Bei Zahnschmerzen soll ein Pflaster aus Pferdekot helfen. Pulverisierter Kot eines Eichhörnchens hilft bei Schwindel. Sogar fast 90-jährige Männer könnten mit dieser Therapie auf die höchsten Bäume steigen, ganz ohne schwindelig zu werden. Und ein Brustumschlag aus Kuhmist ist gut für Mütter, die keine Milch zum Stillen haben.
Diese unappetitlichen Rezepte stammen aus einem etwa 700 Seiten dicken Standardwerk: „Die heilsame Dreckapotheke“, erschienen 1696. Es gilt als die ausführlichste Darstellung aller Kotrezepte der damaligen Zeit. Verfasser war Christian Franz Paullini (1643 bis 1712), Leibarzt des Bischofs von Münster und Medicus am braunschweigischen Hof in Wolfenbüttel. Bis ins 19. Jahrhundert wurde dieses Werk immer wieder neu aufgelegt, der letzte komplette Nachdruck erfolgte 1847, also vor 170 Jahren. In vielen Rezepten werden menschliche und tierische Exkremente verwendet.
Denn in den Exkrementen stecke eine „wundervolle Kraft“, die sie zu einem „vollkommenen Heylmittel“ mache, schreibt Paullini. Am wirkungsvollsten sei der Kot des Menschen. Besonders potent sei auch der eigene Urin – auf die Eigenurintherapie schwören einige ja noch heute.
In Paullinis Rezepten wurden auch Exkremente, Urin und Blut von Hunden, Tauben, Pferden, Schweinen, Pfauen oder Löwen verwendet. Andere Heilmittel bestanden aus verarbeiteten Tieren, etwa „Pulver von gebrandten Lerchen“, Eidechsen, Schnecken oder Mäusen sowie aus tierischen Organen wie „gedörrter Fuchslunge“ oder Storchleber. Aber er setzte auch auf pflanzliche und mineralische Heilmittel.
Schwerpunkt waren jedoch die Heilmittel aus Dreck und Kot. Paullini empfahl sie als Mixturen, Pulver, Pflaster und Salben, als Kataplasmen, Tränke und Pillen, als Klistiere, Bäder, Gurgelwasser und Inhalationen. Wegen seiner Behandlungen mit Kot, Urin und anderen unappetitlichen menschlichen und tierischen Ausscheidungen wurde Paullini von Medizinhistorikern des 19. Jahrhunderts als Scharlatan abgetan. Doch der aus Eisenach stammende, weit gereiste Arzt und Privatgelehrte war nicht nur Arzt, sondern auch Schriftsteller, Philosoph und Historiker. Er gilt sogar als einer der letzten großen Universalgelehrten. Man muss sein Werk aus der Zeit heraus verstehen. Paullinis Theorien fußten wie damals üblich auf der antiken Humoralpathologie.
Und er war nicht der einzige Arzt, der solch ekelerregende Rezepte aus der Volksmedizin anpries. Er zitierte etwa 130 antike Autoritäten und Gelehrte seiner Zeit.
Apotheke für Arme
Vor allem war der Hofmedicus ein sehr sozial denkender Mensch. Ärztliche Behandlungen und Arzneimittel waren damals sehr teuer, Arme und Bauern konnten sie sich nicht leisten. Deshalb war seine „heilsame Dreckapotheke“ für „arme, insbesondere Bauern- und Landleute“, die „die Kräuter und allen Dreck täglich um sich haben“, bestimmt, wie er im Nachwort bemerkt. Bei „reichen, zärtlichen und empfindlichen Leuten“ sei es nur im „äußersten Notfall“ anzuwenden.
Nicht nur unsere heutige Gesellschaft ekelt es allein beim Gedanken an Kot als Heilmittel. Paullini beschrieb selbst, welch enorme Überwindung es manche Patienten gekostet hat, seine Präparate zu nehmen. Er gab auch zu, dass gewisse Destillate „hefftig stincken“. Durch geruchsverbessernde Stoffe und gute Verarbeitung könnten sie ihren üblen Geruch jedoch verlieren. Er riet aber, die Patienten zunächst über die Therapie im Dunkeln zu lassen.