Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist schon erstaunlich: Da schluckt man ein paar Pillen, und schon fühlt man sich besser, obwohl es nur Placebos waren.
Noch vor wenigen Jahren war es unter Medizinern und Wissenschaftlern verpönt, den Placeboeffekt als heilende Komponente in den medizinischen Alltag zu integrieren und ihn auch sinnvoll für Patienten zu nutzen. Das hat sich geändert. Aber ein gewisses Mysterium bleibt. Obwohl es mittlerweile seriöse Studien zum Placebophänomen gibt, lässt sich die Wirkung immer noch nicht wissenschaftlich fundiert erklären. Dabei kann man mittlerweile im Kernspin in bestimmten Hirnregionen eine durch Placebo ausgelöste Ausschüttung von Hormonen und Neurotransmittern nachweisen, so der Medizinhistoriker Robert Jütte, der sich zusammen mit der Bundesärztekammer schon seit längerem der Erforschung dieses Themas widmet.
Aber zu viele Faktoren spielen beim Placeboeffekt eine Rolle, zum Beispiel auch, was ein Medikament kostet. Je teurer das Medikament, desto größere Heilkraft wird ihm vom Patienten zugesprochen. Diesen Zusammenhang zeigte eine Pilotstudie mit Parkinson-Patienten, bei der nur Scheinmedikamente verabreicht wurden. "Diese Studie ist bedeutend für die medizinische Praxis," so Prof. Ulrike Bingel von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. "Es geht hier aber nicht nur um billig versus teuer", so Bingel, sondern für jede Ärztin, jeden Arzt sollte es eine wesentliche Aufgabe sein, die Erwartungen der Patienten an eine Therapie durch gezielte und individuell angepasste Kommunikation positiv zu beeinflussen. Denn die Erwartungshaltung des Patienten spielt eine entscheidende Rolle und Glaube und Hoffnung können ja bekanntlich Berge versetzen.
In dem Zusammenhang erstaunt es dann schon, dass Placebos selbst dann helfen, wenn der Patient weiß, dass es sich um ein Placebo handelt. Das wollen Wissenschaftler aus Harvard in einem Experiment mit 40 Reizdarmpatienten gezeigt haben. Sie interpretieren das Ergebnis so, dass es folglich nicht nur allein der positive Glaube an Heilung sein kann, der Placebos diese Wirkung haben lässt, sondern dass auch das "medizinische Ritual" der Medikamenteneinnahme offensichtlich einen entscheidenden Einfluss nimmt.
Da könnte man fast auf die Idee kommen, einige Patientenfälle auf Placebo zu setzen; das würde die Kosten im Gesundheitswesen sicherlich drastisch positiv beeinflussen.
Das meint Ihre Dr. Monika von Berg
Chefredakteurin "Der Hausarzt"