© picture alliance/dpa | Horst Ossinger, picture alliance / imageBROKER | KFS Historische Röntgenröhren, Exponate des Deutschen Röntgen-Museums.
Am 9. März 1896 veröffentlichte Röntgen eine zweite Mitteilung über die neuen Strahlen, und ein Jahr später, am 10. März 1897, die dritte und letzte. Der Physiker, der übrigens nicht einmal das Abitur hatte, weil er vorher von der Technischen Schule in Utrecht geflogen war, da er sich geweigert hatte, einen Mitschüler zu denunzieren, war ein äußerst gründlicher, penibler Forscher. Er versuchte, so viel wie möglich über die neuen Strahlen herauszufinden. Erst 1912 wurde seinen Erkenntnissen entscheidend Neues hinzugefügt.
Plötzlich waren überall Skelette zu sehen
Natürlich war es eine Riesensensation, dass plötzlich das Knochengerüst des Körpers sichtbar gemacht werden konnte. Ärzte erkannten schnell, welche Möglichkeiten der Diagnose ihnen nun zur Verfügung standen. Aber auch Zeitungen, Cartoonisten und Volksfeste schlachteten das leicht schaurige Thema aus. Überall waren plötzlich Skelette zu sehen.
Für seine Entdeckung wurde Röntgen vielfach ausgezeichnet. Vor allem wurde ihm 1901 der erste Nobelpreis für Physik überhaupt verliehen. Das Preisgeld von 50.000 Kronen stiftete er der Universität Würzburg (seit dem Tod seines Vaters war er Millionär, er hatte das Geld nicht nötig). Am Rande: Der erste Nobelpreis für Medizin ging 1901 ebenfalls an einen Deutschen: Emil von Behring (1854-1917). Röntgen war Pate eines der Söhne von Behrings.
Röntgen patentierte seine Entdeckung nicht. Er bestand darauf, dass es nicht sein Verdienst, sondern reiner Zufall gewesen war, dass er die Strahlen entdeckt habe. Außerdem war er der Auffassung, “dass seine Erfindungen und Entdeckungen der Allgemeinheit gehören und nicht durch Patente, Lizenzverträge und dergleichen einzelnen Unternehmungen vorbehalten bleiben dürften”.
Röntgen blieb zeitlebens bescheiden
Damit stand der schnellen Verbreitung der Röntgen-Diagnostik nichts im Wege. Sie wurde erstaunlich rasch von Ärzten und Patienten akzeptiert. Röntgengeräte gab es bald in vielen Krankenhäusern. Der erste “Röntgenkongress” fand 1900 in Paris statt, die erste Röntgengesellschaft wurde 1905 in Berlin gegründet. Und auch das Militär machte sich die neue Technik zunutze. Schon 1898 nahm Lord Herbert Kitchener ein mobiles Röntgengerät mit in den Krieg im Sudan. Und als 1900/1901 in China der Boxeraufstand niedergeschlagen wurde, gehörte zum Tross der alliierten europäisch-amerikanischen Imperialmächte auch ein Röntgenzug.
Röntgen selbst war einerseits geschmeichelt von dieser breiten Aufmerksamkeit. Aber sie war dem introvertierten Mann andererseits auch unangenehm. Der Physiker blieb bescheiden und lehnte es sogar ab, in den Adelsstand gehoben zu werden.
Licht und Schatten der X-Strahlen
Die Röntgen-Diagnostik trat sehr schnell ihren Siegeszug an. Nach der ersten Veröffentlichung Ende 1895 war seine Entdeckung der X-Strahlen innerhalb weniger Wochen in der ganzen Welt bekannt.
Chirurgen erkannten sehr schnell das Potential der neuen Strahlen und nützten die “Röntgenographie”, um Frakturen, Dislokationen oder Fremdkörper zu diagnostizieren. Bereits um die Jahrhundertwende wurden Kontrastmittel eingesetzt, um auch die Hohlorgane des Körpers sichtbar zu machen. Wismutpaste wurde oral appliziert. Damit konnten 1898 die Bewegungen des Magens und 1901 die des Darmtrakts dargestellt werden. 1904 gab man in den USA Patienten eine Bariumsulfat-Suspension zu trinken. So war der Verdauungstrakt besonders gut zu sehen. Bariumsulfat wird noch heute als Kontrastmittel genutzt. Und 1913 entdeckte der Berliner Chirurg Albert Salomon, dass sich die Röntgenstrahlen auch zur Mammografie eignen.
Doch schnell wurden auch die Schattenseiten der Röntgenstrahlen bekannt. Bei den frühen Röntgengeräten war die Strahlendosis 1.500mal höher als bei modernen Geräten. Außerdem wurden die Patienten bis zu 90 Minuten der Strahlung ausgesetzt.
Bereits 1902 wurden Nebenwirkungen der Strahlen beschrieben. Der deutsche Arzt Albert Frieben, über den sonst wenig bekannt ist, war der erste, der über die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms bei einem Röntgentechniker berichtete und dieses auf die Strahlenbelastung zurückführte.
Nebenwirkungen der Strahlen entwickeln sich langsam und abhängig von der Dosis. Deshalb dauerte es Jahrzehnte, bis die Wegbereiter dieser neuen Diagnostik-Methode Krebs oder Strahlenkrankheit bekamen. Wie zum Beispiel Emil Grubbe (1875-1960) aus Chicago. Er war der Erste, der Röntgenstrahlen als Therapie bei Krebs einsetzte. Doch dann bekam er selbst Krebs und wurde 85mal operiert. Er war sich schließlich bewusst, dass seine Arbeit mit den Röntgenstrahlen die Ursache seiner Krankheit war: “Wie viele der frühen Pioniere werde auch ich als Opfer der Naturwissenschaft sterben, als Märtyrer der Röntgenstrahlen.”
Dr. Emil H. Grubbe aus Chicago setzte als Erster Röntgenstrahlen bei Krebs ein. Doch dann erkrankte er selbst an Krebs und führte das auf seine Arbeit mit den Röntgenstrahlen zurück. © picture alliance/dpa | Horst Ossinger, picture alliance / imageBROKER | KFS
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Quellen u.a.:
Deutsches Museum: “Die Versuchsanordnung von E.C. Röntgen”. Meisterwerke aus dem Deutschen Museum Band II. München
Eckart, Wolfgang: “Geschichte der Medizin”, Springer-Lehrbuch.
Paul, Gill: “Die Geschichte der Medizin in 50 Objekten”. Haupt Verlag, Bern, 2016.
Röntgen-Kuratorium Würzburg e.V.: “Wilhelm Conrad Röntgen”. Röntgen-Gedächtnisstätte