Mit Humor gegen SchmerzenDas Aua fliegt durch’s Fenster

Schmerzen und Humor – passt das zusammen? Wer Dr. Eckart von Hirschhausen zum diesjährigen Schmerz- und Palliativtag hörte, konnte den Eindruck gewinnen, dass das sehr gut zusammenpasst – ja Humor sogar essenziell ist für ein lebenswertes Leben trotz Schmerz.

Bei Schmerzen braucht man manchmal einfach Trost und jemanden, der auf den Schmerz "pustet".

Wenn sich der kleine Eckhard wehgetan hatte, nahm ihn die Mutter in den Arm, pustete auf die schmerzende Stelle und sagte: “Schau mal Eckhard, das Aua fliegt durch’s Fenster”. Jahre später, so berichtete Hirschhausen, lernte er viel über den Schmerz: etwa zu Schmerzleitungsgeschwindigkeiten oder über rezeptorblockierende Medikamente.

Allerdings erwähnte nie jemand das Offensichtliche – nämlich dass Schmerz eine psychosoziale Erkrankung ist und die Betroffenen manchmal einfach Trost benötigen und jemanden, der auf den Schmerz “pustet”. Dass ein umfassendes multimodales Angebot für Menschen mit chronischen Schmerzen noch immer eher die Ausnahme als die Regel darstellt, mache ihn traurig und wütend zugleich.

Bei allem Fortschritt etwa in der medikamentösen Schmerzbehandlung oder in den spezialisierten Hospiz- und Palliativeinrichtungen, sollte man die Kraft der Zuwendung und die Kraft der Worte nicht ungenutzt lassen.

Operieren ja, aber Reden?

Die Antwort auf den Schmerz lautet hierzulande häufig ‚Operieren‘! “Wer bei ‚drei‘ nicht auf dem Baum ist, bekommt heutzutage ein neues Knie oder eine neue Hüfte eingehämmert. Der Beweis, dass er dies benötigt, liegt vor, denn er war bei ‚drei‘ nicht auf dem Baum – also ist er bewegungseingeschränkt”, spottete Hirschhausen.

Durch Fehlanreize habe man dazu beigetragen, dass viel zu häufig “geröntgt, Katheter geschoben und operiert” werde. Das “miteinander Sprechen” bleibe dafür auf der Strecke. Wenn der Schmerz nach einer Operation auch noch persistiere, sei die Enttäuschung umso größer.

Insgesamt liegt laut Hirschhausen einerseits eine krasse Unterversorgung mit sprechender Medizin vor, andererseits eine Fehl- und Überversorgung. Das Problem sei, so beklagt der Arzt, Wissenschaftsjournalist, Buchautor und Bühnenkünstler, dass “Reden” Zeit benötigt, die in der Praxis häufig fehlt und darüber hinaus kaum honoriert wird.

Den Humor nicht verlieren

Die Medizin war laut Hirschhausen über lange Zeit ein Kampf gegen den Schmerz, die Endlichkeit und den Tod. Als angehender Arzt wurde ihm beigebracht, dass man anhand eines Manuals Krankheiten diagnostizieren könne, die nach entsprechender Behandlung geheilt würden. Doch in der Realität sehen Ärzte häufig multimorbide Patienten, die vor allem eines benötigen – einen Weg trotz dieser Krankheiten ein bejahenswertes Leben führen zu können.

Seine Erfahrungen im Hospiz haben Hirschhausen viel über seine eigenen Ängste vor dem Tod gelehrt. Wie eine Palliativärztin ihm erklärte, kommen jene Menschen mit dieser Situation am besten zurecht, die “akzeptieren können was ist”. Der Versuch dagegen anzukämpfen sei dagegen ein Garant zu leiden. Da viele Menschen lächelnd sterben würden, sei “der Tod zum Schluss eine ganz gute Sache”, meinte die Ärztin.

Hirschhausen ist überzeugt, dass Humor und Lachen auch in kritischen Situationen helfen und Schmerzfreiheit und Humor auch am Lebensende wichtig bleiben. “In einem wissenschaftlichen Projekt auf der Palliativstation der Uniklinik Bonn wurde untersucht, was Menschen am Ende ihres Lebens für wichtig halten. Zu den Top Ten gehören Schmerzfreiheit, anderen nicht zur Last fallen und den Humor nicht verlieren”, so Hirschhausen.

Hilfe in schweren Zeiten

Da man Schmerzen in Gesellschaft leichter erträgt, sollten Menschen mit Schmerzen nicht alleine bleiben und auch etwas zu lachen bekommen. Diese Erkenntnis steht auch hinter der im Jahr 2008 von Hirschhausen gegründeten Stiftung “Humor hilft heilen (HHH, s. Kasten unten).

“Frische Luft, herzliche Zuwendung und ein Lachen – gute Medizin kann manchmal auch ganz einfach sein”, berichtete Hirschhausen.

Die Corona-Pandemie kompliziert die Betreuung in den Palliativeinrichtungen zusätzlich, beispielsweise durch die Besucher-Reglementation. Zudem treibt viele schwer kranke Patienten die Angst um, bei einer Sars-CoV-2-Infektion einen Erstickungstod zu erleiden. Dabei ist Luftnot auch bei Corona-Patienten mit Opioiden gut behandelbar.

Wichtig ist, möglicherweise anstehende Fragen vorab zu klären, zum Beispiel, ob der Patient beatmet oder reanimiert werden möchte. Die Patientenverfügung sollte dann aktuell angepasst werden. “Corona hat uns deutlich gezeigt, dass wir nicht allmächtig sind. Diese Ohnmacht müssen wir aushalten”, erklärte Hirschhausen.

Die Richtschnur jedes Handelns müsse jedoch sein, was die Patienten für ihr Leben(sende) möchten. Hirschhausen engagiert sich daher als Botschafter für das Programm “Share to Care”, das unter anderem die gemeinsame Entscheidungsfindung von Arzt und Patient fördert.

Worte sind auch Medizin

Bei der Schmerzmedikation treten Placeboeffekte von 20 bis 30 Prozent auf. Diese sind in Studien unerwünscht und werden von der eigentlichen Wirkung einer Substanz abgezogen.

Was laut Hirschhausen bisher zu wenig beachtet wurde, ist folgende Überlegung: Was ich zu einem Medikament sage, ist scheinbar ebenso wichtig wie die Medikamentenwirkung selbst. Umgekehrt kann ich die Wirkung des Medikaments durch eine lieblose Präsentation ungeschehen machen.

Folglich sollten wir bei der Ausbildung der nächsten Ärztegeneration genauso viel Aufmerksamkeit in den Beziehungsaufbau, die Kommunikation und die weise Wortwahl stecken, wie wir sie derzeit für die Lehre der Biologie, der Biochemie und der Pharmakologie aufwenden. “Denn Worte sind auch Medizin”, verdeutlichte Hirschhausen.

Klimaschutz ist Gesundheitsschutz

Dem Lancet-Climate-Countdown zufolge stellt der Klimawandel die größte Gefahr für die Gesundheit im 21. Jahrhundert dar. An erster Stelle der zehn größten globalen Gesundheitsbedrohungen stehen die Luftverschmutzung und der Klimawandel, erst an zweiter Stelle folgen nicht-übertragbare Krankheiten.

Allein an der Luftverschmutzung versterben jedes Jahr rund acht Millionen Menschen. Sauberes Wasser, saubere Luft und Nahrungsmittel stellen unsere Lebensgrundlage dar und sind durch den Klimawandel in Gefahr, betonte Hirschhausen. Das Wissen über den Klimawandel ist ausreichend vorhanden, aber – “wir kommen nicht vom Wissen zum Tun”, so der Referent.

Eine Frage der Schimpansenforscherin Jane Goodall lässt Hirschhausen seit Jahren nicht mehr los: “Wenn die Menschen so schlau sind, wie sie tun, warum zerstören wir dann unser eigenes Zuhause?” Ein Grund scheint zu sein, dass die Klimakrise nicht so einfach greifbar ist wie andere Probleme. Daher braucht es laut Hirschhausen auch die Bewegung ‚Fridays for Future‘, deren Anliegen von den ‚Scientists for Future‘ unterstützt und bekräftigt wird.

Wer glaubt, dass die Klimakrise nur weit entfernte Länder wie Bangladesch betrifft, der irrt sich. Bei den Todesfällen aufgrund von Hitzewellen befindet sich Deutschland im internationalen Vergleich auf Platz drei! Denn die deutsche Bevölkerung ist vergleichsweise alt und somit vulnerabel.

“Spätestens die Flutkatastrophe 2021, die sich direkt vor der eigenen Haustüre ereignete, hat vielen Menschen gezeigt, die Klimakrise ist nicht irgendwann und irgendwo sondern hier und jetzt”, erklärte Hirschhausen.

Selbst Teil der Lösung werden

Jeder kann etwas tun, das beginnt schon am eigenen Arbeitsplatz. So kann man beispielsweise nachfragen, wo der Strom herkommt, wie viel Müll verursacht wird (muss das so sein?) oder welche Art von Nahrungsmitteln in der Kantine angeboten werden (regional, biologisch?).

Wie Hirschhausen betonte, gibt es viele Stellschrauben an denen sich drehen lässt. Niedergelassene, die Verantwortung für den Klimaschutz übernehmen möchten, können sich bei den ‚KlimaDocs‘ (www.klimadocs.de) engagieren. Das Netzwerk aus Praxen und Kliniken klärt über den Zusammenhang von Ökologie und Gesundheit auf und vermittelt einfache Maßnahmen für den Klimaschutz.

Quelle: Exzellenzvortrag von Dr. Eckart von Hirschhausen “Wo tut es richtig weh? Schmerztherapie und Palliativmedizin in Zeiten von Pflegemangel, Pandemie und Klimakrise”, anlässlich des Deutschen Schmerz- und Palliativtags vom 22. bis 26. März 2022

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