Bei Ellbogenschmerzen liegt die Ursache nicht immer im Gelenk selbst. Wenn Sie ein Verkettungssyndrom diagnostizieren, sind Aufklärung und Motivation entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung.
Herr Weber ist zum ersten Mal in Ihrer Praxis. Der 44-Jährige leitet eine Firma. Seit über einem Jahr schmerzt immer wieder sein rechter Ellbogen; die Schmerzen strahlen in die Unterarmstrecker aus, sodass der Händedruck rechts schnell unangenehm wird. Im Nackenbereich ist er oft verspannt, auch sein Tinnitus im rechten Ohr ist zurzeit sehr laut. Zudem klagt er über rezidivierende Schmerzen am rechten Rippenbogen. Eine ÖGD wegen Sodbrennen war unauffällig, ein EKG ebenso.
Beruflich bedingt sitzt er viel im Auto und am PC. Im Winter geht er gelegentlich Ski fahren, regelmäßiges Bewegungstraining oder Entspannungsverfahren integriert er bisher nicht in seinen Alltag. Herr Weber nimmt PPI bei Bedarf und Atorvastatin 10 mg wegen Hyperlipidämie. Er ist nicht voroperiert, Kontraindikationen für Manuelle Medizin bestehen keine.
Verkettungssyndrom bedenken
Unser Patient mag annehmen, dass die Ursache seines Ellbogenschmerzes im Gelenk selbst liegt. Jedoch kann der Schmerz im Ellbogengelenk Ausdruck einer Störung sein, die an anderer Stelle zu suchen ist – oft weiter proximal, etwa am Schultergelenk oder an der Wirbelsäule. Noch komplexer wird es, wenn sich neben Blockierungen der Wirbelsäule auch segmentale Funktionsstörungen der Costotransversalgelenke, eine verkürzte und/oder hypertone Halsmuskulatur und Triggerpunke finden: In diesem Fall handelt es sich um ein Verkettungssyndrom. Für einen positiven Heilungsverlauf sind dann eine strukturierte Diagnostik und Therapie (s. Kasten) sowie eine entsprechende Kommunikation mit den Patienten ausschlaggebend.
Bei Herrn Weber imponiert die HWS hyperlordosiert und der zervikothorakale Übergang betont. Der Kopf ist in Translation vorgezogen, die Schultern sind ventralisiert und stehen beidseits hoch. Es besteht ein Dehnungsschmerz und ein lokaler Druckschmerz am Epicondylus lateralis rechts (loco typico). Die Widerstandstests bei Dorsalextension des Handgelenks und des dritten Fingers rechts sind ebenfalls positiv, sodass Sie die Diagnose laterale Epicondylopathie stellen.
Pronation/Supination bei gebeugten Ellbogen sind links unauffällig mit 90°/0°/90°, rechts 80°/0°/80°. HWS: Rotation links/rechts 50°/0°/60°, Seitneigung links/rechts 20°/0°/30°. Bei der Dreischrittdiagnostik (s. Teil 3) finden Sie einen Irritationspunkt rechts auf Höhe des Scheitelpunkts der HWS-Lordose, welcher bei Rechtsrotation und Lordosierung der HWS zunimmt (Blockierung C5+re lo).
Die erste Rippe rechts zeigt sich inspirationsempfindlich (CTG1+insp), zudem stellen Sie eine rechtsrotationsempfindliche Blockierung an der BWS in Höhe des Angulus superior der Skapula rechts fest (Th3+re ky). Keine Druckpunkte am Schultergelenk, Schulter-und Nackengriff möglich, Jobe-Test in Innenrotation rechts positiv. Triggerpunkte finden Sie unter anderem in den Mm. scaleni, im M. sternocleidomastoideus, im M. supinator rechts sowie beidseits im M. levator scapulae und im M. pectoralis major.
Strategie planen
Gerade bei Patienten mit Ellbogenschmerz zeigt sich, dass Chirotherapie mehr ist als die Summe ihrer Behandlungstechniken. Im Hinblick auf die von unserem Patienten geäußerten Beschwerden ist es sinnvoll, sich mit vier Fragen genauer zu beschäftigen, siehe Abbildung: