Hätten Sie bei Frostbeulen an den Zehen an eine SARS-CoV-2-Infektion gedacht? Auch die sogenannten Covid-Zehen können als spätes Symptom der Erkrankung auftreten.
Betroffen sind vor allem jüngere Patienten mit leichter Covid-19-Symptomatik. Die akralen erythematösen Schwellungen, die auch Vesikel und Pustel aufweisen können, sind an sich zwar relativ harmlos, verursachen aber bei einem Drittel der Betroffenen Schmerzen und/oder Juckreiz. Oft gehen die Pseudo-Frostbeulen nach knapp zwei Wochen wieder zurück, auch ohne Behandlung.
Obwohl die Covid-Zehen für einzelne Patienten sehr belastend sein können, gibt es schwerwiegendere Spätfolgen der Coronavirus-Infektion, die mittlerweile auch Long-Covid oder Post-Covid-Syndrom genannt werden.
Gemeint sind damit jene Symptome, die über mehrere Wochen oder Monate nach der akuten Infektion andauern.
Etwa ein Viertel aller Covid-19-Patienten entwickelt Symptome, die mindestens ein Monat lang persistieren. Jeder Zehnte hat auch nach drei Monaten noch Beschwerden, vielen macht die Erkrankung deutlich länger zu schaffen.
In einer Studie aus Wuhan litten etwa drei Viertel der Patienten, die wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt wurden, noch sechs Monate nach dem Auftreten der ersten Symptome an Langzeitfolgen.
Große Vielfalt an Symptomen
Das Spektrum der Symptome und der Schweregrade ist breit. Die meisten Betroffenen klagen über Müdigkeit und Erschöpfung. In einer niederländisch-belgischen Studie war die Fatigue drei Monate nach dem Abklingen der akuten Infektion mit 87 Prozent die häufigste Langzeitkomplikation, noch vor Dyspnoe, die 71 Prozent der Patienten quälte.
Auch die bekannten Covid-19-Symptome wie Störungen von Geruchs- und Geschmackssinn können monatelang bestehen bleiben.
Besonders besorgniserregend sind Manifestationen an Herz, Niere und Gehirn. Vor allem Herzerkrankungen zogen Aufmerksamkeit auf sich, weil davon auch vorher fitte Sportler betroffen waren. In der COVERSCAN-Studie zeigte sich, dass fast 70 Prozent der vorher gesunden Covid-19-Patienten mittleren Alters vier Monate nach den ersten Covid-19-Symptomen Beeinträchtigungen in einem oder mehreren Organen aufwiesen.
23 Prozent hatten eine leichte systolische Dysfunktion und 11 Prozent Anzeichen einer Myokarditis. Leichte Organschäden wurden im Herzen (32 %), in der Lunge (33 %), in den Nieren (12 %), Leber (10 %), Pankreas (17 %) und Milz (6 %) gefunden.
Häufig neurologische Spätfolgen
Neurologische Spätfolgen sind ebenfalls keine Seltenheit. Jüngere Patienten und solche mit schweren Covid-19-Verläufen sind häufiger davon betroffen. Vielen Patienten machen ein vernebeltes Gehirn und kognitive Funktionseinschränkungen zu schaffen, wie 85 Prozent der Patienten mit Long-Covid-Symptomen in einer internationalen Umfrage angaben.
75 Prozent litten an Konzentrationsschwäche, 65 Prozent hatten Schwierigkeiten beim Denken. Die kognitiven Störungen nahmen in den ersten drei Monaten zu und waren in allen Altersgruppen zu beobachten.
Weitere häufige neurologische Spätfolgen, die in Studien beobachtet wurden, sind Myalgien, Kopfschmerzen, Enzephalopathie und Schwindel. Mit der steigenden Zahl an SARS-CoV-2-Infektionen werden auch seltene und sehr seltene neurologische Manifestationen beobachtet, z.B. eine kraniale Neuritis, kortikale Blindheit, Opsoklonus-Myoklonus-Ataxie-Syndrom und das Guillain-Barré-Syndrom.
Psychische Probleme und geringere Lebensqualität
Die Langzeitfolgen von Covid-19 können sich erheblich auf das Leben der Betroffenen auswirken. Neben den oben genannten Symptomen sind die Patienten oft auch psychischen Belastungen ausgesetzt. 14 bis 90 Tage nach der Diagnose von Covid-19 werden vermehrt psychische Erkrankungen diagnostiziert, darunter am häufigsten Angststörungen, Schlafstörungen und Demenz.
Einer französischen Studie zufolge sinkt mit dem Auftreten von Spätfolgen auch die Lebensqualität. 22 Prozent der untersuchten Patienten mit Long-Covid arbeiteten nicht mehr, 45 Prozent hatten ihre Arbeitsbelastung reduziert.
Laut WHO sind viele Betroffene in ihrer Teilhabe am sozialen Leben eingeschränkt. Und nicht zuletzt hat Long-COVID oft auch wirtschaftliche Folgen für die Patienten und ihre Familien.
Wer ist gefährdet?
Long-Covid kann jeden treffen, auch Jüngere und Menschen, die zunächst nur leichte Covid-19-Symptome hatten. Der Schweregrad der initialen Erkrankung hat keinen Einfluss darauf, ob sich Langzeitfolgen entwickeln oder nicht. Ein etwas höheres Risiko scheinen Frauen, ältere Menschen und übergewichtige Menschen zu haben.
Auch Asthmatiker waren stärker gefährdet. Das zeigte die britische Covid Symptom Study, in die über 4.000 Menschen mit Covid-19 eingeschlossen wurden. Patienten, die in der ersten Woche der SARS-CoV-2-Infektion mehr als fünf Symptome aufwiesen, entwickelten mehr als dreimal so häufig Long-Covid als andere.
Post-Covid-Ambulanzen
Rund 2,5 Millionen Menschen in Deutschland hatten laut Robert Koch-Institut eine laborbestätigte SARS-CoV-2-Infektion. Damit dürften auch in den Hausarztpraxen einige Patienten mit anhaltenden Beschwerden auftauchen. Was kann der Hausarzt tun? Da die Symptome unspezifisch sind, schlägt die WHO vor, zunächst die Beschwerden zu charakterisieren und andere Erkrankungen auszuschließen.
Die Behandlung sollte dann auf die Symptome und die beteiligten Organe zugeschnitten sein. Dabei können Fachärzte oder eine der Post-Covid-Ambulanzen, die an vielen Universitätskliniken Deutschlands eingerichtet wurden, weiterhelfen.
Quellen:
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