© mauritius images / Azoor Photo Collection / Alamy Der Athener Stratege Thukydides (etwa 460 bis etwa 400 v. Chr.) verfasste den ersten Seuchenbericht der Geschichte.
Demnach begann diese unbekannte Krankheit zunächst mit starkem Hitzegefühl im Kopf, geröteten und entzündeten Augen, auch Zunge und Rachen waren rot, fast wie roh, der Atem roch übel; danach stellten sich Niesen, Heiserkeit und starker Husten ein und schließlich Übelkeit, Erbrechen und krampfartiger Schluckauf. Thukydides erzählt auch von der Heftigkeit, mit der die Krankheit ausbrach, und von der Suche nach “Schuldigen” (in diesem Falle die Spartaner, die Athen belagerten und die Brunnen vergiftet haben sollten).
Er beschreibt den Verfall der Sitten durch die Epidemie sowie die oft todbringende Aufopferung von Ärzten und Angehörigen. Was Thukydides vor zweieinhalbtausend Jahren schildert, hat auch für spätere Epidemien Gültigkeit.
Nebenbei: Die “Pest von Athen” oder “attische Pest”, die ab 430 v. Chr. länger als zwei Jahre in Athen wütete, war wohl nicht die Pest nach heutigem Verständnis, also eine Infektion mit dem Pestbakterium.
Das lateinische Wort “pestis” bezeichnete ganz allgemein eine Geißel der Menschheit und wurde Jahrhunderte lang für jedwede Seuche verwendet. Wissenschaftler sind sich uneins, um welche Krankheit es sich wirklich bei der “attischen Pest” handelte.
Viele Erreger sind älter als der Mensch
Epidemien hat es immer in der Geschichte der Menschheit gegeben. Viele Erreger, zum Beispiel die von Typhus, Pest, Cholera oder Malaria, – oder ihre Vorfahren – sind wohl älter als der Mensch selbst. Sie haben ziemlich sicher schon bei Vor- und Frühhominiden Krankheiten ausgelöst.
Allerdings war die Bevölkerungsdichte wohl zu gering, als dass sich größere Epidemien entwickeln konnten. Berichte über grassierende Seuchen gibt es erst in historischer Zeit. Dann aber aus allen Zivilisationen und Kulturen, etwa aus China, Ägypten oder Sumer.
Seit Menschen andere Länder und fremde Kontinente entdecken, erobern, besuchen und mit den Menschen aus weit entfernten Kulturen Handel treiben, verbreiten sich auch Krankheitserreger um die ganze Welt. Und aus lokalen Epidemien können sich weltumspannende, globale Krankheiten entwickeln.
Das Wort Pandemie geht zurück auf das altgriechische Wort “pandemia”, “das ganze Volk” (aus “pan”, ganz, jeder, und “demos”, Volk). Laut Robert-Koch-Institut ist eine Pandemie “eine weltweite Epidemie”.
Wie die Pest zum Beispiel. Der Erreger ist sicher mehrere tausend Jahre alt. Identifiziert wurde das Bakterium Yersina pestis aber erst 1894. Insgesamt starben wohl 100 bis 125 Millionen Menschen während der drei großen Pestwellen zwischen 531 und dem Ende des 19. Jahrhunderts.
Zahlreiche Cholera-Pandemien
Auch die Cholera hat seit Jahrhunderten immer wieder Pandemien verursacht. Ursprünglich stammt die Cholera aus Asien. Schon in der Antike wurde in Indien eine Krankheit beschrieben, die der Cholera ähnelt.
Seit 1961 grassiert die siebente, noch andauernde Cholera-Pandemie. Laut WHO gibt es jedes Jahr knapp drei Millionen Infizierte. Seit 2016 erschüttert eine Cholera-Endemie den Jemen mit wohl zwei Millionen Verdachtsfällen und etwa 4.000 Todesopfern.
Insgesamt starben mehrere zehn Millionen Menschen während der verschiedenen Cholera-Pandemien.
Meistens werden Pandemien aber von Viren verursacht, so wie auch zur Zeit dem SARS-CoV-2-Virus. Zu den Viren, die Pandemien ausgelöst haben, gehört zum Beispiel das HI-Virus, das sich seit den 1980er Jahren in der Welt verbreitet und inzwischen über 30 Millionen Tote gefordert hat.
Aber es sind vor allem Influenza-Viren gewesen, die in den vergangenen 100 Jahren Pandemien verursacht haben.
Sterblichkeit betrug 10–20 Prozent
Besonders dramatisch war die “Spanische Grippe” vor 100 Jahren. Hier gibt es auffallende Parallelen zur gegenwärtigen Coronavirus-Pandemie.
In den Jahren 1918 bis 1920 infizierten sich in drei Wellen weltweit wohl insgesamt eine halbe Milliarde Menschen mit dem Influenza-A-Virus, Subtyp H1N1. 25 bis 50 Millionen der Patienten starben, allerdings vermuten manche, dass es bis zu 100 Millionen waren.
Die Spanische Grippe brach im März 1918 in den USA aus. Ein Soldat kam mit einer milden Grippe ins Krankenhaus. Im Vorjahr waren die USA in den Ersten Weltkrieg eingetreten.
© mauritius images / Alamy / Vintage_Space Schutzausrüstung während der Spanischen Grippe vor gut 100 Jahren.
Mit den Tausenden von Truppentransportern verbreitete sich dieses Virus um die ganze Welt. Es kam zwar zu lokalen Epidemien. Doch zunächst war die neue Influenza nur in Spanien verbreitet bzw. das neutrale Spanien kommunizierte als erstes die Daten zur Grippewelle – deshalb der Name “Spanische Grippe”.
Im September 1918 wurde alles schlimmer. In Boston waren die ersten Grippe-Patienten schwer krank. Die Sterblichkeit betrug nun 10-20 Prozent. Menschen jeden Alters starben, vor allem viele zwischen 20 und 40 Jahren.
Dieses mutierte Virus breitete sich mit den Truppenbewegungen rasant in der Welt aus und löste eine zweite, besonders dramatische Pandemie-Welle aus. Auf den Fidschi-Inseln starben 14 Prozent der Bevölkerung innerhalb von zwei Wochen, nachdem das Virus dort angekommen war.
In West-Samoa waren es sogar 22 Prozent.
Nach Kriegsende im November 1918 beruhigte sich die Pandemie. Doch wahrscheinlich waren es die Friedensfeste auf den Straßen, also Massenversammlungen, weshalb sie zwischen Dezember 1918 und Mai 1919 in einer dritten Welle wieder aufflammte.
Am Ende hatte sich während der drei Pandemie-Wellen ein Drittel der Weltbevölkerung infiziert, zwischen 3 und 5 Prozent waren an der neuen Grippe gestorben. Die Zahl der Opfer der Pandemie war mehr als dreimal so hoch wie die Zahl der Kriegsopfer.
Wie endete die Spanische Grippe? Zum einen entwickelten die Menschen eine Immunität. Außerdem scheint das Virus in eine weniger aggressive Form mutiert zu sein. Es wurden Impfungen entwickelt. Dazu kam ein so genanntes “soziales Ende”: Die Menschen waren des Kriegs und der Grippewelle müde und versuchten, ihr Leben wieder normal zu leben. Dabei nahmen sie weitere Grippeopfer in Kauf.
Die Spanische Grippe
Vor gut 100 Jahren breitete sich die Spanische Grippe rasend schnell in der Welt aus. In drei Pandemie-Wellen in den Jahren 1918 bis 1920 starben weltweit zwischen 20 bis 50 Millionen Menschen an der Infektion mit dem Influenza A/H1N1-Virus. Vergleicht man diese Pandemie mit der gegenwärtigen lassen sich einige Parallelen ziehen. Vor allem einige der damaligen sozialen Maßnahmen kommen bekannt vor.
1918 begannen die Menschen erstmals, einen Mundschutz aus Gaze zu tragen, um sich vor der Infektion zu schützen. Dazu wurden sie offiziell aufgefordert. Öffentliche Versammlungen waren verboten. Patienten wurden isoliert, einige Städte verhängten einen strengen Lockdown.
Was das bringen kann, zeigt das Beispiel New York, vor 100 Jahren wie heute ein Pandemie-Hotspot. Hier reagierten die Gesundheitsbehörden schnell und drastisch. Es wurden etwa 150 neue Gesundheitszentren geschaffen. Die Patienten wurden schon zuhause isoliert und auch dort von Ärzten und Pflegepersonal betreut. Aber vor allem wurde das gesamte öffentliche Leben stillgelegt: Schulen wurden geschlossen, Versammlungen waren untersagt, die U-Bahn fuhr nicht. Dieser strenge Lockdown war extrem effektiv, wie der New Yorker Medizinhistoriker Francesco Aimone berichtet (Public Health Rep. 2010; 125 (Suppl 3): 71–79): Die durch die Pandemie verursachte zusätzliche Sterblichkeitsrate lag in New York trotz der besonders schwierigen Umstände wie Überbevölkerung nur bei 4,7 pro 1.000 Einwohner. Verglichen mit den Raten in den benachbarten, viel weniger überbevölkerten Großstädten ist das verhältnismäßig niedrig: In Bosten lag die Rate bei 6,5, in Philadelphia sogar bei 7,3 pro 1.000 Einwohner.
Rasche Isolation ist entscheidend
Aber so ganz ist das Virus nie verschwunden. Varianten der Influenza-A-Viren verursachten später weitere Pandemien: 1957 die Asiatische Grippe mit mindestens einer Million Toten (Subtyp H2N2); 1968 die Hongkong-Grippe mit etwa einer Million Toten (Subtyp H3N2): 2009/2010 die Schweinegrippe mit über 150.000 Toten (Subtyp H1N1).
© picture-alliance / dpa | dpa, stockpics - stock.adobe.com Gesunde Schüler in Norddeutschland freuen sich im Januar 1970 über die Verlängerung der Winterferien, da ein großer Teil der Lehrer und Schüler an der Hongkong-Grippe erkrankt ist.
Die derzeitige Pandemie ist bekanntlich auch nicht die erste, die durch ein Coronavirus ausgelöst wurde. In den Jahren 2002/2003 führte ein SARS-Coronavirus zu einer weltweiten Pandemie. Die Todesrate war nicht so hoch; innerhalb der ersten acht Monate starben fast 800 Menschen an SARS, mehr als 8.000 erkrankten schwer.
Was war damals anders? SARS-CoV war nicht so ansteckend wie das aktuelle Coronavirus. Das Virus vermehrte sich tief in der Lunge, nicht schon im Rachen wie SARS-CoV-2. Die Infizierten waren erst zehn Tage nach Auftreten der ersten Symptome besonders ansteckend, sie konnten also gut und schnell isoliert werden. Das aktuelle Coronavirus dagegen ist bereits sehr ansteckend, bevor sich erste Symptome entwickeln.
Vergangene Pandemien und der Umgang der Menschen mit diesen Krisen können aufschlussreich sein für die Bewältigung der gegenwärtigen SARS-CoV-2-Pandemie. Bei der ersten Coronavirus-Pandemie waren Maßnahmen wie die rasche Isolation und die internationale Zusammenarbeit entscheidend bei der Bekämpfung. Das hat sich bewährt und wird jetzt forciert.
Und wie kann es diesmal zu einem Ende kommen? Wie bei den vorhergehenden Virus-Pandemien durch wachsende Immunität, Virus-Mutation, ein soziales Ende unter Inkaufnahme vieler weiterer Toter, die breite Wirkung von Impfungen? Vorstellbar ist alles. Aber vorhersagen lässt sich nichts.
Der Athener Stratege Thukydides (etwa 460 bis etwa 400 v. Chr.) verfasste den ersten Seuchenbericht der Geschichte.
Quellen u.a.:
Eckart, Wolfgang: “Geschichte der Medizin”, Springer-Lehrbuch.
Paul, Gill: “Die Geschichte der Medizin in 50 Objekten”. Haupt Verlag, Bern, 2016.
Ruffié, Jacques und Sournia, Jean-Charles: “Die Seuchen in der Geschichte der Menschheit”. Stuttgart, 1987