Berlin. Da das Corona-Infektionsgeschehen weiterhin hoch ist, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am Donnerstag (18. März) die Corona-Sonderregeln nochmals verlängert. Damit sollen die Arztpraxen entlastet und Arzt-Patienten-Kontakte so gering wie möglich gehalten werden, heißt es in der Mitteilung des Gremiums.
Doch für Praxen entsteht damit nicht zuletzt eine neue Unübersichtlichkeit. Denn während einige der Sonderregeln – etwa die von zahlreichen Hausärztinnen und Hausärzten genutzte und gelobte Telefon-AU – nur bis 30. Juni verlängert wurden, gelten andere Ausnahmen gleich bis 30. September. Sollte die Pandemie wider Erwarten schneller vorbei sein, könne man den Beschluss auch wieder zurücknehmen, hieß es in der G-BA-Sitzung in Berlin.
Diese Uneinheitlichkeit kann durchaus als Politikum gewertet werden: Denn während sich der unparteiische G-BA-Chef Prof. Josef Hecken in der jüngsten Sitzung einerseits gleich für die Verlängerung um zwei Quartale starkmachte, wollte er die telefonische AU explizit nicht gleich so lang gelten sehen. Sie solle nicht zum „Regelfall“ werden, betonte er. Das dürfte vielen Hausärztinnen und Hausärzten bitter aufstoßen. Auch der Deutsche Hausärzteverband macht sich für eine Telefon-AU in Grenzen, also etwa bei bekannten Patientinnen und Patienten, stark.
G-BA hat folgende Sonderregeln verlängert
Diese Regelungen gelten bis zum 30. Juni 2021:
- Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU): Ärzte können Patienten weiterhin telefonisch für eine Dauer von bis zu 7 Kalendertagen Dafür müssen sie sich durch eingehende telefonische Befragung vom Krankheitszustand ihrer Patienten überzeugen. Die AU kann einmalig für bis zu weitere 7 Kalendertage telefonisch verlängert werden.
- In der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) bleibt die Möglichkeit zur telefonischen Beratung
Folgendes gilt bis zum 30. September 2021:
- Heilmittel-Verordnungen bleiben auch dann gültig, wenn es zu einer Leistungsunterbrechung von mehr als 14 Tagen kommt. Folgeverordnungen im Bereich der häuslichen Krankenpflege müssen zudem nicht mehr in den letzten drei Arbeitstagen vor Ablauf des verordneten Zeitraums ausgestellt werden und Ärzte können diese für bis zu 14 Tage rückwirkend Die längerfristige Folgeverordnung von häuslicher Krankenpflege muss zudem nicht begründet werden.
- Ärzte können Behandlungen auch weiterhin per Video durchführen, wenn dies aus therapeutischer Sicht möglich ist und der Patient damit einverstanden ist. Dies gilt für eine Vielzahl von Heilmitteln, die Ärzte verordnen können, darunter auch Soziotherapie und psychiatrische häusliche Krankenpflege (immer mit Einwilligung der Patienten).
- Die Frist zur Vorlage von Verordnungen bei der Krankenkasse bleibt weiterhin von 3 auf 10 Tage verlängert für häusliche Krankenpflege, Soziotherapie und spezialisiert ambulante Palliativversorgung.
- Auch nach telefonischer Anamnese dürfen Folgeverordnungen für häusliche Krankenpflege, Hilfsmittel und Heilmittel weiterhin ausgestellt werden, unter der Voraussetzung, dass bereits zuvor aufgrund derselben Erkrankung eine unmittelbare persönliche Untersuchung durch den Arzt erfolgt ist. Die Verordnung kann postalisch an die Versicherten übermittelt werden. Telefonische Ananmese ist auch weiterhin für Verordnungen von Krankentransporten und –fahrten gültig.
Diese Regelungen gelten bis zum Ende der epidemischen Lage (aktuell 30. Juni 202):
- Im Rahmen des Entlassmanagements dürfen Krankenhausärzte weiterhin eine Arbeitsunfähigkeit für eine Dauer von bis zu 14 Kalendertagen statt bis zu 7 Tagen nach Entlassung aus dem Krankenhaus bescheinigen. Für diese können sie außerdem häusliche Krankenpflege, spezialisierte ambulante Palliativversorgung, Soziotherapie sowie Hilfs- und Heilmittel verordnen, insbesondere dann, wenn der Patient möglichst keine Arztpraxis aufsuchen sollte. Zudem kann die Verordnung von Arzneimitteln bei der Entlassung wie bisher flexibler gehandhabt werden.
- Krankentransportfahrten zu nicht aufschiebbaren, zwingend notwendigen, ambulanten Behandlungen nachweislich an Covid-19 erkrankter Versicherter (oder Versicherter, die unter Quarantäne stehen) bedürfen nicht der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkassen.
Alle Beschlüsse treten am 1. April 2021 in Kraft.
Bewertungsausschuss verlängert EBM-Ausnahmen
Passend dazu hat der Bewertungsausschuss bereits am Vortag die Ausnahmen zur EBM-Abrechnung während der Pandemie verlängert. Diese gelten allesamt zunächst bis Ende Juni. Betroffen sind davon einerseits die Videosprechstunden, die weiterhin ohne Mengenlimit erbracht werden können.
Zudem gelten die Zuschlagspositionen 01433 und 01434 für die telefonische Beratung unvermindert fort. Erhalten bleibt auch das auf 90 Cent erhöhte Porto für den Versand von Folgerezepten oder Überweisungen (Pseudo-GOP 88122).
Der Bewertungsausschuss werde spätestens zum 10. Mai prüfen, ob eine weitere Verlängerung der Regelungen erforderlich ist, heißt es im Beschluzsstext.
Längere Dossier-Fristen bei neuen Arzneimitteln gegen Corona
Solange die epidemische Lage von nationaler Tragweite besteht, erweitert der G-BA darüber hinaus die Frist für das Einreichen der vollständigen Dossiers zur Nutzenbewertung. So können pharmazeutische Unternehmen die Dossiers auf Antrag bis zu 5 Monate nach Zulassung an den G-BA übermitteln. Voraussetzungen sind, dass das Arzneimittelein ein beschleunigtes Verfahren (z. Bsp. ein sog. „Rolling-Review-Verfahren“) bei der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) durchlaufen hat und das Dossier spätestens zum Markteintritt in Deutschland vorliegt.
Derzeit kommen alle Arzneimittel gegen Corona im Rolling-Review-Verfahren auf den Markt, die Unternehmen haben also mehr Zeit, umfassende und vollständige Dossiers zu erstellen.