Serie Gender-MedizinAsthma und COPD: Frauen leiden anders

Frauen mit Asthma klagen häufiger über Giemen und Husten, betroffene Männer berichten öfter über verstärkte nächtliche Symptomatik: Auch bei der Behandlung obstruktiver Atemwegserkrankungen hilft es, geschlechtsspezifische Unterschiede zu kennen.

Weltweit leiden circa 340 Millionen Menschen an Asthma – mit steigender Inzidenz. In Deutschland beträgt die Prävalenz drei bis zwölf Prozent bei Kindern und zwei bis fünf Prozent bei Erwachsenen. Im Kindesalter sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen, dieses Verhältnis dreht sich im Erwachsenenalter aber um.

Insgesamt ist der Asthmaschweregrad bei Frauen höher als bei Männern. Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Asthma werden durch viele Faktoren beeinflusst, dabei spielen sowohl biologische Unterschiede als auch soziokulturelle Einflüsse eine Rolle.

Unterschiedliche Symptome

Frauen berichten insgesamt über eine stärkere Symptomatik als Männer. Sie leiden besonders in jungen Jahren häufiger unter Giemen und Husten, Männer klagen dagegen öfter über eine verstärkte nächtliche Symptomatik. Frauen geben häufiger spezifische Asthmasymptome wie Schlafunterbrechungen, Einschränkung der Aktivität und Kurzatmigkeit an und haben eine geringere asthmabezogene Lebensqualität.

Es gibt verschiedene Hypothesen für diese Unterschiede. So könnten Frauen die Bronchialobstruktion anders wahrnehmen. Dies wird gestützt von einem konstant höherem Dyspnoeempfinden der Frauen im Vergleich zu Männern bezogen auf die gleiche prozentuale Einschränkung des FEV1 (Einsekundenwert der Ausatmung), ganz gleich ob es sich um eine kleine oder große Einschränkung der Lungenfunktion handelt.

Auch zeigen Frauen eine größere Empfindlichkeit gegenüber Zigarettenrauch als Männer.

Zudem können die weiblichen Geschlechtshormone eine Rolle spielen. So fördert Östrogen die bronchiale Hyperreaktivität. Das FEV1 sowie das exhalierte NO (Marker für die Inflammation der Bronchien) zeigen einen zyklusabhängigen Verlauf.

Daher existiert der Begriff des prämenstruellen Asthmas. 40 Prozent der Frauen mit Asthma erleben eine Exazerbation in der Woche vor der Menstruation. Dies beruht auf einer erhöhten Inflammation in den Bronchien, was eher durch Progesteron als durch Östrogen vermittelt wird.

Eine wesentliche Differenzialdiagnose des Asthmas – besonders bei instabiler Symptomatik – ist eine funktionelle Stimmbanddysfunktion (Vocal Cord Dysfunction).

Diese tritt bei Frauen und Mädchen etwa vier- bis fünfmal häufiger auf als beim männlichen Geschlecht und führt oft zu unnötigen, auf Dauer nebenwirkungsträchtigen therapeutischen Fehlinterventionen. Dazu zählt vor allem die hochdosierte Gabe systemischer Glukokortikosteroide.

Assoziation mit Adipositas

Asthma ist bei Frauen im Gegensatz zu Männern mit Adipositas assoziiert. Bei adipösen Frauen tritt häufiger ein schweres Asthma auf als bei Männern. Fettgewebe sezerniert Östrogene und Leptin, welches ein energieregulierendes Hormon ist und Inflammation fördert.

Die Plasmakonzentrationen von Östrogenen unterscheiden sich bei adipösen und nicht adipösen Frauen nicht, bei Frauen finden sich aber trotz gleichem BMI höhere Leptinkonzentrationen als bei Männern.

Unterschiede bei der Therapie

Männer sind bei der Anwendung ihrer Asthmatherapie weniger therapieadhärent. Sie wünschen sich aber mehr Information über Wirkungsweise und Nebenwirkungen von Asthma-Medikamenten als Frauen.

Für den Leukotrienantagonisten Montelukast zeigte sich, dass sich die Asthmasymptomatik bei der Behandlung von Jungen im Alter von zwei bis neun Jahren im Gegensatz zu gleichaltrigen Mädchen signifikant besserte. In der Altersklasse der 10- bis 14-Jährigen zeigten die Mädchen im Vergleich zu den Jungen jedoch ein deutlich besseres Ansprechen.

So kann der Merksatz gelten: Montelukast wirkt bei kleinen Jungen und etwas älteren Mädchen.

COPD betrifft weltweit über 250 Millionen Menschen. Dabei steigen die Prävalenz und die Todesraten bei Frauen stetig an: So starben im Jahr 2000 in den USA erstmals mehr Frauen als Männer an COPD. Insgesamt haben sich seit 2008 die Todesraten der COPD für Männer und Frauen weltweit angeglichen.

Dies ist zum einen durch den steigenden Nikotinkonsum bei Frauen bedingt, zum anderen durch “Indoor Pollution”. Letztere betrifft besonders Frauen in Entwicklungsländern, da sie von Kindheit an zu Küchendiensten bei offener Ofenfeuerung herangezogen werden.

Bei Frauen mit COPD wird die Diagnose deutlich seltener und später gestellt als bei Männern. In der Diagnostik der COPD werden Frauen bei gleicher Anamnese viel seltener einer Lungenfunktionsprüfung zugeführt als Männer. Erst wenn diese erfolgt, wird die Diagnose auch gestellt.

Unterschiedliche Auswirkungen

Hinsichtlich der Symptomatik und ihrer Lebensqualität berichten Frauen öfter über Dyspnoe als Männer (63 versus 44 Prozent). Frauen empfinden häufiger als Männer eine Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit, zudem schätzten sie ihren Gesundheitsstatus signifikant schlechter ein (40 versus 28 Prozent).

Frauen haben auch – bestimmt durch den Saint George`s Respiratory Questionnaire (SGRQ) – eine schlechtere symptombezogene Lebensqualität als Männer und geben häufiger Depressionen an. Angststörungen, Depressionen und Osteoporose stellen bei Frauen häufiger eine Komorbidität der COPD dar.

Hinsichtlich der Auswirkungen des Rauchens entwickeln Männer häufiger ein Emphysem als Frauen. Diese weisen dagegen eher eine obstruktive Ventilationsstörung mit einer schnelleren Verschlechterung des FEV1 über die Jahre auf.

Stoppen Frauen das Rauchen, so profitieren sie zwar hinsichtlich des FEV1 mehr davon als Männer, hinsichtlich ihrer Symptomatik (zum Beispiel Auswurf) aber weniger. Das mag der Grund dafür sein, dass Frauen eine Nikotinkarenz nicht so lange durchhalten wie Männer. Außerdem könnte eine Gewichtszunahme nach Nikotinkarenz für Frauen auch eine größere Rolle spielen als für Männer.

Die COPD bei Frauen scheint ein Risiko für die Entwicklung von Lungenkrebs im Alter unter 55 Jahre darzustellen. Eine Ursache dafür kann sein, dass die Fähigkeit zur Reparatur von DNS-Brüchen bei Frauen um zehn bis 15 Prozent niedriger ist als bei Männern. Möglicherweise spielen Östrogene auch eine Rolle bei der Entwicklung des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms.

Unterschiede bei der Therapie

Bei der Therapie der COPD verursachen Männer höhere jährliche Therapiekosten als Frauen. Sowohl Frauen als auch Männer profitieren von körperlichem Training hinsichtlich ihrer Lebensqualität – ganz gleich, welche Trainingsmodalität gewählt wurde.

Bezüglich einer Sauerstofflangzeittherapie (LOT) liegen ein gutes halbes Dutzend Studien vor, die widersprüchliche Ergebnisse zeigen. Die Tendenz ist, dass Frauen unter LOT länger überleben als Männer, möglicherweise weil sie sich complianter an die erforderliche tägliche Zeit einer LOT von mindestens 16 pro 24 Stunden halten.

Fazit

  • Weibliche Geschlechtshormone („prämenstruelles Asthma“) führen zu unterschiedlicher Symptomatik bei den Geschlechtern.
  • Frauen mit Asthma klagen öfter über Husten als über Dyspnoe.
  • Angststörungen, Depressionen und Osteoporose stellen bei Frauen häufiger eine Komorbidität der COPD dar als bei Männern.
  • Frauen mit COPD sind oft unterdiagnostiziert.

Literatur

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Kommentar von Dr. Johanna Bobardt

Asthma und COPD sind komplexe Erkrankungen, die weltweit kontinuierlich zunehmen. Steigendes Patientenalter, die Verbreitung von Risikofaktoren wie Adipositas sowie Gender-Aspekte bedeuten eine weitere Dimension der Komplexität.

Dieser ist unser Gesundheitswesen aktuell vielerorts nicht gewachsen: Um eine integrierte, personalisierte und auch gendersensible Versorgung bei Asthma oder COPD zu gewährleisten, gilt es, neben der Kontinuität der Versorgung auch ihre individuelle Verfügbarkeit zu bessern.

Digitale Technologien haben bereits begonnen, die Versorgung ohne die traditionellen Einschränkungen von Ort, Zeit oder Entfernung zu optimieren. Sie haben die Art und Weise neu definiert, wie Patienten sich zu Gesundheitsthemen informieren, wie wir mit Patienten kommunizieren oder sie betreuen.

Statt einer wenig erfolgreichen individuellen Beratung zu Bewegung, Nikotinkarenz oder genderspezifischem Risiko bei COPD können wir Patienten-Edukation in Standardformaten (wie Artikel und Blogs) oder Multimedia-Angeboten (etwa Podcasts, Videos und Lernspiele) bereitstellen, die für einige Lernstile oder Themen besser geeignet sind.

Zukünftig könnten digitale Technologien auch den integralen Bestandteil der Lebensstil-Intervention bei Asthma und COPD – die Verhaltensänderung – unterstützen. Durch Mobile Health, Wearables oder Telemonitoring. Und sie könnten diese Prozesse durch die Verknüpfung mit Patientendaten individualisieren – nach Geschlecht, persönlichen Risikofaktoren und Lerntyp.

Die erfolgreiche Einbindung der Patienten in die Versorgung ihrer chronischen Erkrankungen wird künftig eine immens wichtige Rolle spielen. Nicht nur für ihr gesundheitliches Outcome oder die Kosten des Gesundheitssystems, sondern auch für uns HausärztInnen.

Patienten müssen mehr Verantwortung für Prävention, ihren Lebensstil und ihre Gesundheit übernehmen, damit auch wir unsere Verantwortung weiter erfüllen können: Lotsen sein, durch ein immer komplexeres Gesundheitssystem der Zukunft.

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