Berlin. Nach den USA will sich auch die Europäische Union (EU) ausreichende Mengen des Corona-Mittels Remdesivir sichern. Darüber werde mit dem Hersteller Gilead Sciences verhandelt, teilte ein Sprecher der EU-Kommission am Donnerstag (2. Juli) mit. Er bekräftigte zugleich, dass das Mittel voraussichtlich Ende dieser Woche für den europäischen Markt zugelassen werden soll.
Die US-Regierung hatte sich einen Großteil der bis September anvisierten Produktionsmenge von Remdesivir gesichert. Laut US-Gesundheitsministerium wurde der Kauf von Wirkstoffdosen für mehr als 500.000 Behandlungen vereinbart. Das entspreche 100 Prozent der geplanten Produktionsmenge für Juli sowie jeweils 90 Prozent für August und September. Gilead vereinbarte nach eigenen Angaben mit der US-Regierung, dass nicht zugeteilte Teile der Produktion “für andere Verwendungszwecke, auch für Länder außerhalb der Vereinigten Staaten, bereitgestellt werden können”. Dazu werde man die Bedarfsmeldungen der Krankenhäuser engmaschig beobachten und alle zwei Wochen evaluieren, hieß es weiter.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn forderte vom Hersteller trotz des Großeinkaufs der USA weiterhin Lieferfähigkeit. Er erwarte von der Pharmafirma Gilead Sciences, „dass Deutschland und Europa versorgt werden, wenn es um ein solches Medikament geht“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag (2. Juli) im ZDF-„Morgenmagazin“. Den Bedarf für die kommenden Wochen sieht Spahn ohnehin gesichert. In der Zentralapotheke des Bundes gebe es entsprechende Reserven.
Eine fünftägige Behandlung mit Remdesivir wird bei Bestellung durch die US-Regierung wohl 2340 Dollar (etwa 2000 Euro) pro Patient kosten. Dieser Nettobetrag sei auch für Deutschland geplant, sagte der Sprecher von Gilead in Deutschland, Martin Flörkemeier, am Dienstag (30. Juni).
Auch die EU verhandele mit dem Hersteller über eine Reservierung für eine ausreichende Zahl von Behandlungsdosen des Mittels, gab der EU-Sprecher bekannt. Die Verhandlungen seien aber in einem frühen Stadium. Über die Menge und die Kosten wollte er nichts sagen.
Hersteller verpflichtet sich mit EU-Zulassung
Remdesivir gilt als eines der aussichtsreichsten Medikamente bei schweren Corona-Symptomen. Erst vergangene Woche hatte die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA eine Zulassung für das Mittel unter Auflagen in Europa empfohlen. Eine Entscheidung durch die EU-Kommission wird noch diese Woche erwartet. Remdesivir wurde ursprünglich zur Behandlung von Ebola entwickelt, zeigte hier aber eine zu geringe Wirkung. Es ist bislang in keinem Land der Welt uneingeschränkt als Medikament zugelassen.
Zu der Frage, ob durch die Vereinbarung die Versorgung mit dem Wirkstoff in Europa gefährdet sei, wollte sich ein Gilead-Sprecher auf Anfrage am Mittwoch nicht äußern. Pharma-Experte Andrew Hill von der britischen Universität Liverpool sagte laut “Guardian”: “Sie (die USA) haben Zugriff auf einen Großteil des Medikaments, also bleibt nichts für Europa.”
Die Bundesregierung rechnet auch nach dem US-Großeinkauf nicht mit einem Engpass bei dem Corona-Mittel. Man habe sich das Medikament frühzeitig für die Therapie von Corona-Patienten gesichert, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Mittwoch. Derzeit gebe es genügend Reserven. Mit der erwarteten Zulassung des Mittels für den europäischen Markt sei zudem die Verpflichtung für den Hersteller verbunden, “in angemessenem Umfang zu liefern”. Man gehe davon aus, dass die Firma dieser Verpflichtung nachkommen werde.
Wie gut ist der Kontakt zwischen WHO und USA?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) pocht auf gleichberechtigten Zugang zu lebensrettenden Behandlungen für Patienten in aller Welt. Man habe die Berichte über den Deal der US-Regierung zur Kenntnis genommen und prüfe die Details, sagte Nothilfekoordinator Michael Ryan in Genf. Es gebe weltweit viele schwer an Covid-19 Erkrankte. “Wir setzen uns mit aller Kraft dafür ein, dass es einen gleichberechtigten Zugang zu lebensrettenden Behandlungen gibt”, sagte er.
US-Präsident Donald Trump hat die Zusammenarbeit mit der WHO aufgekündigt. Er wirft ihr vor, unter chinesischem Einfluss zu stehen. “Wir sind weiter in Kontakt”, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Es gebe weiterhin Kollaborationen mit US-Einrichtungen.
Quelle: dpa