Berlin/Bonn. Als zusätzliches Angebot für Patienten gehen jetzt schrittweise Gesundheits-Apps auf Kassenkosten an den Start. Die ersten beiden Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) wurden am Dienstag (6.10.) in einem Verzeichnis erstattungsfähiger Angebote aufgeführt, teilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn mit. Es handelt sich um eine App für eine Tinnitus-Therapie und eine Anwendung, die Patienten mit Angststörungen unterstützen soll.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, das Verzeichnis solle für Ärztinnen und Ärzte zu einem “Digital-Lexikon” werden, in dem sie verordnungsfähige Anwendungen finden können. “Die Wirkung dieser digitalen Hilfsmittel wird genau überprüft. Deswegen wächst diese Liste nur langsam auf.” Trotzdem sei sie eine “Weltneuheit” und Deutschland das erste Land, in dem es Apps auf Rezept gebe.
KBV kritisiert Apps als zu teuer
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist von den ersten beiden Apps noch nicht überzeugt. „Die Krankenkassen werden für solche Apps künftig viel Geld ausgeben, obwohl der Nutzen nicht ausreichend belegt ist“, sagte Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen am Donnerstag (8.10.). Die Tinnitus-Anwendung koste 116 Euro pro Patient im Quartal und die Anwendung gegen Angststörung eine einmalige Lizenzgebühr von 476 Euro, die für die Mindestverordnungsdauer von 90 Tagen reichen soll.
DiGA seien eine medizinische Maßnahme, weswegen ähnlich hohe Anforderungen wie bei anderen verordnungsfähigen Leistungen gelten sollten. Dies sei bisher nicht gesichert.
Studieneffekte unübersichtlich
So können Ärzte im DiGA-Verzeichnis des BfArM zwar nachlesen, welche Studie welche Effekte gezeigt hat. Die Angaben sind aber sehr lang und unübersichtlich aufbereitet. Zum Beispiel wird bei der Anwendung velibra zwar ein positiver Effekt benannt, jedoch nicht wie üblich in absoluten Zahlen der Vergleichsgruppen (NNT oder ähnliches). Und die zugrundeliegende Studie ist nicht frei zugänglich.
Die Tinnitus-Anwendung Kalmeda wird derzeit noch in einer Studie untersucht. Sie ist daher noch in der Erprobungsphase, mit Ergebnissen wird erst in zwölf Monaten zu rechnen sein.
Derzeit 21 Anwendungen in Prüfung
Die Verschreibungsfähigkeit gilt nur für bestimmte Apps – zum Beispiel Anwendungen, die beim regelmäßigen Einnehmen von Medikamenten helfen, oder digitale Tagebücher für Patienten. Dafür ist beim Bundesinstitut eine rasche Zulassung vorgesehen, wie ein seit vergangenem Jahr geltendes Gesetz festlegt.
Ist eine App in dem Verzeichnis gelistet, übernehmen die gesetzlichen Kassen ein Jahr lang vorläufig die Kosten – Ärzte können die Apps dann auch verschreiben.
Derzeit sind 21 Anwendungen in der Prüfung, wie das Bundesinstitut erläuterte. Für weitere rund 75 Anwendungen seien Beratungsgespräche mit den Herstellern geführt worden. Somit könnten “kurzfristig weitere Anwendungen in die Prüfung und ins Verzeichnis kommen”.
Mit Material von dpa