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Aus Wissenschaft und ForschungHA 09/21: Die DEGAM informiert

Auf diesen Seiten stellt die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) neueste medizinische Erkenntnisse vor, die für den Praxisalltag der Hausärzte relevant sind.

Was tut sich in Medizin und Forschung?

Die allermeisten Patientinnen und Patienten werden in Hausarztpraxen versorgt. Dennoch findet dort bisher nur wenig Forschung statt. Daher fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung den Aufbau einer nachhaltigen Netzwerkstruktur für Forschungspraxen, die wir in dieser und in kommenden Ausgaben vorstellen.

Gerne können interessierte Hausärztinnen und Hausärzte mit den Forschungspraxennetzen ihrer Region oder mit der gemeinsamen Koordinierungsstelle der Initiative Deutscher Forschungspraxennetze (DESAM-ForNet) in Kontakt treten: https://www.desam-fornet.de/Forschungspraxennetze

RESPoNsE – Forschungspraxennetz Berlin Brandenburg Thüringen

“Praktische mit wissenschaftlichen Erfahrungen verbinden, um miteinander relevante Forschungsfragen für die hausärztliche Patientenversorgung zu beantworten” – so lautet die Mission von RESPoNsE. Zum Aufbau dieses Forschungspraxennetzes haben sich die Institute für Allgemeinmedizin in Berlin und Jena zusammengetan.

Seit letztem Jahr arbeiten sie daran, dass versorgungsrelevante Studien in hausärztlichen Praxen in Berlin, Brandenburg und Thüringen durchgeführt werden können. Dabei ist es den Teams aus beiden Instituten besonders wichtig, dass Hausärzte und MFA von Anfang an in Forschungsvorhaben eingebunden werden. Dadurch sollen die Ergebnisse der Forschung auch in der hausärztlichen Versorgung ankommen und umgesetzt werden.

Interessierte Praxen können nicht nur an laufenden Forschungsprojekten teilnehmen, sondern auch von Anfang an neue Studien mitgestalten. Auch Ideen für konkrete Forschungsthemen können sie gerne einbringen – zum Beispiel über die Homepage, aber auch in regelmäßig stattfindenden Netzwerktreffen. Ein aus Hausärzten und MFA bestehender Praxisbeirat an beiden Standorten berät die Wissenschaftler zu Relevanz und Umsetzbarkeit von Forschungsvorhaben.

Für die am Netzwerk teilnehmenden Hausärzte und MFA werden regelmäßig Fortbildungen angeboten, sowohl zu Forschungsthemen als auch zu für den Praxisalltag relevanten Themen. Darüber hinaus möchte das Netzwerk den Austausch der Praxen untereinander und mit den akademischen Einrichtungen fördern.

Weitere Informationen finden Sie unter: https://forschungspraxennetz.charite.de

Straßenbäume gegen Depressionen

Vieles weist darauf hin, dass sich Naturerleben positiv auf die psychische Gesundheit auswirkt. Um herauszufinden, ob Straßenbäume vor Depressionen schützen können, verknüpften Forscher Daten einer großen Kohortenstudie in Leipzig mit den Angaben des Baumkatasters.

Für 10.000 Teilnehmende lagen Adresse und Verordnungsdaten für Antidepressiva vor; die Baumdaten lieferten Informationen zu Dichte und Artenmischung der Bäume im Umkreis der Wohnung. Wuchsen in der näheren Umgebung (100 Meter Umkreis) mehr Straßenbäume, war die Wahrscheinlichkeit niedriger, dass Patienten Antidepressiva benötigten.

Wenn Störfaktoren mitberücksichtigt wurden, war dieser Zusammenhang allerdings nur ganz knapp signifikant. Interessanterweise fanden sich dort mehr Straßenbäume, wo Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status wohnten.

Weiter entfernte Bäume hatten keinen Einfluss, ebenso war die Artenmischung unerheblich. Eine vorab geplante Subgruppenanalyse stellte besonders für Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status einen positiven Einfluss des Straßengrüns fest: Bei ihnen reduzierte sich das Risiko für eine Verschreibung von Antidepressiva auf das geringere Niveau von reicheren und gebildeteren Menschen.

Die Autoren diskutieren ursächlich einen möglichen stressreduzierenden Effekt von Natur im Alltag beim Blick aus dem Fenster oder beim Verlassen des Hauses.

Wegen des Querschnittdesigns hat die Studie nur eine geringe Aussagekraft. Die Forscher erfassten nur die Verordnung von Antidepressiva und nicht das Vorliegen einer Depression selbst. Auch berücksichtigten sie außer Straßenbäumen keine andere Natur, zum Beispiel in Privatgärten und Parks.

Fazit: Möglicherweise lohnt sich ein Engagement für mehr Straßenbäume, auch wenn die Reduktion von Depressionen nicht sicher bewiesen ist: Mehr Grün und Schatten gibt es auf jeden Fall und schwerwiegende Nebenwirkungen sind nicht zu erwarten.

Marselle MR, Bowler DE, Watzema J et al. Urban street tree biodiversity and antidepressant prescriptions. Nature (2020) 10:22445. doi: 10.1038/s41598-020-79924-5

Problemorientiertes Lernen für Herzpatienten

Im Medizinstudium wird vielerorts Problemorientiertes Lernen unterrichtet: Die Studierenden lernen anhand von Patientenfällen selbstgesteuert in kleinen Gruppen. Der Wissenszuwachs ist ähnlich wie bei Vorlesungen, klinisches Denken und Teamarbeit erlernen sie aber besser.

Eine randomisierte Studie in Schweden hat diese Methode zur Patientenedukation in der Nachsorge bei KHK eingesetzt (nach Herzinfarkt, Stentimplantation oder Bypass-OP). Die 79 Patienten der Interventionsgruppe trafen sich über ein Jahr hinweg 13-mal in einer Gruppe mit sechs bis neun Teilnehmenden, um sich anhand praktischer Beispiele Aspekte der kardiovaskulären Nachsorge selbst zu erarbeiten.

Die zweistündigen Sessions fanden in der Hausarztpraxis statt; eine dafür ausgebildete Krankenschwester moderierte sie. Die 78 Patienten der Kontrollgruppe bekamen zu den gleichen Zeitpunkten vergleichbare schriftliche Informationen nach Hause geschickt.

Von 446 angesprochenen Patienten lehnten 246 eine Teilnahme ab, viele wegen des Zeitaufwands. Durchschnittlich nahmen die Interventionspatienten an acht der 13 Gruppentreffen teil. In beiden Gruppen schieden circa 25 Prozent der Patienten im Verlauf aus.

Primärer Endpunkt der Studie war das mit einem Fragebogen erhobene Patienten-Empowerment. Dieser Endpunkt sowie eine Reihe weiterer sekundärer Endpunkte wie Selbstwirksamkeit unterschieden sich in beiden Gruppen nicht. Allerdings nahmen Teilnehmende der Gruppentreffen durchschnittlich 830 Gramm ab, während die Patienten der Kontrollgruppe 1,1 Kilogramm zunahmen. Ebenso erhöhte sich das HDL-Cholesterin der Interventionsgruppe um 0,1 mmol/l.

Fazit: Nur ein Teil der KHK-Patienten scheint das Nachsorge-Angebot durch Problemorientierte Lerngruppen anzunehmen. Die Verbesserungen von sekundären Endpunkten sind mit Vorsicht zu interpretieren. Sie könnten aber darauf hinweisen, dass dieser Lernansatz befähigen kann, Verhaltensänderungen besser umzusetzen.

Köhler AK , Jaarsma T, Tingström P, Nilsson S. The effect of problem-based learning after coronary heart disease – a randomised study in primary health care (COR-PRIM). BMC Cardiovascular Disorders (2020) 20:370.

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