© Bundesministerium für Gesundheit Nationale Teststrategie als 1-seitige Übersicht
“Testen, Testen, Testen – aber gezielt!“, bringt das RKI die ausgebaute Strategie auf den Punkt. Zentrales Element der Testverordnung sind Massen-Antigenschnelltests (POCT, Point-of-Care-Test) vor allem für asymptomatische Mitarbeiter in Arztpraxen, Pflegeheimen, Krankenhäusern, aber unter bestimmten Umständen auch für Besucher von Pflegeheimen.
Die Kosten müssen die Betroffenen nicht selbst tragen, sie werden aus dem Gesundheitsfonds gezahlt. Wichtig: Die Kostenübernahme gilt auch für Personen, die nicht gesetzlich versichert sind. Die Testverordnung sieht vor, dass Ärzte für die Sachkosten von ihnen selbst beschaffter PoC-Antigen-Schnelltests “höchstens 7 Euro je Test” extrabudgetär bekommen. Für die Abstrichentnahme, das Gespräch sowie die Ergebnismitteilung und ggf. eine ärztliche Bescheinigung soll es 15 Euro pro Test extrabudgetär geben.
Noch keine EBM-Ziffer
Allerdings gibt es im EBM bisher keine Abrechnungsposition für Antigen-Schnelltests bei asymptomatischen Personen. Die neue 32779 EBM gilt nur für Antigentests im Labor . Bis 12. November soll die Kassenärztliche Bundesvereinigung Abrechnungsweg und nötige Vordrucke regeln. Die KV Schleswig-Holstein rät Praxen daher, bis dahin diese Testungen in einer Excelliste zu dokumentieren und diese dann später für die Abrechnung nachzutragen.
Vorgesehen hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in seiner Verordnung bis zu 20 Tests pro Bewohner / Patient. Eine Pflegeeinrichtung mit 80 Bewohnern könnte also bis zu 1.600 Tests im Monat nutzen, um Besucher, Personal und Bewohner wiederholt zu testen. In einem ersten Entwurf waren noch 50 Tests je Bewohner vorgesehen.
Update (20.10.): Die KBV hat eine Übersicht zu Abrechnung und nötigen Formularen zur Testung asymptomatischer Personen nach der neuen Testverordnung zur Verfügung gestellt.
PCR-Test bleibt oft Goldstandard, Antigentests nur Ausnahme
Das RKI stellt dabei klar, dass die Antigentests aufgrund ihrer geringeren Sensitivität und Spezifität „nur unter bestimmten Voraussetzungen eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Maßnahmen“ sein können. Problematisch bleibt weiterhin die Quote falsch-negativer Ergebnisse. Denn: Damit ein Antigentest ein positives Ergebnis anzeigt, ist im Vergleich zur PCR-Testung eine größere Viruslast notwendig (niedrigere Sensitivität). Das bedeutet, dass ein negatives Antigen-Testergebnis die Möglichkeit einer Infektion mit SARS-CoV-2 nicht ausschließt.
“Deshalb sollten diese Tests nur bei Personen angewendet werden, bei denen ein falsch negatives Ergebnis nicht zu schwerwiegenden Konsequenzen führt (etwa ein nicht erkannter Eintrag einer Infektion bei Aufnahme in einem Krankenhaus)”, schreibt das RKI. Hier zeichnet sich also ein Konflikt zur Testverordnung ab: Gerade bei Besuchern von Alten- und Pflegeeinrichtungen, für die das Ministerium Antigentests empfiehlt (siehe unten Gruppe g) und die durch den Test unter Umständen eine vermeintliche “Entwarnung” angezeigt bekommen, könnten sich durch ein falsch negatives Ergebnis in falscher Sicherheit wiegen.
Außerdem ist ein Antigen-Schnelltest nicht so spezifisch wie ein PCR-Test, das heißt es kommt häufiger als bei der PCR vor, dass ein positives Ergebnis angezeigt wird, wenn die Person gar nicht infiziert ist. Das hätte zwar für den Einzelnen Konsequenzen, wäre zur Infektionsverhütung jedoch weniger schlimm. Hinzu kommt, für den Einzelnen gäbe es auch schnell Entwarnung, da ein positiver Antigentest laut RKI auf jeden Fall mit PCR kontrolliert werden soll.
Alle zurzeit auf dem Markt befindlichen Antigen-Schnelltests müssen von geschultem, medizinischen Personal durchgeführt werden.
Wichtig für die Praxis: Auch wenn Antigentests vor allem an asymptomatischen Personen zum Einsatz kommen sollen, muss die Testung unter Einhaltung aller Arbeitsschutzvorschriften geschehen, erinnert das RKI. Sprich: Ärztinnen und Ärzte sowie ihre Medizinischen Fachangestellten (MFA) sollten Schutzausrüstung analog zur PCR-Testung tragen.
Eine sichere Testumgebung zu schaffen, sei vor allem bei den vorgesehenen Tests in Pflegeheimen essenziell, jedoch nicht einfach sicherzustellen, erinnerte der Berufsverband Deutscher Laborärzte (BDL) am Donnerstag.
So priorisiert die neue Teststrategie:
Symptomatische Personen
Kontaktpersonen (siehe Kasten oben), medizinisches Personal / Pflegepersonal sowie Heimbewohner bei Ausbruch
Personen / Patienten in Arztpraxen, Kitas, Schulen oder Asylbewerberheimen bei einem Ausbruch und Patienten bei einer (Wieder-)Aufnahme in Klinik oder Pflegeheim sowie vor einer ambulanten Op oder Dialyse
Personal in Kliniken, Praxen und Pflegeheimen ohne Covid-19-Fall
Heimbewohner ohne Covid-19-Fall, Besucher von Pflegeeinrichtungen, Einreisende aus Risikogebiet
Neben symptomatischen Personen, denen in der Strategie höchste Priorität zukommt (s. oben), sollen folgende acht asymptomatische Personengruppen getestet werden:
a) Kontaktpersonen
Empfohlen: PCR-Test
Antigen-Tests in Ausnahmefällen, z.B. bei begrenzter PCR-Kapazität oder in dringenden Fällen zur Überbrückung der Wartezeit auf das Ergebnis einer gleichzeitig eingeleiteten PCR-Untersuchung.
Hinweis des RKI: Testungen während der Inkubationszeit sollten im Einzelfall wiederholt werden.
Wer zu dieser Kategorie zählt, wurde mit der Teststrategie ebenfalls überarbeitet, so hat sich unter anderem die Länge des Kontaktzeitraums von bisher 14 auf zehn Tage verkürzt. Neu aufgenommen sind Personen, die in den letzten zehn Tagen „durch die räumliche Nähe“ zu einer infizierten Person „mit hoher Wahrscheinlichkeit einer relevanten Konzentration von Aerosolen auch bei größerem Abstand ausgesetzt“ gewesen sind. Das gelte etwa für Feiern oder gemeinsames Singen.
Aktuelle Definition: Kontaktpersonen
sind Personen, die
in den letzten zehn Tagen insbesondere in Gesprächssituationen mindestens 15 Minuten ununterbrochen oder durch direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten engen Kontakt zu einer infizierten Person hatten,
mit einer infizierten Person in demselben Haushalt leben oder in den letzten zehn Tagen gelebt haben,
in den letzten zehn Tagen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer relevanten Konzentration von Aerosolen auch bei größerem Abstand ausgesetzt waren, z. B. nach Feiern, gemeinsamem Singen oder Sporttreiben in Innenräumen gemeinsam mit infizierter Person,
sich in den letzten zehn Tagen mit einer infizierten Person für eine Zeit von über 30 Minuten in relativ beengter Raumsituation aufgehalten haben (z. B. Schulklasse, Gruppenveranstaltungen),
in den letzten zehn Tagen durch die „Corona-Warn-App“ eine Warnung erhalten haben,
Kontakt zu einer infizierten Person hatten, etwa durch Pflege oder Betreuung.
Quelle: Testverordnung, Stand 14. Oktober 2020
b) Bei bestätigter Infektion in Arztpraxen, Kliniken, Pflege- und Rehaeinrichtungen
Empfohlen: Bewohner, Betreute, Patienten, ggf. Besucher und das gesamte Personal zeitnah mittels PCR testen
Bei PCR-Kapazitätsmangel oder zur sofortigen Entscheidung hinsichtlich der Einleitung einer Kohorten-Isolierung können Antigen-Schnelltests durchgeführt werden.
Bei Verfügbarkeit können auch labor-basierte Antigentests zum Einsatz kommen.
c) Bei bestätigter Infektion in Schulen, Kitas, JVA
Empfohlen: PCR-Test
(Labor-basierte) Antigentests sind möglich, etwa zur sofortigen Entscheidung hinsichtlich der Einleitung einer Kohorten-Isolierung oder bei PCR-Kapazitätsmangel
d) Personal in Arztpraxen OHNE Covid-19-Fall
Empfohlen: Regelmäßige vorsorgliche (Reihen-)Testungen in Gebieten mit einer erhöhten Inzidenz (z.B. 7-Tage-Inzidenz >50/100.000) mit (labor-basierten) Antigentests “zur Entlastung von PCR-Kapazitäten”; jedoch sind auch PCR-Testungen möglich.
e) Personal in Kliniken, Pflege- und Rehaeinrichtungen OHNE Covid-19-Fall
In Gebieten mit einer erhöhten Inzidenz (z.B. 7-Tage-Inzidenz >50/100.000) soll in Abstimmung mit der lokalen Gesundheitsbehörde vermehrt getestet werden.
Empfohlen: Mitarbeiter, die Patienten und Bewohner oder möglicherweise auch COVID-19-Patienten betreuen, in Abhängigkeit vom jeweiligen Testkonzept der Einrichtung regelmäßig testen.
Regelmäßige vorsorgliche (Reihen-)Testungen von Personal im Rahmen z.B. von betriebsärztlichen Untersuchungen sind möglich. Für eine regelmäßige Reihentestung sieht die Rechtsverordnung einen Anspruch auf Testung einmal in der Woche vor.
Werden hierzu Antigentests verwendet, sollte laut RKI ein Test mit einer sehr hohen Spezifität (>98 %) zum Einsatz kommen; positive Ergebnisse mit PCR bestätigen!
f) Patienten in Kliniken, Pflegeheimbewohner, Betreute in Dialysezentren OHNE Covid-19-Fall
Empfohlen: PCR-Test vor (Wieder-) Aufnahme sowie vor ambulanten Operationen. Nach der Aufnahme ist empfohlen, in gewissem Abstand abhängig vom Testkonzept der Einrichtung des Unternehmens zu testen (in Abstimmung mit der lokalen Gesundheitsbehörde stichprobenartig und anlassbezogen, nur im Fall einer erhöhten regionalen Inzidenz (z.B. 7-Tage-Inzidenz >50/100.000).
Antigentests in Ausnahmefällen, z.B. bei begrenzter PCR-Kapazität oder in dringenden Fällen
g) Asymptomatische Besucher von Pflegeheimen oder Kliniken
Empfohlen: Im Fall einer erhöhten Inzidenz (z.B. 7-Tage-Inzidenz >50/100.000) in einer Region ist in Abstimmung mit der lokalen Gesundheitsbehörde ein Antigen-Schnelltest unmittelbar vor Besuch der Einrichtung empfohlen. Eine solche Testung kann bis zu einmal wöchentlich durchgeführt werden.
Wichtig: Ein negatives Testergebnis gilt nur für den Besuchstag.
Eine PCR-Testung bleibt möglich, dürfte aufgrund des zeitlichen Verzugs – Hausärztinnen und Hausärzte berichten aus allen Regionen Deutschlands eine Wartezeit bis zum Testergebnis von bis zu fünf Tagen gegenüber “Der Hausarzt” – weniger attraktiv sein.
Besonders in diesem Szenario zeigt sich jedoch das Risiko eines unkritischen Einsatzes der Antigentests (siehe oben).
h) Reisende aus Risikogebieten
Die zur Reisesaison eingeführte Regelung, dass sich Rückkehrer aus einem ausländischen Risikogebiet testen lassen müssen und dies bezahlt bekommen, läuft mit der Neuregelung zum 15. Oktober aus.
Asymptomatische Personen haben künftig innerhalb von zehn Tagen nach der Rückkehr an ihren Heimatort Anspruch auf Testung, wenn sie sich zu einem beliebigen Zeitpunkt in den letzten 14 Tagen vor der Einreise in einem Risikogebiet (im Ausland oder an einem innerdeutschen “Hotspot”, gemessen an 7-Tage-Inzidenz >50/100.000) aufgehalten haben.
Empfohlen: PCR-Test
Antigentest ist ebenfalls möglich
Wichtig: Zeitgleich zur neuen Testverordnung wurde zudem eine neue Musterquarantäneverordnung vom Bundeskabinett verabschiedet, wonach die Zeiträume für die vorgeschriebene Quarantäne angepasst wurden. Diese beträgt künftig prinzipiell zehn Tage nach der Einreise in die Bundesrepublik aus einem Risikogebiet (vorher: 14 Tage). Auf die neue Zeitspanne hatten sich die EU-Gesundheitsminister Anfang September 2020 gemeinsam verständigt, heißt es in der Quarantäneverordnung.
Da die Inkubationszeit laut WHO fünf bis sechs Tage betrage, sei eine Testung zudem erst nach fünf Tagen zielführend. “Nur so kann ausgeschlossen werden, dass Ansteckungen in den letzten Tagen im Risikogebiet unerkannt bleiben und zu weiteren Ansteckungen nach Einreise in das Bundesgebiet führen.” Sprich: Reiserückkehrer aus Risikogebieten müssen künftig mit einer Quarantäne von mindestens fünf Tagen rechnen. Der Test kann laut Verordnung erst am fünften Tag vorgenommen werden, sofern nicht bereits bei Einreise ein nicht länger als 48 Stunden vorliegendes negatives Ergebnis vorgewiesen werden kann. Da ein PCR-Test empfohlen wird, ist zudem mit der Zeit bis Vorliegen des Testergebnisses zu planen.