Berlin. Die S3-Leitlinie zum Reizdarmsyndrom ist aktualisiert worden. Bei der Jahres-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) hat Leitlinien-Koordinatorin Dr. Viola Andresen wichtige Neuerungen vorgestellt.
Low-FODMAP-Diät wird nun empfohlen
Die aktualisierte Leitlinie empfiehlt die Low-FODMAP-Diät als mögliche Therapieoption. Bei dieser Ernährungsform sollen die Patienten für eine bestimmte Zeit fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosacchide und Polyole vermeiden. Laut Leitlinien-Koordinatorin Andresen hat dies bei vielen Patienten gute Effekte – gerade bei Patienten mit Blähungen, die sonst schwer zu behandeln sind. “Es gibt sehr viele sehr gute Studien zu dieser Ernährungsform”, sagt Andresen.
Eine positive Empfehlung gibt es zudem für Probiotika. “Hier besteht allerdings die Schwierigkeit, dass individuell nicht vorhersagt werden kann, welches Probiotikum welchem Patienten in welcher Situation helfen könnte”, erklärt die Leitlinien-Koordinatorin. Neu ist auch eine Empfehlung für Rifaximin in anderweitig therapierefraktären Fällen des nicht-obstipierten Reizdarmsyndroms; in Deutschland ist dies eine Off-Label-Behandlung.
Die aktualisierte Leitlinie enthält zudem neue Daten zur Psychotherapie und Hypnotherapie. Insgesamt wird im Vergleich zur letzten Leitlinie deutlich umfangreicher auf Ernährung und Psyche eingegangen, auch ein Kapitel zur komplementären Therapie ist enthalten.
Neue Empfehlungen zur medikamentösen Therapie
Für die medikamentöse Therapie des Symptoms Diarrhoe wurden Colesevalam und Eluxadolin neu aufgenommen, zudem sind die 5-HT3-Antagonisten aufgewertet worden. Zur Behandlung von Obstipation gibt es eine stärkere Empfehlung für Macrogol und positive Empfehlungen für Prucaloprid und Linaclotid.
Zur Behandlung von Schmerzen wurden Spasmolytika aufgewertet, dabei hebt die Leitlinie das Pfefferminzöl separat hervor.
Bei den Antidepressiva gibt es vor allem für trizyklische Antidepressiva eine positive Empfehlung: Diese haben laut Andresen eine gute Evidenzlage zur Behandlung von Schmerzen und wirken zudem obstipierend, sodass sie für die Subgruppe der Diarrhoepatienten reserviert bleiben. “In Deutschland ist die Akzeptanz bei den Patienten allerdings eher untergeordnet”, so Andresen. Für andere Antidepressiva – gerade für SSRI- sei die Studienlage widersprüchlich. Antidepressiva vom SSRI-Typ können laut Leitlinie bei psychischer Komorbidität erwogen werden.
Diagnostik: Schwerpunkt auf Differentialdiagnosen
Bei der Diagnostik liegt der Schwerpunkt der aktualisierten Leitlinie weniger auf Diagnoseverfahren, sondern vielmehr auf wichtigen Differentialdiagnosen, die je nach vorherrschenden Symptomen auszuschließen sind.
Eine klare Empfehlung gibt es nun für Calprotectin; eine negative Empfehlung erhalten wissenschaftlich nicht etablierte IgG-basierte Tests für Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten sowie Stuhlanalysen auf Dysbiose. Zudem warnt die Leitlinie vor unnötigen/problematischen Eliminationsdiäten.
Im Vergleich zur letzten Leitlinie geht das Update deutlich umfangreicher auf die spezielle Diagnostik für Ernährung ein, etwa wurden die Themen Glutensensivität und Histaminintoleranz aufgegriffen.
Eigenes Kapitel zu Kindern
Die pädiatrischen Unterpunkte wurden in der neuen Leitlinie in einem separaten Kapitel abgehandelt, zudem enthält das Kapitel zur Pathophysiologie eine Reihe von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die DGVS und die Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) werden die aktualisierte Leitlinie demnächst publizieren; die Konsultationsfassung kann bereits auf der DGVS-Homepage eingesehen werden.
Quelle: Jahrespressekonferenz der DGVS vom 23.06.2020