Elise Taube wollte Medizin studieren – und ließ sich dabei weder von Zugangsbeschränkungen noch von gesellschaftlichen Erwartungen abhalten.
1861 in einer wohlhabenden Familie in Finsterwalde geboren, besuchte sie die Mädchenschule und das Lehrerinnenseminar in Frankfurt (Oder) und war dann als Privatlehrerin tätig. Es war ein Weg, den ihre Zeit für Frauen ihres Standes so vorsah: Die Immatrikulation wurde Frauen in Preußen erst 1908 gestattet, ein Gymnasium durften Frauen bis dato ohnehin nicht besuchen.
Doch Elise Taube wollte sich damit nicht zufriedengeben. Mit 35 Jahren begann sie, sich selbstständig auf das Abitur vorzubereiten, mit 38 bestand sie die Prüfungen als Externe am Luisengymnasium in Berlin. Ihr Medizinstudium in Berlin begann sie im Jahr 1899 zunächst ohne Immatrikulation – als Gasthörerin.
Steiniger Weg durchs Medizinstudium
Dabei musste sie sich die Erlaubnis jedes einzelnen Professors holen, um an dieser oder jener Vorlesung teilzunehmen. Nach zwei Jahren legte sie erfolgreich ihre Zwischenprüfung ab und stellte erneut einen Antrag auf Immatrikulation, auch dieser wurde abgelehnt.
Die Begründung: “Die medizinische Facultät hat an der Gestattung der Immatrikulation von Frauen an der hiesigen Universität kein Interesse.” Also blieb Elise Taube Gasthörerin.
1904 bestand sie schließlich das Staatsexamen in Halle und erhielt ihre Zulassung als Ärztin. Doch damit endete Elise Taubes steiniger Weg keinesfalls: Sie wollte promovieren – und tat dies, innerhalb eines einzigen Jahres und als erste Frau an der medizinischen Fakultät der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität, seit 1945 Humboldt-Universität zu Berlin (HU).
Das Thema ihrer Dissertation: Rückenmarksprobleme in Schwangerschaft und Wochenbett und damit verbundene Nervenentzündungen. Drei Jahre vor Zulassung des Frauenstudiums wurde sie damit die erste promovierte Medizinerin an der Universität Berlin.
Hausärzteverbands-Chefin geehrt
Hausärztin Dr. Karin Harre hat sich jüngst mit dem Leben von Elise Taube auseinandergesetzt: Die Vorsitzende des Hausärzteverbandes Brandenburg ist die erste Preisträgerin der nach Elise Taube benannten Ehrenmedaille der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB) (s. Kasten).
Elise Taube war “eine Frau, die sich gegen die Widerstände in ihrer Umgebung durchgesetzt hat und am Ende erfolgreich war, obwohl die Bedingungen schlecht waren”, fasst Harre zusammen. In ihrer Beharrlichkeit sei sie ein starkes Vorbild.
Darüber hinaus lobt Harre, dass die neue Medaille nach einer “Pionierin der Medizin” benannt sei. Denn allzu oft seien Auszeichnungen nach männlichen Wegbereitern benannt.
Harte Arbeit in “Irrenanstalten”
In der Tat steht der Name Elise Taube für die Überwindung der Hindernisse, die Frauen in einer “Männerdomäne” lange den Weg versperrten – auch noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts.
Ein einfaches Arbeitsfeld hatte sich die “Irrenärztin” wahrlich nicht gesucht: Elise Taube arbeitete nach dem Studium an verschiedenen psychiatrischen Kliniken, damals oft riesige Einrichtungen mit Hunderten Betten und wenig medizinischem Personal, die Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen mit Bettruhe, warmen Dauerbädern oder Beruhigungsmitteln behandelten.
1905 besetzte Elise Taube eine Stelle, die die Psychiatrische Uniklinik Rostock 1905 zum ersten Mal ausdrücklich für eine Ärztin ausgeschrieben hatte. Nach Stationen in Privatnervenkliniken, zuletzt 1917 in Berlin-Nikolaisee, verliert sich ihre Spur.
Quellen:
- Projekt “FrauenOrte in Brandenburg”; MHB; Dokumentation “Ärztinnen im Kaiserreich” des Instituts für Geschichte der Medizin der Charité Universitätsmedizin Berlin
- Dr. Karin Harre mit der Elise-Taube-Ehrenmedaille