Bluthochdruck ist eine vermeidbare Ursache für vorzeitige Morbidität und Mortalität. Patienten mit Bluthochdruck und etablierten Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben ein besonders hohes Risiko. Das optimale Blutdruckziel bei diesen Menschen wird seit Längerem diskutiert.
Leitlinien geben einen Zielwert für Blutdruckwerte vor, welchen internistische und allgemeinärztliche Hausärzte gemeinsam mit ihren Patienten erreichen möchten. Dabei wollen Ärzte und Patienten den optimalen klinischen Nutzen ausschöpfen.
Jedoch wurde der “Je niedriger, desto besser”-Ansatz, der viele Jahre lang die Behandlung von erhöhtem Blutdruck leitete, aufgrund fehlender Evidenz aus randomisierten Studien vor allem in der Primärversorgung in Frage gestellt. Die Diskussion um niedrigere Zielwerte bleibt bestehen und Cochrane stellt die Frage, ob der Nutzen den Schaden überwiegt, wenn niedrigere Ziele als das Standardziel festgelegt werden [1].
Fazit für die Hausarztpraxis
Einige klinische (nicht hausärztliche) Leitlinien haben eine strengere Kontrolle des Blutdrucks empfohlen. Betrachtet man das Verhältnis von Nutzen zu Schaden aus dem Cochrane Review [1], so bleibt es für die Hausarztpraxis bei dem Standardziel (≤ 140/90 mmHg).
Die Ergebnisse des Reviews sind in erster Linie auf ältere Menschen mit mittlerem bis hohem kardiovaskulärem Risiko anwendbar und betreffen somit einen Großteil der Patienten in der Hausarztpraxis. Blutdruckselbstmessungen könnten vom Hausarzt regelmäßig angeregt werden.
Literatur:
- Arguedas JA, Leiva V, Wright JM. Blood pressure targets in adults with hypertension. Cochrane Database of Systematic Reviews 2020, Issue 12. Art. No.: CD004349. DOI: 10.1002/14651858.CD004349.pub3. Accessed 24 July 2021.
- Schmidt-Haghiri M, Schelling J. Evidenz für die Hausarztpraxis. Elsevier, 2021.
Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert.
Blutdruckzielwerte bei Erwachsenen mit Bluthochdruck [1]
Zusammenfassung des Cochrane Reviews in einfacher Sprache
Senkung der Blutdruckzielwerte für Patienten mit Bluthochdruck
Hintergrund
Wir führten diesen Review durch, um alle Studien zu finden und zu bewerten, in denen untersucht wurde, ob es besser ist, niedrigere Blutdruckziele für Personen mit Bluthochdruck vorzugeben als Standardwerte.
Das Hauptziel bei der Behandlung von Bluthochdruck ist es, schwerwiegenden vaskulären Komplikationen vorzubeugen. Für die Allgemeinheit der Personen mit Bluthochdruck war der Zielwert im Rahmen einer Standardbehandlung bisher, einen Blutdruck von weniger als 140/90 mmHg zu erreichen.
Einige klinische Leitlinien haben eine strengere Kontrolle des Blutdrucks empfohlen, basierend auf der Annahme, dass das Erreichen eines niedrigeren Blutdrucks zu einer stärkeren Reduzierung kardiovaskulärer Ereignisse führt.
Studienmerkmale
Die Evidenz ist auf dem Stand von Mai 2019. Wir schlossen 11 randomisierte kontrollierte Studien mit 38.688 erwachsenen Teilnehmern im Alter zwischen 20 und 80 Jahren mit arterieller Hypertonie ein, die eine Behandlung zur Senkung des Blutdrucks auf einen Standardwert im Vergleich zu einem niedrigeren Blutdruckziel erhielten.
Sie wurden im Durchschnitt über 3,7 Jahre nachbeobachtet, um Unterschiede in der Sterblichkeit und bei unerwünschten Ereignissen herauszufinden.
Hauptergebnisse
Der einzige signifikante Nutzen in der Gruppe mit den “niedrigeren” Blutdruckzielen war eine geringe Senkung der Inzidenz von Herzinfarkten und eine geringe Senkung der Inzidenz von Herzinsuffizienz. Die Gruppe mit dem niedrigeren Blutdruckzielwert zeigte jedoch einen Anstieg der Anzahl anderer schwerwiegender unerwünschter Ereignisse.
Evidenz von hoher Vertrauenswürdigkeit zeigte, dass es bei niedrigeren Werten im Vergleich zu Standardwerten des Blutdrucks keinen Unterschied in Bezug auf Todesfälle jeglicher Ursache oder schwerwiegende unerwünschte Ereignisse insgesamt gab.
Für die Allgemeinheit der Personen mit erhöhtem Blutdruck bietet die Vorgabe von niedrigeren Blutdruckzielwerten anstelle eines Standardzielwerts (≤ 140/90 mmHg) nur einen geringen Nutzen, der die damit verbundenen Risiken jedoch nicht ausgleicht. Es ist erforderlich, weitere Forschung anzustellen, damit gezeigt werden kann, ob bestimmten Patientengruppen niedrigere Zielwerte eher nutzen oder schaden würden.
Randomisierte klinische Studien
Randomisierte klinische Studien sind in ihrer Aussage verlässlich, da die Randomisierung Bias reduziert. Sie können Interventionen identifizieren, welche helfen und nicht schaden; zudem können sie unterstützen, wenn es darum geht, zwischen konkurrierenden klinischen Meinungen und Prozeduren eine Entscheidung zu treffen. Sie wirken wie eine Taschenlampe in der Dunkelheit. Aus mehreren randomisierten klinischen Studien werden von Cochrane Metaanalysen erstellt. Diese bündeln die Erkenntnisse aus mehreren randomisierten klinischen Studien und wirken im Vergleich zur Taschenlampe wie ein Scheinwerfer. Erkenntnisse aus randomisierten klinischen Studien sind von hochgradiger Qualität [2].