonischen Ärzte. Natürlich wurden auch viele pflanzliche Heilmittel verwendet. Doch diese waren oft nicht zu übersetzen und deshalb schwer zu identifizieren.
Das Interessante an den Keilschrift-Rezepten ist ihre Struktur, die erstaunlich rational und modern anmutet. Das Schema der babylonischen Rezepturen ist immer gleich: Zuerst kommt eine Schilderung der Krankheitssymptome, es folgen die Indikation und Anweisungen zur Herstellung der Arznei, schließlich wird die Applikationsart beschrieben. Diese Rezepte sind deutlich an die Ärzte selbst gerichtet.
Doch nicht alle Keilschrift-Rezepte sind rational, viele beschäftigen sich eher mit der magisch-religiösen Seite. Für die Babylonier gab es keinen Widerspruch zwischen Magie und Medizin. Das macht es uns heute jedoch schwer, Tätigkeitsbereiche und Kompetenzen der Beschwörer und der Ärzte genau auseinanderzuhalten.
Strikte Vorschriften
Die älteste Rechtsquelle zur Medizin ist der Codex Hammurabi. Er ist um 1700 v. Chr. unter der Regentschaft des babylonischen Königs Hammurabi (oder Hammurapi) entstanden. Der Codex ist eine Sammlung von Rechtssprüchen, aufgezeichnet auf einer Dioritstele, die heute im Louvre in Paris zu sehen ist, und weiteren Stelen. Außerdem wurden Tontafelabschriften gefunden. Im Codex ging es auch um die Bedingungen, unter denen babylonische Ärzte arbeiteten. Es gab genaue Bestimmungen und Normen für die rechtliche Situation von Ärzten, aber auch für ihre Bezahlung oder Bestrafung. Ein Beispiel, in dem es um Augenoperationen geht: "Wenn der Arzt einen Herrn behandelt… und das Auge des Patienten erhält, so soll er 10 Schekel Silber erhalten. Wenn der Patient ein Sklave ist, so hat sein Herr 2 Schekel Silber zu bezahlen. Hat der Arzt… den Patienten getötet oder gar sein Augenlicht zerstört, so soll seine Hand abgeschnitten werden."
Quellen u.a.:
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Eckart, Wolfgang: "Geschichte der Medizin", Springer-Lehrbuch.
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Paul, Gill: "Die Geschichte der Medizin in 50 Objekten". Haupt Verlag, Bern, 2016.