Corona-Impfung4. Impfung für unter 60-Jährige? Das sagen Experten

Ab welchem Alter eine zweite Auffrischungsimpfung gegen Covid-19 empfohlen werden sollte, darum gibt es aktuell erneut Diskussionen. Denn: Gesundheitsminister Karl Lauterbach empfahl den zweiten Booster kürzlich auch für unter 60-Jährige. Was halten Experten davon?

Vierte Corona-Impfung: In den USA ist sie bereits ab 50 Jahren empfohlen.

München. In der vergangenen Woche empfahlen die europäische Gesundheitsbehörde ECDC und die europäische Arzneimittelbehörde EMA eine 2. Auffrischungsimpfung gegen Covid-19 für alle Menschen über 60 Jahren (wir berichteten). Die STIKO empfiehlt dies hierzulande bisher lediglich über 70-Jährigen, außerdem Menschen mit Vorerkrankungen und medizinischem Fachpersonal.

Dann meldete sich Anfang dieser Woche Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach und plädierte dafür, dass auch unter 60-Jährige einen zweiten Booster in Betracht ziehen sollten. Damit ging er weit über die Empfehlungen der STIKO und der ECDC hinaus – was wiederum vom STIKO-Vorsitzenden Professor Thomas Mertens kritisiert wurde.

Arbeitsgruppe soll zwischen STIKO und BMG vermitteln

Unter anderem dieser erneute Disput hat wohl dazu geführt, dass jetzt eine Pandemie-Arbeitsgruppe (PAIKO-AG) innerhalb der STIKO eingeführt werden soll, die “die Kommunikation zwischen der unabhängigen wissenschaftlichen Impfkommission und Bundesministerium für Gesundheit (BMG) verbessern soll”, wie das BMG mitteilte.

Er kenne keine Daten, die Lauterbachs Ratschlag rechtfertigten, sagte Mertens der „Welt am Sonntag“ und fügte hinzu: „Ich halte es für schlecht, medizinische Empfehlungen unter dem Motto ‘viel hilft viel’ auszusprechen“. Dass die ECDC und die EMA einen zweiten Booster ab 60 Jahren empfiehlt, hält Mertens aber für vertretbar: „Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für einen schweren Verlauf. Es ist nicht einfach, hier einen genauen Cut beim Alter zu machen.“

Die Verwirrung dürfte daher auch bei vielen Patientinnen und Patienten groß sein. Das “Science Media Center” hat drei Experten um ihre Meinung gebeten.

Auch mit vierter Impfung keine sterile Immunität!

Einig sind sich Professor Christian Bogdan, Universitätsklinikum Erlangen und Mitglied der STIKO, und Professor Andreas Radbruch, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin. “Die Covid-19-Impfung dient einzig und allein dazu, schwere Sars-CoV-2-Infektionen, Hospitalisierung und Tod infolge von Covid-19 zu verhindern”, betont Bogdan. “Bei immunkompetenten Personen ohne Vorerkrankungen wird dieses Ziel bei den momentan zirkulierenden Virusvarianten durch drei Impfungen erreicht. Weitere Impfungen bringen bei dieser Personengruppe derzeit keinen Zusatznutzen.”

Anders sehe es bei immunkompromittierten Personen – zum Beispiel betagte Menschen und Menschen mit Tumorleiden oder Transplantaten – aus, die gegebenenfalls nach drei Impfungen keinen ausreichenden Schutz aufbauen. Hier sei eine vierte Impfung in jedem Fall ratsam – wie es die STIKO seit längerem empfehle.

Radbruch fügt hinzu: “Der Schutz vor schwerer Erkrankung und Tod (Eigenschutz) liegt bereits nach der zweiten Impfung bei 90 und nach der dritten bei 94 Prozent, langfristig und auch gegen Omikron. Da wird die vierte Impfung nicht viel draufsetzen für die Jüngeren, eher für die Älteren, und da kann man diskutieren, ob ab 60 oder 70 oder 80 Jahren.”

Haben zusätzliche Impfungen einen Nachteil?

Ein viel wichtigerer Faktor sei, wie gut die einzelne Person auf die ersten drei Impfungen reagiert hat, unabhängig von ihrem Alter. “Aus immunologischer Sicht wäre es verantwortungsbewusst, die Non-Responder der Risikogruppen serologisch zu erfassen und sie passiv prophylaktisch zu schützen – mit Antikörperpräparaten.” Wobei hier beachtet werden muss, dass viele Antikörperpräparate gegen die neuen Virusvarianten ihre Wirkung verloren haben beziehungsweise gegen künftige Varianten möglicherweise noch verlieren werden.

Die Frage, ob klinisch nicht-indizierte zusätzliche Corona-Impfungen eher Nachteile haben, ist derzeit unklar. Diskutiert wird vor allem, ob durch wiederholte Corona-Impfungen das Immunsystem gesättigt wird.

Laut Radbruch gibt es erste Hinweise, dass eine starke Immunität gegen eine bestimmte Variante des Virus das Immunsystem so prägt, dass es schlecht gegen eine neue Variante reagiert. “Es bleibt abzuwarten, ob sich dieser Effekt auch durch zu viel ‘blindes’ Boostern einstellen wird, und bei wem. Ganz unerwartet wäre es nicht.“

Long-Covid auch für Jüngere ein Problem

Professor Andreas Thiel von der Charité – Universitätsmedizin Berlin betont dagegen: “Es gibt meines Erachtens keine Studien, die negative Effekte [durch wiederholtes Boostern] auf die Immunität aufzeigen. Ich würde daher auch infrage stellen, dass es im Moment bekannte immunologische Risiken gibt. Für die jährlichen Impfungen mit unterschiedlichen Influenza-Impfstoffen, die ja für vulnerable Gruppen ausdrücklich empfohlen wird, sind keine Studien bekannt, die einen negativen Effekt einer solchen Empfehlung aufzeigen.“

Bei abfallendem Immunschutz werde das Immungedächtnis durch eine Auffrischungsimpfung reaktiviert, sei dagegen noch ausreichend Schutz vorhanden, nehme diese Aktivierung entsprechend ab. “Die Immunität gegen einen Erreger oder eine Impfung ist im Allgemeinen gedeckelt, das heißt, dass das Immunsystem sein immunologisches Gedächtnis gegen einen Erreger nicht ins Unendliche steigern kann”, erklärt Thiel.

Vielmehr betont er die Gefahr von Long- und Post-Covid, die durch eine vierte Impfung möglicherweise nochmals reduziert werde. “Long Covid ist auch nach Omikron für Jüngere ein Problem – wenn auch deutlich geringer bei dreifach Geimpften. Mit einer vierten Impfung können auch Jüngere aber zurzeit ihr Long-Covid-Risiko wahrscheinlich nochmals senken.”

Im Großen und Ganzen schließe er sich daher der Empfehlung von Lauterbach an, auch bei unter 60-Jährigen eine zweite Auffrischungsimpfung in Betracht zu ziehen.

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