Mittelalterliche Pestdoktoren hatten merkwürdige Methoden, ihre Patienten zu behandeln. Sie stachen zum Beispiel die Pestbeulen auf und setzten Frösche und Blutegel auf die Wunden. Sie rieten, Pestkranke mit Quecksilber zu bestreichen und in einen Ofen zu setzen. Oder sie gaben starke Abführmittel zur Reinigung des Verdauungssystems. Paracelsus (1492/93 bis 1541), der 1538 in Sterzing in Südtirol als Pestarzt arbeitete, gab den Kranken eine Tablette aus Brot und einem winzigen Teil ihres eigenen Kots. Damit soll er viele Menschen geheilt haben, heißt es.
Der südfranzösische Arzt und Astrologe Nostradamus (Michel de Nostredame, 1503 bis 1566), vor allem bekannt für seine Prophezeihungen, war ebenfalls Pestarzt. Sein Therapieansatz scheint vernünftiger: Er empfahl frische Luft, sauberes Wasser, Hagebuttensaft und den sofortigen Abtransport infizierter Leichen.
Im Mittelalter zogen viele Infektionskrankheiten in so genannten Seuchenzügen über den europäischen Kontinent. Die meisten Todesopfer forderte die Pest, der “schwarze Tod”. Schwarz deshalb, weil die charakteristischen Bubonen der Beulenpest meist schwarz wurden und auch sonst schwarze Flecken am ganzen Körper auftraten.
Brutale Behandlungsmethoden
Historiker sprechen von drei großen “Pestwellen”. Die erste dieser Epidemien war die “Justinianische Pest”, die zwischen 531 und 580 vor allem den östlichen Mittelmeerraum erschütterte. In Konstantinopel, wo in den Jahren 541/542 die ersten schriftlich belegten Fälle von Beulenpest auftraten, starben damals um die tausend Menschen pro Tag. Nach anderen Berichten waren es 5.000 oder sogar 10.000 pro Tag. Zu dieser Zeit waren die Methoden der Ärzte ziemlich brutal. So wurden die Wunden etwa mit kochendem Wasser behandelt, was oft sofort zum Tod der Patienten führte. Diese erste Pestepidemie erreichte Gallien und Germanien in den Jahren 545/546.
Die zweite große Pestwelle überrollte Europa in den Jahren 1337 bis 1352. Ausgebrochen war die Seuche in den 1320er Jahren in der Mongolei. Von dort breitete sie sich rasch in Europa aus mit verheerenden Folgen: Die Peststerblichkeit lag meist über 30 Prozent. Es wird geschätzt, dass die Hälfte der 100.000 Einwohner von Paris an der Pest starben. Hamburg und Venedig verloren 60 Prozent der Bevölkerung. In zeitgenössischen Berichten ist die Rede von Straßen, die mit Leichen übersät waren, und überquellenden Massengräbern. Insgesamt 25 Millionen Menschen sollen in dieser zweiten großen Pestepidemie gestorben sein.
Verzweifelt wurden Ärzte gesucht, die sich um die Pestopfer kümmerten. Hohe Prämien wurden angeboten. Der erste offizielle Pestarzt war Matteo fu Angelo, der im Jahr 1348 von der italienischen Stadt Orvieto angestellt wurde für das Vierfache des üblichen Mediziner-Gehalts. Doch die meisten Ärzte hatten Angst und waren völlig verunsichert. Sie konnten sich nicht erklären, woher diese Seuche kam und was sie ausgelöst hatte. Sie hatten keine Mittel, den Patienten zu helfen. Entsprechend verlor die Bevölkerung das Vertrauen in die Ärzte. Und das sollte Jahrhunderte anhalten.
Der schwarze Tod des 14. Jahrhunderts war wohl der schlimmste Pestausbruch aller Zeiten. Danach verschwand die Infektion nie ganz. Im 17. Jahrhundert gab es einen weiteren schweren Ausbruch. In der Zeit zwischen 1628 bis 1631 starben in Frankreich und Italien je eine Million Menschen. Ein Viertel der Einwohner, nämlich 100.000 Menschen, verlor London im Jahr der Großen Pest (1665). Die dritte große Pestepidemie traf vor allem Asien Mitte des 19. Jahrhunderts. Allein in Indien starben zehn Millionen Menschen.
Auftritt der Schnabeldoktoren
Pestarzt – da denkt man gleich an die typische Schnabelmaske. Diese Uniform, die die Doktoren vor den Miasmen schützen sollte, die man als Ursache der Pest ansah, stammt aus dem 17. Jahrhundert. Charles de Lorme, Professor an der Universität von Montpellier und Leibarzt der französischen Königin, entwarf sie 1619: Ein gewachster Übermantel mit Stiefeln und Handschuhen sollte die Haut vor Kontamination bewahren.
Das Gesicht wurde hinter dieser Maske versteckt, die einen mehr oder weniger langen Schnabel hatte, der mit Stroh als Luftfilter gefüllt war. Das Stroh war mit Kräutern und Gewürzen wie Amber, Minze, Kampfer, Gewürznelken oder Zitronenmelisse angereichert, von denen man sich zusätzlichen Schutz vor Ansteckung erhoffte. Dieser Anzug war die Standarduniform der Pestärzte im 17., 18. und 19. Jahrhundert. Dazu trugen die Schnabeldoktoren einen Stab, damit sie die Patienten nicht direkt berühren mussten.
Den wirklichen Auslöser der Pest fand der Schweizer Arzt Alexandre Yersin erst 1894: ein Bakterium, nach dem Entdecker Yersinia pestis genannt. Schnell war dann klar, dass Rattenflöhe die Bakterien übertrugen. Ab dem 20. Jahrhundert konnte die Pest mit Antibiotika bekämpft werden. Auch moderne Stadthygiene griff mit Absperrungen, Quarantäne und Kontrolle der Rattenplagen. Erst damit fassten die Menschen auch wieder Vertrauen in ihre Ärzte.