Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) hat in der Pandemie zwar keine generelle Impfempfehlung für gesunde Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren ausgesprochen. Sie empfiehlt Impfungen gegen das Coronavirus aber für 12- bis 17-Jährige mit bestimmten Vorerkrankungen (s. unten). „Nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem Wunsch und der Risikoakzeptanz von Kindern, Jugendlichen oder ihren Eltern“ ist eine Impfung darüber hinaus auch bei gesunden jungen Leuten möglich. Das geht aus der am Donnerstag (10. Juni) veröffentlichten, insgesamt sechsten Überarbeitung der Impfempfehlung hervor (Epid Bull 23/2021).
Deutscher Hausärzteverband und der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) loben die STIKO-Empfehlung als gute Grundlage für die Beratung im Praxisalltag. “Mit dieser Empfehlung können wir arbeiten – sie definiert eine eindeutige Gruppe und lässt dennoch Freiraum für individuelle Impfentscheidungen“, betonten BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach und Hausärzte-Chef Ulrich Weigeldt am Donnerstag (10. Juni).
Gleichzeitig setze die STIKO ein Signal, dass “die Entscheidung für eine Impfung immer noch bei Wissenschaft und Medizin, Ärztinnen und Ärzten sowie Patientinnen und Patienten liegt – und nicht bei der Politik”, unterstreichen Weigeldt und Fischbach. Dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bereits vor EMA-Zulassung und STIKO-Empfehlung die “Kinder-Impfung für alle” angekündigt hatte, hatte der Deutsche Hausärzteverband scharf kritisiert.
Wichtig in der Praxis: 12- bis 17-Jährige sollen mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty von Biontech/Pfizer geimpft werden. Die Impfdosen entsprechen jenen der Erwachsenen. Es sollen zwei Dosen im Abstand von drei bis sechs Wochen gegeben werden.
Schutzwirkung unbestritten – doch Nebenwirkungen schwer zu beurteilen
“Es geht um eine Abwägung von Nutzen und möglichem Risiko”, sagte der STIKO-Vorsitzende Prof. Thomas Mertens auch am Donnerstag. Die Wirkung der Impfung für 12- bis 17-Jährige sei dabei unbestritten. “Die Schutzwirkung ist sehr gut”, betonte Mertens.
Doch: Durch die relativ kleine Gruppe von rund 1.100 Kindern und Jugendlichen in der Zulassungsstudie und einen Beobachtungszeitraum von nur zwei Monaten seien aber mögliche schwere Nebenwirkungen nicht hinreichend auszuschließen. Dazu sei das Risiko für 12- bis 17-Jährige, schwer an Covid-19 zu erkranken, sehr gering.
Klare Empfehlung für zwölf Krankheitsbilder
Nach STIKO-Angaben leiden von den rund 4,5 Millionen 12- bis 17-Jährigen in Deutschland Schätzungen zufolge rund 379.000 generell an Vorerkrankungen. Die STIKO schränkt ihre Impfempfehlung allerdings auf rund ein Dutzend, teils schwerer Krankheitsbilder ein, die mit erhöhtem Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf einhergehen:
- Adipositas (> 97. Perzentile des BMI)
- schlecht eingestellter Diabetes mellitus (HbA1c > 9,0%)
- angeborene oder erworbene Immundefizienz oder relevante Immunsuppression
- angeborene zyanotische Herzfehler
- schwere Herzinsuffizienz
- schwere pulmonale Hypertonie
- chronische Lungenerkrankungen mit einer anhaltenden Einschränkung der Lungenfunktion
- chronische Niereninsuffizienz
- chronische neurologische oder neuromuskuläre Erkrankungen
- maligne Tumorerkrankungen
- Trisomie 21
- syndromale Erkrankungen mit schwerer Beeinträchtigung
Zusätzlich geht es um eine Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren, in deren Umfeld sich Angehörige oder andere Kontaktpersonen mit hoher Gefährdung für einen schweren Covid-19-Verlauf befinden. Dabei geht es aber um Menschen, die selbst nicht geimpft werden können oder bei denen der begründete Verdacht auf einen nicht ausreichenden Schutz nach Impfung besteht.
Zi berechnet eine halbe Million Impflinge
Aus Berechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) geht hervor, dass unter die genannten Kriterien rund eine halbe Million junge Menschen fallen. Eine Auswertung des Zi zeigt, dass etwa elf Prozent aller Jugendlichen in Deutschland in der fraglichen Altersgruppe mindestens eines dieser Risikomerkmale aufweisen.
“Bei gesetzlich Versicherten ergeben sich bundesweit etwa 402.000 Impflinge”, teilte das Institut am Freitag (11. Juni) mit. “Unter Berücksichtigung der Privatversicherten sind bundesweit etwa 452.000 potenzielle Impflinge betroffen.” Knapp die Hälfte davon leidet unter Asthma.