Mehr, aber schlechterer Schlaf
Wie steht es um den Schlaf in diesen schweren Zeiten? Dieser Frage ging der Kongress am ersten Tag nach. Dabei handelt es sich um eine naheliegende und sehr berechtigte Frage. Denn laut Dr. Christine Blume vom Zentrum für Chronobiologie an der Universitätsklinik Basel hat sich die Nachtruhe während der Pandemie verändert.
Sie und ihr Team untersuchten in einer Studie [1] mit 435 Teilnehmern, wie sich der erste Lock-Down auf das Schlafen auswirkte. Positiv zu vermelden ist, dass “die Schlafdauer an Arbeitstagen um durchschnittlich 13 Minuten zugenommen hat”, so Dr. Blume. Und der sogenannte soziale Jetlag, die durch äußere Faktoren bedingte Restriktion des Schlafs – etwa früh aufstehen, weil man zum Job muss, aber noch total müde ist – hat abgenommen.
Diese Effekte sind auf mehr Flexibilität bei der Gestaltung des Arbeitsalltags zurückzuführen oder wie Dr. Blume es ausdrückt “auf die Lockerung des sozialen Korsetts”. Das bewirkt eine bessere Passung externer und interner Rhythmen beim Schlaftiming. Von der übrigens nach ihren Worten vor allem sogenannte spätere Chronotypen profitieren – also unter uns gesagt die Langschläfer.
Was sich durch Corona allerdings verschlechtert hat, ist die Qualität des Schlafs. Eine Konsequenz aus den gewachsenen Belastungen, denen so viele ausgesetzt sind: “Unter anderem die Isolation durch Kontaktbeschränkung, finanzielle Sorgen und das heimische Management von schulpflichtigen Kindern sowie Kleinen, die eigentlich in den Kitas wären”.
Das alles bleibt nicht ohne Folgen. Auch andere Studien zu dem Thema, wie aus den USA [2] oder Argentinien [3], kamen nach den Worten von Dr. Blume unabhängig voneinander zu den gleichen Schlüssen: es wird mehr, aber schlechter geschlafen.
Träumen Sie schon oder schlafen Sie noch?
Wenn sich die Schlafqualität verschlechtert, könnte das auch Auswirkungen auf das Träumen haben. Ganz genau, wie Dr. Brigitte Holzinger vom Institut für Bewusstsein und Traumforschung in Wien, bestätigt. Es wird intensiver geträumt. Und vor allem: “Die Traumerinnerung hat deutlich zugenommen”. Das sind die ersten Teilergebnisse der laufenden ICOSS-Studie [4], an der Dr. Holzinger und ihr Institut beteiligt sind.
Unter den 15 teilnehmenden Ländern befinden sich auch Österreich und Deutschland.
Angst macht krank – und schlaflos
Die Corona-Pandemie macht Angst und verstärkt entsprechend Probleme mit dem Schlaf. Diese einleuchtende These hat die Psychologin Dr. Madeleine Fink, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Universitätsklinik Duisburg-Essen, genauer unter die Lupe genommen: nämlich in der Online-Befragung “Schlafbeschwerden, Angst und generalisierte Angst während des Covid-19-Shutdowns in Deutschland”, an der vom 10.3. bis 30.4.2020 über 16.200 Personen teilnahmen.
Dr. Fink wurde mit sehr interessanten Ergebnissen fündig. So war am 18. März 2020, als Bundeskanzlerin Merkel ihre Ansprache zur Corona-Situation im Fernsehen hielt, “ein großer Anstieg der Angst zu verzeichnen”. Der nächste Peak war die Verkündung der Kontaktsperre am 20. März 2020, nur zwei Tage danach. Auch die Börsendaten wirkten sich laut Dr. Fink direkt aus: “Als der DAX so deutlich fiel, nahm der Angstscore erheblich zu”.
Das zeigt: Die aktuellen Geschehnisse rund um das Corona-Virus und deren Berichterstattung in den Medien beeinflussen unmittelbar das Angstempfinden. Das wiederrum beeinträchtigt die Nachtruhe und führt zur Zunahme von Schlafbeschwerden.
Neue Arbeitszeitmodelle für gesünderen Schlaf
Die aktuelle Situation gibt uns die Gelegenheit, so einige Strukturen zu überdenken – vor allem unsere Arbeitsbedingungen sagt der Düsseldorfer Schlafmediziner Prof. Dr. Helmut Frohnhofen. “Zahlreiche Studien haben gezeigt, welch wichtige Rolle berufliche Faktoren für die individuelle Schlafqualität spielen”. Die mit der Digitalisierung und Globalisierung stetig steigenden Anforderungen sorgen nicht nur oftmals für unzureichenden Schlaf, sondern setzen auch dessen Qualität herab – nicht minder riskant.
Deshalb sollte man bei zu wenig oder schlechtem Schlaf stets eine berufliche Überbelastung berücksichtigen. Zumal unzureichender Schlaf einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung eines Burnouts ist.
Wie auch Studien belegen, gehen zwei zentrale Beschwerden beim “Ausgebranntsein”, herabgesetzte Leistungsfähigkeit und körperliche Erschöpfung, eindeutig auf Schlafprobleme zurück. Neue Arbeitszeitmodelle mit einer physiologisch besser passenden Aufteilung können Auswege aus dieser so verbreiteten und gefährlichen Spirale eröffnen.
Erste Ansätze dafür haben sich bereits im Zuge der durch die Pandemie flexibler gewordenen Arbeitswelt ergeben. Denn das Home-Office empfinden viele als Entlastung. So gesehen birgt unsere schwere Corona-Zeit ja vielleicht auch Chancen.
Quellen:
1. Blume C. et al. Effects of the COVID-19 lockdown on human sleep and rest-activity rhythms. Current Biology 2020; 30 (14): R 795 – R 797.
2. Wright et al. Sleep in university students prior to and during COVID-19 Stay-at-Home orders. Current Biology 2020; 30 (14): R 797 – R 798.
3. Leon et al. 2020
4. International Covid Sleep Study (ICOSS) 2020