Bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wandelt sich das pathophysiologische Verständnis: Zunehmend wird dabei die Bedeutung der Barrierefunktion der Mukosa deutlich. Ist diese gestört, so können sich Keime aus dem Mikrobiom anhaften und es kann zur bakteriellen Invasion kommen. Im Falle einer Dysbiose hat dies Auswirkungen auf das systemische Immunsystem und kann Entzündungsreaktionen hervorrufen. "Wir sind mehr und mehr davon überzeugt, dass ein Zusammenbruch der Barrierefunktion des Darmes die chronische Entzündung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa unterhält", berichtete Prof. Jan Wehkamp, Tübingen, bei einem Symposium der Falk Foundation e.V. anlässlich des Internistenkongresses 2016 in Mannheim.
Intensiv wird daher daran gearbeitet, neue Therapieoptionen zu entwickeln, die die Barrierefunktion positiv beeinflussen. Ein Beispiel ist laut Wehkamp das Phosphatidylcholin, das vor allem bei der Colitis ulcerosa die Barrierefunktion stärkt. Der Wirkstoff wird derzeit in einer klinischen Studie bei Patienten mit Colitis ulcerosa geprüft.
Hoffnungen auf therapeutische Neuerungen bei den CED gibt es auch hinsichtlich der Defensine, körpereigene Wirkstoffe im Darm mit antibiotischer Wirksamkeit. Wie bedeutsam die Defensine sind, zeigt sich schon an Befunden, wonach humanes Beta- Defensin-2 in vergleichsweise hoher Konzentration in der Muttermilch nachzuweisen ist. Erstmals ist es nun gelungen, den Wirkstoff zu isolieren und aufzubereiten. Tierexperimentelle Befunde deuten an, dass die Defensine in ihrer klinischen Wirksamkeit wahrscheinlich den Steroiden nicht nachstehen werden. Noch in diesem Jahr soll, so Wehkamp, ein klinisches Entwicklungsprogramm gestartet werden.
CED interdisziplinär angehen
Interview mit Professor Dr. Wolfgang Kruis, Evangelisches Krankenhaus Kalk in Köln.
Herr Professor Kruis, wann ist bei den CED der Hausarzt gefordert?
Kruis: Die Betreuung der Patienten erfolgt interdisziplinär durch den Hausarzt und den Gastroenterologen. Der Hausarzt ist meist der erste Ansprechpartner, deshalb müssen auch sie gut über die aktuellen Krankheitskonzepte informiert sein, um die Patienten entsprechend gut aufklären zu können. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist beim Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa von hoher Bedeutung, wobei neben allgemeinmedizinisch tätigen Kollegen und Internisten die Gastroenterologen und Chirurgen gefordert sind, damit die Patienten eine optimale Therapie entsprechend ihrem Krankheitssta-dium erhalten.
Wo gibt es noch Handlungsbedarf?
Wir können im Allgemeinen den akuten Krankheitsschub gut behandeln. Danach aber ist eine vorbeugende Therapie im Sinne einer Erhaltungstherapie angezeigt. Wir suchen daher intensiv nach Medikamenten, die die Barrie-refunktion verbessern und die dadurch auch eine effektive Sekundärprävention gewährleisten können. Hoffnungen gründen sich derzeit vor allem auf das Phosphatidylcholin, das bereits in klinischen Studien bei der Colitis ulcerosa geprüft wird und von dem wir wissen, dass es die Barrierefunktion stärken kann.
Herr Professor Kruis, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Falk Gastro-Forum
Falk Gastro-Forum "Gastroenterologie und Hepatologie: gestern – heute – morgen" am Samstag, den 25. Juni 2016 in Nürnberg; Info: www.falkfoundation.de/veranstaltungen