Die Herzinsuffizienz (HI) ist eine progrediente Erkrankung, die nicht selten zu plötzlichem Herztod oder Pumpversagen führt. Prof. Burkert Pieske von der Charité in Berlin forderte daher, ein größeres Augenmerk auf Patienten mit Herzinsuffizienz zu legen [1].
Aufgrund neuer Therapieoptionen sei bei manchen Patienten mehr als ein oligosymptomatischer Verlauf erreichbar.
ACE-Hemmer und Beta-Blocker bleiben erste Wahl
Gemäß der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) Chronische Herzinsuffizienz [2] und der ESC-Leitlinie von 2016 [3] erhalten Patienten mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF <35 Prozent) einen ACE-Hemmer sowie einen Beta-Blocker als Erstlinientherapie.
Die Behandlung wird nach NVL zunächst mit Mineralokortikoidrezeptorantagonisten eskaliert. Ein Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) kommt demnach infrage, wenn die Basistherapie ausgereizt ist, die Symptomatik aber trotzdem persistiert.
In diesem Fall sollen Patienten statt des ACE-Hemmers einen ARNI erhalten. [2] Auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat einen Zusatznutzen für den ARNI Sacubitril/Valsartan nur für Patienten anerkannt, die bereits mit ACE-Hemmern und Beta-Blockern vorbehandelt sind [4].
Direkt ein ARNI?
Warum nicht gleich einen ARNI geben? Diese Frage prüften amerikanische Forscher mit der PIONEER-HF-Studie [5]. 881 HI-Patienten mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF), die aufgrund einer akuten Dekompensation ins Krankenhaus kamen, wurden nach ihrer Stabilisierung entweder auf Sacubitril/Valsartan oder den ACE-Hemmer Enalapril eingestellt.
Der primäre Endpunkt war die Veränderung des Surrogatparameters NT-proBNP (N-terminales pro brain natriuretic peptide). Eine Reduktion von NT-proBNP gilt bei Herzinsuffizienz als gutes Zeichen für die Prognose.
“Der Abfall von NT-proBNP erfolgte unter Sacubitril/Valsartan stärker und schneller als unter Enalapril”, berichtete Pieske. Nach acht Wochen wiesen die Patienten unter Sacubitril/Valsartan eine größere Reduktion von NT-proBNP auf, verglichen mit der Enalapril-Gruppe (-46,7 versus -25,3 Prozent).
Jedoch unterscheidet sich der klinische Kombinationsendpunkt (u.a. Tod, erneute stationäre Aufnahme wegen HI) fast nicht (56,6 versus 59,9 Prozent). Allein kommt es in der Interventionsgruppe zu weniger stationären Aufnahmen (8 versus 13,8 Prozent).
Die in Europa durchgeführte TRANSITION-Studie kam zu vergleichbaren Ergebnissen, die Pieske vorstellte [1, 6]. Auch hier profitierten die rekompensierten HI-Patienten von einer Einstellung auf Sacubitril/Valsartan, die noch in der Klinik oder kurz nach der Entlassung erfolgte.
Studien überzeugen nicht jeden
“Aufgrund dieser Daten kann man meiner Ansicht nach bei der Neueinstellung direkt mit Sacubitril/Valsartan beginnen. Vorraussichtlich wird das auch in die neue Leitlinie aufgenommen”, erklärte Pieske [1].
Weniger überzeugt von PIONEER-HF und TRANSITION sind hingegen bislang die Autoren der NVL [2] sowie das arznei-telegramm [7]. Beide sind der Meinung, dass die klinischen Outcomes noch nicht hinreichend für eine initiale Gabe belegt sind.
So seien in PIONEER-HF etwa zu wenige Ereignisse aufgetreten, um den Effekt zu beurteilen. Zudem geht das arznei-telegramm davon aus, dass viele Teilnehmer zuvor nicht optimal therapiert waren.
Nicht geeignet für einen Vergleich mit ACE-Hemmern sei die TRANSITION-Studie, so das arznei-telegramm. Bei einigen Patienten verschlechtert sich die Nierenfunktion und auch Todesfälle sind leicht häufiger.
Die Ergebnisse sprächen daher eher dagegen, Patienten in der Klinik auf Sacubitril/Valsartan einzustellen. [7] Die NVL stellt eine Übersicht zu nötigen Verlaufskontrollen für alle Medikamente zur Verfügung [2, S. 51]
Diastolische Herzinsuffizienz: ARNI verfehlt Signifikanz
Für Patienten mit einer Herzinsuffizienz mit (fast) erhaltener Pumpfunktion (HFmrEF und HFpEF) sind die Therapieoptionen bislang sehr eingeschränkt [2]. Die ESC-Leitlinien empfehlen ACE-Hemmer und Diuretika zur Symptomkontrolle [3].
“Mit der Ausnahme von Sport sind alle spezifischen Versuche, dieses Krankheitsbild in den Griff zu bekommen, bisher gescheitert”, berichtete Pieske [1]. Auch ein neuer Versuch mit Sacubitril/Valsartan verfehlte die Signifikanz [8].
In der Studie PARAGON-HF verbesserte sich der primäre Endpunkt – kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz – unter Sacubitril/Valsartan um relative 13 Prozent (p=0,059) verglichen mit einer alleinigen Valsartan-Behandlung: Nach 34 Monaten waren 894 Ereignisse bei 526 Patienten unter Sacubitril/Valsartan und 1.009 Ereignisse bei 557 Patienten unter Valsartan allein aufgetreten.
Bei der genaueren Analyse fiel auf, dass Patienten mit leichter eingeschränkter Ejektionsfraktion (LVEF ≤ 57 Prozent) von der Sacubitril/Valsartan-Behandlung profitierten, Patienten mit einer LVEF ≥ 57 Prozent hingegen nicht.
Laut Pieske bedeutet das für die Praxis, dass diese Therapie beispielsweise bei Patienten nach einem Herzinfarkt mit einer LVEF von 45 Prozent bis 50 Prozent wirken könnte. Das Sicherheitsprofil von Sacubitril/Valsartan sei gut gewesen.
Hoffnung ruht auf SGLT2-Hemmern
Für Aufsehen sorgen aktuell Gliflozine in der Behandlung der Herzinsuffizienz, so halten die NVL-Autoren sogar einen Klasseneffekt der SGLT2-Hemmer für plausibel (s. “Der Hausarzt” 16/20). Als erstes machte Dapagliflozin mit der Studie DAPA-HF auf sich aufmerksam [9].
Gegenüber Placebo nahm bei Diabetikern mit Herzinsuffizienz die Gesamtmortalität ab (16,7 versus 13,3 Prozent). Alle Teilnehmer erhielten Dapagliflozin oder Placebo zusätzlich zur optimierten Standardbehandlung für Herzinsuffizienz.
“Erstmals seit Jahren gelang mit einem bisher als Antidiabetikum geführten Medikament nicht nur die Prävention von Herzinsuffizienz, sondern auch ein Therapieerfolg”, fasste Pieske zusammen [1].
Seiner Meinung nach wird die SGLT2-Hemmung in der nächsten kardiologischen Leitlinie nicht nur für die Prävention, sondern auch für die Therapie systolischer Herzinsuffizienz empfohlen.
Ein aktuelles Positionspapier der ESC [10] rät bereits zum Einsatz von Cana-, Dapa-, Empa- und Ertugliflozin bei Diabetikern mit manifester kardiovaskulärer Erkrankung oder einem hohen Risiko dafür. Denn Studien hätten gezeigt, dass Klinikeinweisungen aufgrund von HI dadurch sinken.
Dapagliflozin und Empagliflozin werden dem ESC-Positionspapier nach auch für HI-Patienten mit reduzierter Auswurffunktion empfohlen. Allerdings sind diese für die HI-Therapie noch nicht zugelassen – für Dapagliflozin wird die entsprechende Zulassung in Deutschland aber in nächster Zeit erwartet.
Quellen
- Hausarzt-Tag 2020, Vortrag Prof. Burkert Pieske: „Neue Therapieoptionen bei Herzinsuffizienz“, München, 1.4.20
- Nationale Versorgungsleitlinie Chronische Herzinsuffizienz, 3. Aufl. 2019, letzte Bearbeitung 5/2020
- Ponikowski P et al. Eur Heart J. 2016; 37(27): 2129-2200
- Gemeinsamer Bundesausschuss, Beschluss zur frühen Nutzenbewertung für Sacubitril/Valsartan, 16.6.2016
- Velazquez EJ et al. N Engl J Med 2019; 380(6): 539-548
- Wachter R et al. Eur J Heart Fail 2019; 21(8): 998-1007
- arznei-telegramm 2019; 50: 92,113-4
- Solomon SD et al. N Engl J Med 2019; 381:1609-1620
- McMurray JJV et al. N Engl J Med 2019; 381:1995-2008
- Seferović PM et al. European Journal of Heart Failure. DOI: 10.1002/ejhf.2026