Berlin. Unter anderem mit dem Aufbau einer nationalen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dafür sorgen, dass künftig der Forschung mehr Gesundheitsdaten, verknüpft aus unterschiedlichen Stellen, zur Verfügung stehen. Die zentrale Stelle soll beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angesiedelt sein.
Das geht aus dem Referentenentwurf für ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) hervor, der – zeitgleich mit einem Entwurf für ein Digitalisierungsgesetz – am Dienstag (20. Juni) publik geworden ist.
Kranken- und Pflegekassen sollen aber auch mehr Recht eingeräumt werden, personenbezogene Daten ihrer Versicherten auszuwerten. Das wird explizit als Ziel des Gesetzes genannt, nämlich dass „den gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen die stärkere Nutzung ihrer eigenen Daten zur Verbesserung der Versorgung“ ermöglicht wird.
Versicherte müssen aktiv widersprechen
Ohne Einwilligung des Versicherten dürfen Kassen laut Gesetzentwurf dann Daten auswerten, wenn sie damit folgende Zwecke verfolgen:
- Früherkennung von seltenen Erkrankungen,
- Durchführung von Maßnahmen zur Überprüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit zur Erkennung von Gesundheitsgefahren,
- risikoadaptierten Früherkennung von Krebsrisiken oder
- Durchführung weiterer vergleichbarer Maßnahmen zur Erkennung und Identifizierung akuter und schwerwiegender Gesundheitsgefährdungen soweit dies im überwiegenden Interesse der Versicherten ist.
Will ein Versicherter das nicht, muss er aktiv widersprechen. Sollte eine Kasse eine konkrete Gesundheitsgefährdung identifizieren, muss der Versicherte umgehend informiert werden, heißt es im Gesetzesentwurf und weiter: „Diese Unterrichtung ist als unverbindliche Empfehlung auszugestalten, medizinische Unterstützung eines Leistungserbringers in Anspruch zu nehmen. “ Die ärztliche Therapiefreiheit des Leistungserbringers werde dabei nicht berührt.
Kassen wollen Abrechnungsdaten früher haben
In einer weiteren Passage heißt es, dass Abrechnungsdaten laut Gesetzentwurf bereits vor einer Bereinigung im Zuge von Abrechnungsprüfungen an die Kassen übermittelt werden. Was „vor Bereinigung“ genau heißt und warum Krankenkassen die Daten früher erhalten sollen, ist bislang unklar.
„Alarmierend ist, dass Krankenkassen zukünftig auf Grundlage von Versichertendaten Warnungen an die Patientinnen und Patienten ausspielen können sollen, wenn sie der Meinung sind, dass diese an bestimmten schweren Erkrankungen leiden könnten“, sagt Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes.
Beier fürchtet, dass Menschen eine unspezifische Warnung von ihrer Krankenkasse erhalten könnten, die „viele nachvollziehbarerweise verängstigen wird – ohne dass ersichtlich ist, worum es überhaupt geht.“
“Sehr weitgehender Eingriff” ins System
Dass Kassen Patientinnen und Patienten ohne ausdrückliche Zustimmung ansprechen können bzw. Versichert aktiv widersprechen müssen, findet Beier einen sehr weitgehenden Eingriff, der auch rechtlich intensiv geprüft werden müsse.
Hinzu kommt, so Beier weiter: „Ob die Krankenkassen überhaupt in der Lage sind, auf Basis der Abrechnungsdaten zu inhaltlich sinnvollen Einschätzungen zu kommen, muss stark bezweifelt werden. Wir sind in Deutschland in der Vergangenheit gut damit gefahren, dass Krankenkassen, die ja insbesondere daran interessiert sind Kosten zu sparen, sich im Interesse der Patientinnen und Patienten bei medizinischen Fragen rauszuhalten haben. Dieses bewährte Prinzip wird fahrlässig über Bord geworfen.“
Das GDNG soll zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.